mosaik23 – du bist fad.

mosaik23 – du bist fad.

Intro

Wer ist fad?

Wenn das mosaik auf der Titelseite eine so provokante Behauptung aufstellt, dann fragst du dich wohl, wer denn nun fad sein soll. Nun, entweder ist dies eine selbstbezogene Behauptung vom mosaik, vielleicht eine neue, etwas fragwürdige, PR-Masche. Ein kurzer Blick ins Archiv, genauer gesagt, in mosaik13, hilft weiter:

„Keine Literaturzeitschrift kann jemals so langweilig sein wie die letzten Bücher von Peter Handke.“ – Marko Dinic

Puh, aus dem Schneider. Aber das würde ja bedeuten, das Du bezieht sich auf dich, werte Leserin bzw. werter Leser, sofern Sie nicht schon von der Titelseitenduzerei abgeschreckt oder gar beleidigt worden sind. Sehr kühn von uns, sind wir doch eigentlich ganz lieb und freundlich. Und was sagt eigentlich Frau Pernkopf auf Seite 8 dazu?

Aber wo waren wir. Genau. Die Literaturzeitschriften. Dass die nicht fad sind, haben wir (und du sicher auch) nicht erst mit mosaik13 rausgefunden. Was die aber wirklich können, das dürfen sie selbst unter Beweis stellen. Zum einen beim ersten Treffen unabhängiger, zeitgenössischer Literaturzeitschriften, das im Mai 2017 in Salzburg stattfindet – klein und laut präsentieren sich bereits jetzt einige dieser Zeitschriften ab Seite 53.

Dennoch: Wenn man zum dreiundzwanzigsten Mal etwas macht, dann muss man sich dem Fadessevorwurf stellen. Intern möchten wir dafür sorgen, dass wir eben dies nicht werden, arbeiten an neuen Formaten, Inhalten, Themen. Doch dafür brauchen wir dich, der du grade im Zug/auf der Wiese/am Klo sitzt und zufällig oder ganz bewusst diese Zeiten liest. Wer liest eigentlich noch Vorwörter? Ach, ist eh ein Intro. Und als solches darf es ruhig auch konfus und wirr sein.

Weiterhin: Wir brauchen dich. Wenn du dich fragst, was wir so machen, dann lies einfach mal weiter und schau dich online um. Wenn du das, was wir (außerhalb dieses Intros) so machen, gar nicht mal so schlecht findest, dann werde doch ein Teil von uns! Noch nie war es so einfach, ein Mitglied der mosaik-Familie zu werden. Schau einfach mal auf wir.mosaikzeitschrift.at vorbei.

Der Vorteil daran: Wir sind nicht fad.

Unser Mosaik.

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mit Texten von:
  • Ulrike Anna Bleier
  • Daniela Chana
  • Sagal Comafai
  • Fabian Lenthe
  • Christian Lorenz Müller
  • Susanne Pernkopf
  • Andreas Reichelsdorfer
  • Kathrin Schadt
  • Sigune Schnabel
  • Katja Schraml
  • Jan Seibert
  • Leon Skottnik
  • Elisa Weinkötz
  • Phillip Zechner
klein&laut – Literaturzeitschriften-Spezial mit Vorstellung von:
  • Politisch Schreiben
  • &radieschen
  • Richtungsding
  • Sachen mit Woertern
  • Seitenstechen
  • Zeitblatt Prisma
  • STILL
Übersetzungen von Texten von:
  • Katja Plut (aus dem Slowenischen)
  • Natasa Velikonja (aus dem Slowenischen)
  • Karlo Hmeljak (aus dem Slowenischen)
  • Florin Iaru (aus dem Rumänischen)
  • Aleksandr Baslacev (aus dem Russischen)
  • Nicoletta Grillo (aus dem Italienischen)
Mit Auszügen aus:
  • KulturKeule XXIII – Texte von
    • Fiona Sironic
    • Nora Zapf
    • Daniel Bayerstorfer
Buchbesprechung:
  • Marko Dinic – Lyrikkiez: Wald aus Krätze (hochroth)  und BAIAE (Verlagshaus Berlin) von Tobias Roth
Interview:
  • Sibylle Ciarloni mit Joanna Lisaik
Kolumne
  • Peter.W. – Hanuschplatz
eine Grafik von:
  • Flamingo
Kreativraum mit Veronika Aschenbrenner

freiTEXT | Andreas Reichelsdorfer

Zwecks der öffentlichen Wirkung (1965)

