"Niveau, weshalb, warum!?" - die mosaik-Lesereise Deutschland

5 Städte, 7 Lesungen, 21 AutorInnen, 3800 Kilometer

Nach der famosen Reise durch Bayern begaben wir uns erneut auf Roadtrip und packen Autorinnen und Autoren ein, um mit Ihnen den Westen, Osten und Norden Deutschlands zu erobern: vom Wohnzimmer bis zum Technoclub, vom Kulturcafé bis zur Buchdisko - und das druckfrische mosaik18 war mit im Gepäck!

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Mo, Köln, Weltempfänger

"Nein, ich lecke sicher nicht Peters Füße!"

Die erste Strecke war nicht nur die längste, sondern auch die mühsamste. Zwei Stunden Stau und so. Dafür wurden wir in Köln im wunderbaren Weltempfänger von Christoph Danne, Anke Glasmacher und Miriam Berger empfangen.

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Berlin

Wenn du in Berlin aus dem Auto steigst, die schwere Holztür zur Unterkunft öffnest und dich dahinter ein großgewachsener Herr, einzig mit einem Leopardenfellmantel bekleidet, fragt, ob du "rein willst", bevor dreißig Herren in aufreizenden Lederklamotten an ihm und dir vorbeigehen - dann denkst du dir: Berlin, du kannst so Klischee sein!

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Di, ORi

"Pizza, Pasta, Spielzeuglaster."

Bärlin erwartete uns: Im ORi trafen wir Matthias - es lasen Miku Sophie Kühmel, Nora Deetje Leggemann und Philipp Schulz mit uns.

 

Mi, Kater Blau

"Sperrstunde ist ein Austriazismus."

Es gibt den Moment im Leben, an dem man weiß: ok, das ist jetzt wohl der geilste Ort, an dem man je lesen wird... Willkommen im Kater Blau:

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Der Abend begann mit einer Gesprächsrunde mit Vertretern von Sachen mit Woertern, SuKuLTuR, Metamorphosen und uns. Es wurden die Gemeinsamkeiten und Schwierigkeiten debattiert, ein neues Literaturprojekt zu starten und zu betreiben.

https://www.facebook.com/sachenmitwoertern/photos/a.483837824994073.114331.200967913281067/1137883316256184/?type=3

"Dass digital zu produzieren auch koste, betonte Josef Kirchner von der österreichischen Literaturzeitschrift mosaik, die kostenlos vertrieben wird. Auch in Blogs stecke viel Arbeit, deren Produkt hinterher gratis konsumiert werde. Da liege der Zwiespalt: 'Einerseits will man prinzipiell Niedrigschwelliges produzieren, andererseits aber nicht die Gratiskultur fördern.'"

[zum Artikel in der taz]

[zum Beitrag auf Deutschlandradio Kultur]

https://soundcloud.com/user-694573966/podiumsdikussion-der-magazine-metamorphosen-mosaik-sachen-mit-wortern-und-dem-verlag-sukultur

 

Im Anschluss lasen Jannis Poptrandov, Doris Wirth, Karl Clemens Kübler und Lisa Viktoria Niederberger.

 

https://soundcloud.com/user-694573966/lisa-viktoria-niederberger

[zu den Aufzeichnungen der übrigen Lesungen]

 

Do, Buchdisko

Von der Disko in die Disko. Nach dem Acidbogen benötigten wir erstmal etwas Ruhe und zogen uns in die beschauliche Buchdisko in Pankow zurück. Zusammen mit Katrin Theiner konnten wir uns intensiv den Texten widmen und Kräfte für die nächsten Tage sammeln.

 

Fr, Hamburg, Chavis

Hamburg tat dies, was es am besten kann: ein Sauwetter haben. Wir machten das beste draus und vergnügten uns an der Reeperbahn. (Lesend im Chavis, natürlich...). Auf Einladung der Hafenlesung lasen Elisa Helm, Rick Reuther und Claire Walka. Marko Dinic las spontan die deutsche Übersetzung des anwesenden Palästinensischen Dichters Ghayath Almodoun.

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Sa, Erfurt, Kunststücke

Auf halben Weg heim liegt Erfurt. Dort startete vor kurzem die Reihe "Kunststücke" - bei der zweiten Auflage der WG-Lesungen waren wir zu Gast. Mit uns lasen Mario Osterland und Peter Neumann. Musik kam vom unglaublichen littlemanlost.