Während der Anwalt versuchte, sich in der Zelle mit dem zum Tode Verurteilten zu verständigen, patrouillierte vor den Gittern die Selbstmordwache. Der Vollzug war für nächsten Donnerstag angesetzt.

Andreas Reichelsdorfer

Andreas ist Teil von Zweifel zwischen Zwieback, der 20. Ausgabe der Zeitschrift mosaik.

 freiTEXT ist wöchentliche Kurzprosa. Freitags gibts freiTEXT.
Du hast auch einen freiTEXT für uns? schreib@mosaikzeitschrift.at

<< mehr Prosa | mehr Lyrik >>

02 | Andreas Reichelsdorfer

Translation

Zwänge man mich dazu, in den Zellkorridoren meines Rückenmarks umherzuwandern, gäbe ich zu Bedenken, es ereigne sich lediglich in den Re-Evaluierungen meiner Vergangenheit (grob gesagt und dadurch dividiert, kann ich das tun?), um schlussendlich als Déjá Vu wieder an der Oberfläche zu gelangen.

Andreas Reichelsdorfer

Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen:

advent.mosaikzeitschrift.at

Kritische Literaturtage 2016 - Zeitschriftenstand

Zum zweiten Mal findet in Salzburg eine Veranstaltung statt, die kleineren Verlagen die Möglichkeit gibt, ihr Verlagsprogramm einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen – die Kritischen Literaturtage. Besucher*innen bekommen hier die Möglichkeit, sich mit neuer, kritischer und politischer Literatur auseinanderzusetzen.

2. bis 4. Dezember 2016, ARGEkultur Salzburg // >> sei dabei! <<

Im großen Saal und im Foyer finden 35 Aussteller*innen mit ihrem Sortiment Platz – ein spezieller Tisch wird den Literaturzeitschriften gewidmet werden. Unter der Koordination von mosaik – Zeitschrift für Literatur und Kultur werden ausgewählte Zeitschriften aus dem deutschsprachigen Raum präsentiert. Dieser Kombi-Stand bietet perfekte Möglichkeiten in aktuellen und vergangenen Ausgaben zu schmökern.


 

Wir haben für euch u.a. diese fantastischen Zeitschriften ausgewählt:

 

SMW7Cover_SmW#7Sachen mit Woertern

Sachen mit Wœrtern ist ein Literaturmagazin aus Berlin, das junge Lyrik und Prosa in Dialog bringt mit Grafik und Illustration. Die Stimmenvielfalt der jungen Literaturszene findet hier unter einem Titelwort aus der Alltagssprache zusammen, das in sein Bedeutungsspektrum aufgefächert wird. Bei den Kritischen Literaturtagen können auch die Illustrationen von Petrus Akkordeon von Ausgabe zu Ausgabe inspiziert werden.

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CwFcaVgWgAAvIovmetamorphosen

»Die Zeitschrift schaut auf literarische Randbereiche und ist Seismograph für das, was junge Schriftsteller beschäftigt.« (F.A.Z.)

Seit April 2013 erscheinen die metamorphosen vierteljährlich in einer neuen Folge. Neben ausführlicher Kulturberichterstattung findet sich im Magazin regelmäßig neue Lyrik und Prosa. Die aktuelle Ausgabe und Beispiele vergangener Ausgaben sind zu entdecken.

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narrInnendas Narr

Narr – das narrativistische Literaturmagazin steht für neue, frische, deutschsprachige Literatur, angereichert mit Illustrationen von jungen KünstlerInnen und verpackt in innovative Grafik.

Narr ist junges Kulturschaffen in Buchform. In Salzburg kann die wunderschöne aktuelle Ausgabe der Schweizer Zeitschrift bestaunt werden.

 

// Homepage //


Konzepte_Cover 16_Treppe_4konzepte

Die Konzepte erscheinen einmal jährlich und versammeln auf bis zu 180 Seiten Texte arrivierter sowie erstklassiger junger Autorinnen und Autoren. Bislang unveröffentlichte Beiträge in Lyrik und Prosa kristallisieren sich rund um ein Lyrisches Motiv; auch Übersetzungen (u.a. Michael Hamburger, Pippa Goldschmidt) werden hier erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Daneben gibt es Platz für Essays, Hörspiele und Rezensionen. In jeder Ausgabe werden Arbeiten von bildenden Künstlern oder Fotografen (u.a. Andreas Weidner, Reinhart Mlineritsch) präsentiert.

Werke von bereits etablierten Autorinnen und Autoren stehen neben bislang unbekannten Stimmen. Damit ermöglichen die Konzepte den Zugang zu unterschiedlichen sprachlichen Ebenen und weisen den Weg für junge Schriftstellerinnen und Schriftsteller. „Jung“ bezieht sich hier weniger auf das Alter, sondern vielmehr auf das „zu festigende Standbein“ neuer Autorinnen und Autoren.

// Homepage //


 

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&radieschen

Die Wiener Literaturzeitschrift des ALSO (Anno Literatur Sonntag) „&Radieschen“ gibt es seit 2005 und soll vor allem junge, noch unbekannte Talente fördern (wobei die ehemals jungen, unbekannten Talente heute durchaus einen Namen haben und noch öfters Texte einschicken).

& Radieschen erscheint 4x im Jahr – es gibt immer 3 offene Nummern zu einem Thema und eine Poetry-Slam-Sondernummer im Juni.

// Homepage //


 

Salzburg-Spezial

 

erostepost_53erostepost

erostepost: der/die/das; Literaturgruppe, Mitbegründerin des Literaturhauses Salzburg; ins Leben gerufen 1987 von Dirk Ofner und Kurt Wölflingseder, ab 2009 geführt von Kurt Wölflingseder und Peter Baier-Kreiner, seit 2015 unter Mitarbeit von Lisa-Viktoria Niederberger; Veranstalter von Lesungen, Performances, Lesewettbewerben; gleichnamige Zeitschrift, zweimal jährlich, jeweils mit einem gattungs- und themenfreien Heft und einer Ausgabe zum Literaturpreis.

Die neue Ausgabe Nr. 53 kommt druckfrisch zum Zeitschriftenstand der Kritischen Literaturtage.

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Cover November 2016Literatur und Kritik

Literatur und Kritik (erscheint im Otto Müller Verlag) ist heuer fünfzig geworden. Die Zeitschrift wurde 1966 von Gerhard Fritsch gegründet und wird seit 25 Jahren von Karl-Markus Gauß und Arno Kleibel in Salzburg herausgegeben. "Literatur und Kritik" erscheint in Salzburg, aber richtet ihr Augenmerk außer auf die österreichische Autorinnen und Autoren auch auf die unbekannten Literaturlandschaften in Ost- und Südosteuropa. Wendelin Schmidt-Dengler würdigte "Literatur und Kritik" mit den Worten: "Literatur und Kritik, der Karl-Markus Gauß zu neuem Renomee verholfen hat, ist ein Beweis dafür, dass es in Österreich möglich ist, eine Zeitschrift europäischen Zuschnitts zu präsentieren."

Die Zeitschrift "Literatur und Kritik" erscheint fünf Mal im Jahr in einem Umfang von je 112 Seiten. In der November-Ausgabe und den weiteren Heften des Jahres 2016 kann man an unserem Tisch stöbern.