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So, Salzburg, Atelier du Bureau

"Es gibt so Dörfer, da denkst dir: Zieh aufs Land und verreck!"

Machen wir uns nichts vor: Sieben Tage im selben Auto, im selben Zimmer. Jeden Tag Autofahren, jeden Abend Lesung und Party. Es gibt schlimmeres. Aber wie das all die Rockbands gemacht haben, ohne sich die Schädel einzuschlagen, bleibt uns ein Rätsel. Da tut so ein herzlicher Empfang wie am letzten Abend im Atelier du Bureau gut. Dort kreuzten sich die Lesereisen von uns und von Nico Feiden, der in Salzburg sein neues Buch (findet ihr auch in mosaik18) vorstellt.

 

Alle Fotos findet ihr hier.

Vielen Dank an Lisa Viktoria Niederberger, Marko Dinic und Peter.W. - und an alle unsere Freunde und Partnerinnen überall, die uns bei der Organisation unterstützt haben. Ohne euch gäbe es keine mosaik Lesereise.

Du willst das mosaik auch in deiner Stadt? schreib@mosaikzeitschrift.at

 

 


freiVERS | Susanne Rzymbowski

Unantastbar

bist du geworden

in den Jahren der Einsamkeit

die dich erfüllt

im Mantel von Stille

den auszuziehen

du nicht bereit

im Halten von Fragwürdigkeit

eisigem Tablett

der einen Antwort wartend

die nie gestellt

Susanne Rzymbowski

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freiTEXT | Sabine Roidl

Krokodile in Florida

Als ich ein kleines Mädchen war hatte ich Angst vor der Atombombe und dass Papa seine Arbeit verliert.

Die Eltern sind zu Besuch. Sie haben Kuchen und Brennholz mitgebracht. Papa schichtet das Holz draußen auf, zwischendurch zieht er ein Taschentuch aus der Hosentasche, Mama legt ihm nach dem Bügeln immer eines hinein, so gefaltet, dass die gestickten Initialen obenauf liegen. Papa wischt den Schweiß von der Stirn, stopft das Tuch wieder in die Hosentasche.

Mama sagt, bis die Kinder da sind, können wir schon mal Kaffee kochen und ob es in diesem Haus nicht einmal ein Tischtuch gibt. Dann steht der Kuchen auf dem Tisch und Papa kommt wieder herein: Sag deinem Mann, er soll das Holz hacken. Hock dich, sagt Mama. Wir setzen uns, sie erzählen vom Urlaub in Florida.

War er morgens von der Schicht gekommen, wartete ich, bis die Bier-
flaschen in der Küche klimperten. Ein Zischen, Gluckern ... aaah; dann lief ich zu ihm. Zu kalt, nur im Nachthemd, brummte er, machte den Backofen an und den Deckel auf. Er zog den Küchenstuhl davor und hob mich hoch. Meine Füße in seiner riesigen Hand, die klammen Zehen bohrten in seine Handfläche. Bis Mutter hereintrabte: Was hier schon wieder los ist, ob wir Maulaffen feilhalten und was solln  das mit dem Backofen. Kostet Strom nix mehr oder was?

Mama sagt, dass in Miami Wasser und Luft immer die gleiche Temperatur haben. Ist es an einem Tag 24 Grad warm, so gilt das auch für das Meer. Papa meint, das könne wohl nicht ganz stimmen, wenn es nämlich im Hochsommer mal über 40 Grad habe, und das wäre nicht selten, würde das Meer wohl kaum so heiß werden.

Vom Meer weg führen Kanäle, erzählt er, richtige Schiffstraßen, wie in Venedig, bloß viel breiter, die parken ihre Yachten direkt vor ihren Häusern. Was heißt Häuser, Schlösser sind das. Und Unsereins steht davor und kommt sich blöd vor, weil man immer geglaubt hat, man hätte im Leben auch was geschaffen, aber doch nicht so etwas und nicht in einem Land, wo das Wasser so warm ist wie die Luft. Wer hätte gedacht, dass es so etwas überhaupt gibt.