// Homepage //


SALZ

Seit 1975 zählt die Herausgabe der Zeitschrift SALZ zu den Aufgaben der Leselampe. Die Literaturzeitschrift erscheint 4x im Jahr mit Literatur von international renommierten AutorInnen und jungen Talenten in Erstveröffentlichungen. Die Ausgabe mit dem Titel „Nahaufnahmen“ präsentiert jährlich die neueste Literatur von Salzburger AutorInnen und dokumentiert das literarische Leben von Stadt und Land Salzburg mit Beiträgen verschiedener LiteraturpreisträgerInnen und StipendiatInnen. Seit langem besteht die Zusammenarbeit mit den Rauriser Literaturtagen, ein SALZ erscheint mit Texten aller nach Rauris eingeladenen AutorInnen. Weitere Ausgaben sind verschiedenen literarischen Feldern gewidmet: Literaturlandschaften, Salzburger AutorInnen im Porträt und Themen, Fragestellungen, Motiven . Ein Salzburger Künstler, eine Künstlerin gestaltet das Cover und vier Seiten des Innenteils.

// Homepage //


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Könnte man kennen. Ja, wir erlauben uns, auch das mosaik einzuschmuggeln. Alle Infos zu uns gibt es hier. Wir präsentieren:

// Homepage // facebook-Page //


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Nacht der Salzburger Verlage

mosaik20 aka Zweifel zwischen Zwieback präsentieren wir im Rahmen der Nacht der Salzburger Verlage am 2.12. um 19:00 in der ARGEkultur.

Es lesen Veronika Aschenbrenner, Lisa Viktoria Niederberger und Andreas Reichelsdorfer.

 


ZZZ 2/12 | Andreas Reichelsdorfer

Geb. 1986 in Fürth. Autor, (Pop-)Musiker, lebt in Wien. Veröffentlichungen von Prosa und Lyrik in Zeitschriften und Anthologien. 2016 erhielt er den Superpreis der Zeitschriften metamorphosen und Das Prinzip der sparsamsten Erklärung. Im Winter kommt die Story „Sam Spade: Privatdetektiv/Auto“ bei SuKuLTuR (Berlin).

Andreas ist Teil von Zweifel zwischen Zwieback, der Kurzprosa-Anthologie zur 20. Ausgabe des mosaik. Sein Text "Gesetze der Logik" ist einer von 12, die anonym ausgewählt wurden, sich in diesem Band zusammenfinden und am 2. Dezember 2016 erschienen sind.

Gesetze der Logik

„Und wäre es möglich, derart abrupt einzusteigen, und/oder lautlos, und vielleicht sogar wieder zu verschwinden – kämen wir dann nicht hinterrücks in einer anderen Realität wieder zum Vorschein, eingeschleust durch einen Hintereingang beispielsweise, oder seitwärts, oder spiegelverkehrt? Dächte man einen Fall durch, nämlich den des Protagonisten X, zweiunddreißig Jahre alt, Schlosser, schlau und ehrlich (aus manchen moralischen Perspektiven heraus betrachtet), in welchem er sich unbemerkt aus Realität (R) 1  (vermutlich: „hier“) hinaus seinen Weg bahnte und gleich im nächsten Moment (der nächsten Sekunde, der nächsten Millisekunde, dem nächsten Augenzwinkern etc.) am Ende beziehungsweise am Anfang von, sagen wir, R3 wieder auftauchte und uns ein Lächeln oder, wie in diesem Fall, ein Grinsen entgegenwürfe (luzid) – bekämen wir es in einer solchen Situation dann mit der Angst zu tun?“

[...]

Auszug aus Zweifel zwischen Zwieback - ab 2. Dezember erhältlich

Buchpräsentation am 2.Dezember in der ARGEkultur

mosaik20 - Zweifel zwischen Zwieback

Zweifel zwischen Zwieback

Intro

Das soll ein Thema sein? Was soll man denn da schreiben? Wem ist denn das eingefallen?

Nein, leicht haben wir es unseren Autor*innen nicht gemacht. Und wir haben selber auch gezweifelt, ob zur zwanzigsten Ausgabe des mosaik der Zwieback ein geeignetes Thema ist, haben uns zwischen Zwetschgen und Zwiebeln (und ganz klar gegen „Zwanz-ich“ oder „2.0“) entscheiden müssen. Aber eine Buchausschreibung braucht ein Thema – und so bewegen wir uns mit ZZZ nach „X“ zur zehnten Ausgabe 2014 nicht nur im Alphabet voran.

Viel ist passiert seit der letzten vergleichbaren Ausschreibung. Auch diesmal wurden die Texte für diese Zusammenstellung aus den zahlreichen Einsendungen, die um dieses Thema kreisen, anonym ausgewählt. Ein Dank an dieser Stelle an die Jury: an Sigrid Klonner, Marlen Mairhofer und Christian Lorenz Müller.

Dass uns der Junge von der Zwiebackpackung in Texten begegnen würde, konnten wir ahnen, in welche Körperöffnungen er bröseln kann oder welche Rolle er in der Weltgeschichte gehabt hat, nicht. Uns freuen die zahlreichen zweifelnden Texte, die Beziehungen, die Erinnerung oder die Logik an sich in Frage stellen. Zwischendurch mussten wir uns fragen, ob sich der eine oder andere Text zu weit vom Thema entfernt – die Kreativität der Autor*innen hat uns dann aber nicht mehr zweifeln lassen.

Ein großer Dank gilt Manuel Riemelmoser als leitenden Lektor dieses Bandes sowie Felicitas Biller, Marko Dinic und Antonia Leitgeb, die ihn (und uns) dabei unterstützt haben. Ein Dankeschön auch an Gabor Schuster vom Verlag Neues Leben, der uns und der edition mosaik das Vertrauen entgegenbringt – und nicht zuletzt auch an die Literaturabteilungen von Stadt und Land Salzburg sowie dem Bundeskanzleramt Österreich und der ÖH Salzburg, die unsere Arbeit in den letzten Jahren ermöglicht haben.

Zwanzig Ausgaben des mosaik liegen mit dieser hinter uns – wir hoffen, dass noch viele folgen mögen. Darum bedanken wir uns bei jeder und jedem von euch, die ihr gerade dieses Vorwort lest und damit ein Teil des mosaik seid. Ohne dich wäre das alles hier nicht möglich. Vielen Dank.

Zwölf Texte von zwölf Autor*innen wurden von der Jury ausgewählt:


mosaik19 - BABEL

Sommer 2016

48 Seiten, Klebebindung

mit:
  • Alina Özyurt
  • Matthias Engels
  • Miku Sophie Kühmel
  • Camena Fitz
  • Andreas Hutt
  • Steffen Roye
  • Safak Saricicek
  • Giuliano Spagnolo
  • Axel Görlach
  • Marina Büttner
  • Claudia Kohlus
  • Pascal Andernacht
  • Philipp Böhm
  • Peter.W.
  • Alke Stachler
  • Andreas Reichelsdorfer
  • Esther Nowy
  • Mercedes Spannagel
  • Gerd Sulzenbacher
  • Matthias Vieider
  • The Android Collective
  • Interlab
Übersetzungen von Texten von:
  • Ghayat Almadhoun
  • Dan Ciupureanu
  • Emanuele Pon
  • Marko Dinic
  • Tobias Roth
  • Federico Ghillino
  • Alessandro Mantovani
Mit Auszügen aus:
  • studentINNENfutter 3
  • KulturKeule XX - Die Reise nach Sils Maria
Buchbesprechungen:
  • Alexandru Bulucz: Aussein auf uns