Zum Putzen reicht mir unser Schloss auch, sagt Mama, und außerdem sieht man da drüben überall nur Schwarze arbeiten. Im Hotel, an der Tankstelle, da wird schnell klar, wer bei denen die Arbeit macht ... Genau, fällt Papa ihr ins Wort, nicht so wie bei uns, wo die Kanacken den ganzen Tag nur herumlungern. Bist du still jetzt, Mama boxt ihn auf den Oberarm, die Röte schießt ihr ins Gesicht. Er meint das nicht so, Kind. Es ist nur ... der Flug war so lang ... und dieses Englische ... wir mussten so auf der Hut sein, dass wir bei der Reiseleiterin bleiben. Wir hätten ja alleine nicht einmal nach dem Weg fragen können. Genau, sagt Papa, und die Sitze im Flugzeug waren so eng, mir tut jetzt noch alles weh. Papa hebt die Kaffeetasse an, er greift sie mit der ganzen Hand, sein Finger passt nicht durch den Henkel.

Unter der Haut schimmert es schwarz: das sind winzige Teilchen der Schlacke, die er in den Hochofen schaufelte. Sie war heiß, hat sich wie eine Tätowierung in die Haut gebrannt. Das lässt sich nicht mehr auswaschen; nicht aus den Händen, nicht aus dem Mund. Alle halbe Stunde fauchte und zischte es am Hochofen und der Schlot stieß eine Flamme aus: eine Charge blasen nannte Papa das und er sagte immer zu mir, solange es das noch auf der Maxhütte gäbe, müsste ich mir um nichts Sorgen machen. Wenn er auf Schicht ging und ich schon im Bett lag, lauschte ich den ruhigen Atemzügen meiner Brüder und wartete mit dem Einschlafen bis die nächste Charge den Himmel vor dem Fenster gelbviolett erhellte.

Es war so schön in Florida, mein Kind, die Strände wie Puderzucker. Und das Licht! Wie aus Diamanten glitzert das Meer in der Sonne, jeden Tag wieder. Papa nickt und trommelt den Rhythmus eines Liedes mit den Fingern auf den Tisch. Ja, schön wars. Aber doch so weit weg von zu Hause ... genug erlebt, würde ich sagen und nächstes Jahr läuft mein Reisepass eh ab ... ach, übrigens, Krokodile haben wir auch gesehen, die sind da recht häufig ... Alligatoren, verbessert Mama. Ach so? Dann eben Alligatoren. Ganz schön große Viecher. Aber Angst hatten wir nicht.

Nein, keine Angst, sagt Mama und legt ihre neben Papas Hand.

Sabine Roidl

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freiVERS | Thomas Mulitzer

Eine Krume für die Vögel

Immer wenn ich
nicht schreibe,
bin ich unsichtbar
für meine Nachwelt,
also setz ich hier und da
ein Zeichen,
streue Krumen auf dem Pfad,
ein Spickzettel im Mauerspalt,
eine Botschaft auf obskuren Blogs,
ein Graffito hinterm Hochaltar,
ein als Leserbrief getarntes Manifest,
ein Brandzeichen am Arsch der Queen,
graublaue Bojen auf See,
und die Literaturwissenschaftler der Zukunft
werden Antiquariate durchforsten,
Recherchereisen unternehmen,
den Boden abtragen und Schatzkarten erstellen,
oh ferne Germanisten,
filzt meine Möbel und huldigt meinem Staub,
ich tu euch den Gefallen und schreib einen Reim
auf die Wand über meinem Klo,
oh Nobelkomitee, oh Akademie,
ich teile meinen Ruhm mit euch,
oh Gleichgesinnte, Schwärmer,
sammelt rege Raritäten
und riecht an meinem Schweiß,
oh zukünftige Biografen,
suchet und findet,
aber ich mach es euch nicht leicht,
ich wünsche viel Erfolg
bei der Jagd nach den
Meisterwerken
meines frühen Schaffens.

Thomas Mulitzer

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freiTEXT | Dominik Ritter

Mittagshitze, 25 Cent

Die Straßen erwachten wieder und die Häuser und die Schatten waren nicht mehr so hart, länger und alles regte sich im verändernden Licht und auch der Busbahnhof erwachte aus der staubigen Mittagshitze und die Menschen warteten an den Stationen, traten von einem Bein auf das andere und als ihre Busse kamen ließen sie die Leute aussteigen, stiegen dann selber ein und die Busse fuhren ab und andere Menschen kamen und warteten und fuhren schließlich wieder ab.