Leseprobe


mosaik19 ist am 1. Juni erschienen

jetzt bestellen


eBook ab sofort erhältlich

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freiTEXT | Andreas Reichelsdorfer

Soundtrack of urban happiness makes my mind split open

Das Lied A Horse With No Name der Gruppe America ertönt aus den Lautsprechern [1]. In einer Rezension auf einer informativen Musikseite bezeichnet ein Autor die Band als Neil Young - halt: Neil Young ähnlich. Get your facts straight, buddy. Und leite einen Text über die dunklen Straßen der Stadt (oder das Glück und das Unglück) nicht mit einem Song ein, der außerordentlich bekannt ist, der ein One-Hit-Wonder ist, den jeder kennt und von dem jeder denkt, dass er von Neil Young ist. Denkt denn keiner, dass er von Neil Young ist? Behauptung (kühn wie belanglos): Etwa fünf Prozent der Menschheit ist der Name Neil Young ein Begriff. Den Song A Horse With No Name andererseits werden vermutlich weit mehr Personen erkennen, als Personen, die Neil Young kennen. Und so wird alles ausgehebelt, mein Freund. Don’t fear the reaper. Ein One-Hit-Wonder sondergleichen und noch dazu ein schmachtendes Gitarrensolo [2], das im Radio abgeschnitten wird, sofern es noch ein Radio gibt. Die Fernseher wurden nämlich schon abgestellt. In einer Zeitung (Print) standen Statistiken über Romeo und Julia, doch welche Personen wurden denn überhaupt ausgewählt für diese Umfrage? Cirka tausend. Schön. Das sagt sich leicht, wenn man bedenkt, dass ein Querschnitt mitunter treffende Aussagen vermeidet, und Metallsolos das Konservativste sind, was die Rockmusik jemals hervorgebracht hat. Sie ruinieren die Lieder. Doch danach geht alles wieder seinen gewohnten Gang: Vers, Chorus, Kaffee in der Pause, Zigarette, am Ende auch noch arbeiten und Geld erwirtschaften, zum Teil für sich selbst. Dann wird gehortet, allerdings wird oft mehr gehortet, als angegeben wird, und unter den Matratzen der Verstorbenen werden immer wieder Bündel gefunden, die meist von Maklern eingesteckt werden, in seltenen und klar zu befürwortenden Fällen aber an die Erben weitergereicht werden, die sich damit vielleicht nicht gerade ein Haus am See, doch aber Essen, Trinken, Liebe und Sex leisten können. Das muss gut sein. Wenn du von Bob Dylan stiehlst, dann stiehl richtig: Der Mann in dir stiehlt [3]. Aber masturbiert er? Eingeschlossen in vier Wänden, manchmal beobachtet von draußen, von draußen betrachtet so gesagt sehr witzig, im Kopf im Großen und Ganzen: Pressen, Schnaufen und nach draußen Drücken, dann: Leere im Papier. Reinigung kann so nicht aussehen, aber das Piano und vor allem die Stimme (die Stimme!) können Balsam auf deine Flügel geben, wenn du es zulässt, wenn du es zulässt, und dann flieg Vogel, flieg!, in die Nacht hinein. Der Tag hat schon zu viel kaputt gemacht. Sagen wir es so: Wir müssen auch einmal versuchen, zu leben, und dabei kann man nicht umher, die Realität ein wenig seinen eigenen Vorstellungen anzupassen - um nach draußen zu gelangen, auch: auszubrechen (schwülstig, schon, doch ebenso weich wie hart wie zart - hart aber herzlich). Wenn du schon zitieren musst, lieber Kollege, sagte der Dozent, dann zitier richtig. Mir aber blieb dieser Song verschlossen und ich konnte keinen Zugang finden, obwohl ich ihn doch kannte, weil er auf einem Soundtrack zu finden war [4]. Dabei wurde auch hier einiges an Gefühlen hineingelegt. Das war herzzerreißend, im zweiten wahrsten Sinne des Wortes. Und doch fand es bei einem Großteil (ca. 98%) keinerlei Beachtung. Kam nicht an, kam nicht durch, verpflanzte sich in andere Gegenden und erreichte immerhin Elvis Costello, der die Brille abnahm, kühl sang wie er es doch tut, und am Ende Tanzen. Was bleibt am Ende anderes übrig als Tanzen? Nun, vermutlich gäbe es da noch ein paar Dinge, sagte der Dozent, und stampfte seinen Laptop ein (zu den andern Dingen), um im Hinterzimmer, in dem zwei Nackte sehnsüchtig warteten, zu verschwinden. Dort kamen wir. Dort kamen wir an, und wir bespürten unsere Häute, und es war ein wundervolles Gefühl. Dabei lernten wir noch viel zu wenig. Was wir behielten, brachte uns nur ein Stückweit weiter, nicht mehr. Die Stimme, die Opernstimme, Alt, klingt so gefühlvoll, doch sie kann uns nicht erreichen, nicht heute. Wir betrachteten den Zustand, der uns alle umgibt: Nicht leicht zu urteilen, mein Freund! Schwerer als erwartet, nicht? Ich sag dir was: Ich bau dir ein Schiff – das dauert, grob überschlagen, zwei Monate, sage ich einmal -, setz dich ein und schick dich los, auf die Weltmeere. Ja, ich weiß, was du sagen wirst: Europa ist zu. Europa ist geschlossen und du kannst nicht an die Meere gelangen. Und dann kommt aus dem Nichts ein Italiener und er sagt: Spanien liegt am Meer; Belgien liegt am Meer; Montenegro liegt am Meer. Usf. Damit wurde die Theorie, an der du Monate lang gefeilt hast, ausgehebelt. Und so heißt es also: von Neuem beginnen. Schwer zu schätzen, dein Alter, schon klar, aber: Sämtliche Uhren in deiner Wohnung gehen anders, keine stimmt mit der andern überein (geschweige denn Atom!), und dann stöhnen sie es aus den Boxen [5]. Sie stöhnen nur und das klingt sehr lüstern. Wir müssten die Liebe finden! – So, stopp jetzt mal: Schmeiß nicht mehrere Themen zusammen, wo stöhnen sie? Im Schiff. Was soll das heißen, im Schiff? Sie segeln, sie stöhnen. Das muss dir doch klar sein! Sie segeln, berühren sich, und versuchen, ein Stück weiterzukommen. Gut, damit kann ich leben. Das klingt sehr vielversprechend. Das klingt wie das Glück, das mir verblieb [6]. Es baut sich sanft auf und bleibt lange Zeit im Verborgenen, aber wenn ich nur einen Ton höre, an einem für Außenstehende ganz willkürlichen Moment, bricht es aus mir heraus. Ich weine dann sogar. Ich kann weinen. Ich habe, wenn ich zurückblicke, viele Jahre nicht geweint, auch, wie ich mir einredete, weil niemand gestorben war. Aber ich habe nicht einmal auf der Beerdigung meiner besten Freundin geweint. Du warst also verschlossen. Ja. Aber seit geraumer Zeit weine ich mindestens einmal am Tag. Aus Verzweiflung. Und aus Glück. Das klingt ja sehr schön, aber lass uns erst einmal in das Hotel einchecken, die Rezeption schließt schon um neun Uhr. Neun Uhr Nachtzeit, aber wir haben doch noch nicht einmal halb sieben. Allerdings traue ich dieser Uhr nicht! Die da um mein Handgelenk hängt. Armbänder werden überall gefunden, an allen Enden der Welt. Lass uns uns nicht verschließen, sondern lass uns offen da liegen, auch wenn du dir wehtust. Warum nicht Techno? Warum nicht