Dann tauchte der alte Mann auf. Er trug zwei ausgebeulte Plastiktüten in der linken Hand, einen Gummihandschuh an seiner rechten. Er sammelte Pfandflaschen. Und er ging über den Busbahnhof, vorbei an den Leuten, die wartend dort standen und ihn kaum wahrnahmen und nur auf die Displays glotzten, zu einem Mülleimer. Er schaute leicht vorgebeugt hinein, griff dann in den Mülleimer, suchte, zog sie schließlich wieder raus. Und ging zum nächsten Mülleimer.

Es passt nicht, ging es dem jungen Mann durch den Kopf. Er sieht nicht aus wie ein Pfandflaschensammler. Der junge Mann stand an einer Station und hatte den alten Mann beobachtet wie er im Mülleimer kramte und irgendetwas hatte ihn stutzig gemacht. Er sieht aus wie ein Opa, der im Sessel sitz und Geschichten erzählt. Der junge Mann schaute zu, wie er jetzt zum nächsten Eimer ging.

Der alte Mann trug einfache, saubere Kleidung und seine Schuhe waren poliert. Er war rasiert und sogar seine Augenbrauen waren gestutzt. In seinem Gesicht lag das Alter und in seinen Bewegungen und an seinen Händen und Unterarmen und an seinem Hals waren braune Flecken.

Der Alte hatte den Mülleimer durchsucht und ging zum nächsten, wo der junge Mann stand. Er durchsuchte den Müll und der junge Mann kramte aus seiner Tasche eine Flasche heraus, nahm den letzten Schluck.

„Hier, bitte.“

Er war zum Mülleimer getreten und reichte dem Alten die Flasche. Der schaute auf. Sein Blick blieb einen Moment an den Augen des jungen Mannes hängen.

„Danke.“

Er nahm die Flasche und ließ sie in die Tüte fallen, wendete sich wieder dem Mülleimer zu. Der junge Mann blieb.

„Wissen Sie, ich habe studiert. Zweites Staatsexamen.“ Der Alte schaute nicht auf, suchte weiter. Er hatte den Blick gespürt. „Hab‘ mein Leben lang gearbeitet, Kinder großgezogen, Steuern bezahlt.“

Er sprach bedacht, wählte seine Worte. Dann sagte er leiser: „Hab‘ meinen Kindern was bieten können. War nicht viel, aber schön.“ Seine Stimme klang matt, traurig.

„Und jetzt . . .“ Er schaute auf, dem jungen Mann direkt in die Augen.

„Das tut mir Leid für Sie.“

Der Alte hielt den Blick.

„Mir tut es auch leid.“

Ein Bus fuhr vor. Der junge Mann blickte weg, zum Bus.

„Entschuldigen Sie bitte. Ich muss los.“

„Danke für die Flasche.“ sagte der Alte sanft. Der junge Mann schluckte.

Dann wandte er sich ab und stieg ein.

Der alte Mann schaute sich um, ging dann zum nächsten Mülleimer dort drüben.

Während er hineinschaute, kramte, dann eine Flasche hervor zog, fuhr ein weiterer Bus vor und eine Gruppe von Jungen stieg aus. Sie kamen aus der Schule. Sie waren laut, schubsten und der Alte schaute sich nach dem Geschrei um, blickte die Jungen an, kniff die Augen zusammen. Er erkannte einen der Jungen und lächelte.

Dieser Junge ging mit den anderen und sie kamen in die Richtung des alten Mannes, dann trafen sich die Blicke der zwei. Der Alte wollte schon den Namen seines Enkels rufen, hielt dann inne. Der Junge war kurz stehen geblieben, war für einen Moment unsicher, ignorierte dann den Blick des alten Mannes, indem er auf den Boden sah. Danach schaute er sich vergewissernd zu seinen Kumpels um, aber keiner hatte etwas bemerkt. Die Gruppe ging weiter, aber der Junge war still, während die anderen weiter fröhlich lärmten.

Der Großvater stand da. Verlassen. Er rührte sich nicht. Keinen Schritt.

Er schaute seinem Enkel nach. Und weinte lautlos.

Dann murmelte er etwas, aber niemand hörte es. Er ging über den Bahnhof zum nächsten Mülleimer. Die Tüten trug er nicht mehr, schleifte sie hinter her.

Die Gruppe war schon fast am Ende des Busbahnhofs, als der Junge sich nach seinem Großvater umdrehte, um ihm einen Blick zuzuwerfen. Der Junge sah ihn, aber ihre Blicke trafen sich nicht, da der Blick des Großvaters auf den Boden gerichtet war.

Dominik Ritter

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Ausschreibung: Lyrik zur Arbeit

Der 1. Mai ist Tag der Arbeit. Der 1. Mai ist in diesem Jahr aber auch ein Sonntag und somit freiVERS-Tag.

"Seine Worte verhallten
auf dem Amboss
unter
den Hammerschlägen"

schrieb Renate Katzer vor einem Jahr. Für heuer suchen wir

freiVERSe zur Arbeit

Sendet uns eure Lyrik (und alles, was sich entfernt als solche bezeichnen lässt) zum Thema Arbeit - alles von Hammer und Sichel bis Quarter-life-crisis, von Stakkatoschlägen der Fließbandarbeiter bis Schreibblockaden der Tastaturklimperer.

Was: Lyrik zur Arbeit (freiVERS Spezial)
Wann: bis 24. April
Wohin: schreib@mosaikzeitschrift.at

Was es mit dem mosaik-G'schäft auf sich hat

Das mosaik ist kostenlos. Das mosaik bleibt kostenlos.

Das bedeutet aber nicht, dass das mosaik mit keinen Kosten verbunden ist. Eigentlich ist das alles ziemlich zeit- und kostenintensiv. Möglich war und ist das alles nur, weil

a) viele Leute (AutorInnen, LektorInnen, HerausgeberInnen,...) ihre Arbeitszeit kostenlos zur Verfügung stell(t)en. Und

b) Stadt, Land, Bund und mehrere Stellen der ÖH Salzburg uns nach deren Möglichkeiten unterstütz(t)en.

Nun ist es aber mal so, dass sich das mosaik (hauptsächlich aufgrund von eurem Interesse) in den letzten Monaten und Jahren schneller entwickelt hat und größer geworden ist - sodass die Kosten mit Förderungen allein nicht mehr abgeglichen werden können. Jetzt gehen wir Herausgeberlein bürgerlichen Jobs nach um mit dem Gehalt und in der verbliebenen Freizeit das mosaik betreiben zu können. Weil es uns das Wert ist.

Und diese Wertschätzung bekommen wir auch von euch oft zu hören und zu spüren. Eure Rückmeldungen - Lob, Kritik, Dankbarkeit - motivieren uns erst, weiterzumachen. Jetzt habt ihr die Möglichkeit, dieser Wertschätzung auch monetär Ausdruck zu verleihen. Auch wenn Kapital und Kunst oft als unvereinbar angesehen werden, es ist leider so:

Ohne Göd koa Musi.

(Ohne Geld keine Musik, österr. Sprichwort)

Zudem bekommen unsere Freunde, wo auch immer ihr euch gerade aufhalten mögt, endlich die Möglichkeit, bequem und zu fairen Preisen Einzelhefte, Abos, eBooks etc. zu bekommen.

Darum also das mosaik-G'schäft, der Online-Shop zur Förderung des mosaik.

>> mosaikzeitschrift.at/shop <<


freiVERS | Nico Feiden

Heimkehr

Lasst uns heimkehren,

wie konnten wir uns so lange verirren.
Fern von Zuhause,
wissen wir nicht wo unsere Heimat liegt.
Nur in den Blicken der Kinder,

die uns mit Augen betrachten,
die wie Apfelblüten leuchten,

erkennen wir unsere Heimat wieder.
Lasst uns heimkehren,
solange sind wir fort gewesen.
Mir scheint es eine Ewigkeit
& all das Heimweh setzt die Segel.
Das Lachen der Welt,

nichts als ein nutzloser Gesang in den Städten …

Lasst uns heimkehren, in den Schoß der Kindheit,
zu Weinbergen & rebbewachsenen Hängen am ruhenden Fluss auf dem
der Fährmann seine Kreise zieht.
Auf die Wiesen unserer Jugend zu Malve, Klee & Nelken.

Lasst uns heimkehren, zu Burgen die auf Bergen über das Land thronen,

zu Fachwerkhäusern & efeubewachsenen Türmen,
über gepflasterte Straßen mit Weinflaschen stolpernd.

Lasst uns heimkehren, in die Zweifel unserer Jugend,
mit mutigen Schritten über Gräber, die uns nicht fremd sind
& die wir doch niemals gesehen haben.

Lasst uns heimkehren,
Ringsum ist alles still,

liebende Hände streicheln über Stirn & Haar,
schattige Räume von gebrochenen Sonnenstrahlen durchdrungen.
Der Gesang unserer Großmutter, mit Schlaflippen in wiegenden Träumen.
In Gesichtern spiegelt sich Staub.
Wir suchen richtige Dinge, an falschen Orten …
Das endlose Ringen nach Glück,

in der Heimat scheint es fast bedeutungslos zu sein.

Nico Feiden

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freiTEXT | Esther Nowy

Erwin und Erna

Sein Nacken verkrampfte sich, als Erna wieder zu meckern begann. Wenn du früher aufgestanden wärst, dann wären wir früher im Supermarkt und müssten dann nicht so lange an der Kasse warten. Erwin verdrehte die Augen und ging schneller. Aber du musstest gestern ja wieder ewig diesen Müll im Fernsehen anschauen und ich kann dann nicht einschlafen. Erwin atmete tief aus, nahm einen Einkaufswagen und betrat den Supermarkt. Die frischen Semmeln dufteten und er griff nach einer Zehnerpackung. Immer nur Weißbrot, Weißbrot, Weißbrot... Du weißt aber schon, dass du dann wieder ewig am Thron sitzen wirst? Daneben liegt doch ein wunderbares Vollkornbrot, nimm das! Erwin reagierte nicht, er dirigierte seinen Einkaufswagen weiter Richtung Obst- und Gemüseabteilung, um eilig daran vorbei zu fahren. Das kann jetzt aber nicht dein Ernst sein, jammerte Erna. Nicht einmal ein Apfel? Wenigstens eine Banane? Erwin ignorierte sie und fand sein Ziel in der Getränkeabteilung. Der Wodka ist billig, dachte er, und sofort fiel im Erna ins Wort: Alkohol macht Birne hohl! Ist das mein Körper oder deiner, dachte er grantig, dann legte er zwei Flaschen von dem Schnaps in seinen Wagen. Ich bekomme immer so Kopfweh von deinem Fusel, beklagte sich Erna. Erwin stöhnte laut auf und legte eine Flasche Eierlikör neben die beiden Wodkaflaschen. Hier hast du deine Vitamine, Erna. Sie war sprachlos. Das passierte nicht oft, seit Erna vor einem Jahr von uns gegangen ist.

Erna und Erwin waren 58 Jahre lang miteinander verheiratet. Nach dieser langen Zeit konnten es sich beide nicht mehr vorstellen ohne einander zu sein. Als bei Erna Krebs diagnostiziert wurde, gab es für Erwin keine Diskussion. Sie sollte für immer bei ihm sein. Er verabschiedete sich von seiner Frau an ihrem Krankenbett. Bis später, rief sie ihm nach. Einige Stunden später wachte Erwin mit einem gewaltigen Brummschädel auf. So schmerzhaft hatte er sich das nicht vorgestellt. Erwin, wach auf, wach auf, rief Erna aufgeregt. Das Leben geht weiter!

Ernas Leben ging tatsächlich weiter, aber Erwin kam es inzwischen so vor, als wäre seines vorbei gewesen, als es sich Erna in ihm gemütlich gemacht hatte. Früher hatte er sich nicht vorstellen können, ohne sie zu sein. Jetzt wünschte er sich nichts sehnlicher. Nie war er allein, niemals. Egal, ob er auf der Toilette saß und den Playboy las oder unter der Dusche seine natürlichen Bedürfnisse befriedigen wollte. Noch anstrengender waren die ständigen Besuche ihrer Freundinnen und Verwandten bei denen Erwin das Sprachrohr für Erna spielen musste. Erna war immer präsent und sie hatte immer was zu sagen. Sie tat ihm nicht ein einziges mal den Gefallen, so zu tun, als ob sie gerade nicht da wäre. Erwin hatte genug, er musste Erna zum Schweigen bringen und wenn es das letzte wäre, was er täte.

Esther Nowy

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