einmal Techno, Elektro? Warum nicht einmal die Seele wegsperren, und seelenlos so tun, als hätte man eine Seele? Lüge, Manni, kleine Lüge. Abgesehen davon: zu sehr fünfziger Jahre. Darf ich bitte Ihren Ausweis sehen? Das kostet Sie zweivierzig, Arbeitergebühr. Gerne zahle ich diese zwei vierzig, sie springen nur so aus meiner Tasche auf den Tresen, drehen sich eine Weile um sich selbst, kommen an und verschwinden klingelnd. Mein Fleisch fühlt sich wie dein Fleisch an, wenn du mich so berührst, wenn du mich so berührst, wenn unsere Körper sich so spüren wie in dieser Hitze, dann kann ich unsere zwei Seelen nicht mehr unterscheiden, weil sie verschmolzen sind, weil sie sich in einem Körper befinden. Sex und Liebe, Manni, Sex und Liebe. Aber du kostest zu viel! Du bist zu schön! Deine grauen Augen haben es mir angetan, das kann ich nicht verheimlichen, und nachts denke ich an deine Brustwarzen. Ich schwitze nachts und der Bohrer hat mich bis dreizehn Uhr heute Mittag durchgetragen. Ich kann dir sagen, so viel geträumt habe ich noch niemals zuvor in meinem Leben! Wir sollten den Soundtrack ändern und in eine andere Welt übertragen. Sagen wir: Welt X. Die „neue Welt“, die „Welt im Standard“, die „Gedankenwelt“, oder auch: „Offene Welt, aber auf klein, und nur oberflächlich“. Sie scheinen sich zu oft zu heucheln, das kann und muss klar gesagt werden. Ihre Heuchelei zerstört dann das Individuum, aber die Allgemeinheit kann weiterleben. Weil die Festplatte viel zu voll ist. Kein Speicherplatz mehr, keine Chance. Kauf dir eine neue. Die formidabelste aller Lügen: Martin sagte, Schreiben macht frei. Dabei macht er sein Geld bei einem kostenlosen Tagesblatt und berichtet größtenteils über Kurzparkzonen und Abschiebungen. Jeder wird glücklich sein. In den Vereinigten Staaten von Amerika gab es eine Zeit, in der jeder glücklich war, sagen wir es so: Suburban happiness makes my mind split open [7]. Der Tod ist schlimm, aber ich kannte ihn nicht. Ich focht zu sehr mit ihm, sodass ich ihn alsbald vergaß. In meinen Träumen kam er manchmal mit mir, aber wir haben gelernt, dass Träume Realität sein müssen, es jedoch nicht schaffen, weil sie in den eigenen vier Wänden stattfinden und nebenan immer die Wohnung umgebaut wird, sogar um zwei Uhr nachts. Gedämpfte Gestalten tragen dann Betten durch den Hausflur, und der Aufzug fährt raufundrunter, raufundrunter. Vibration. Ich habe aber Unrecht. Ich erfahre es nicht, ich habe es nur in einer Zeitung gelesen, die von einem gewissen William verlegt wird, der sich mittlerweile auf den Balearen zur Ruhe gesetzt hat und nicht einmal einen Netzanschluss geschweige denn -telefon besitzt. Er ist bereits ausgetreten. Somit bleiben nur zwei Möglichkeiten: raus, oder: runter. Das Lied bevorzugt raus. Ich bevorzuge die klare Seite. Welche Seite, wenn ich fragen darf, bevorzugen Sie auf Ihrer Seite?

[1] [“A Horse With No Name”, America (1972)] https://www.youtube.com/watch?v=Tm4BrZjY_Sg
[2] [“Don’t Fear The Reaper”, Blue Öyster Cult (1976)] - [Solo ab ca. Min. 2:29] https://www.youtube.com/watch?v=ClQcUyhoxTg
[3] [“The Man in Me”, Bob Dylan (1970] https://www.youtube.com/watch?v=s10ldVRHRSw
[4] [“Her Eyes Are a Blue Million Miles”, Captain Beefheart (1972)] https://www.youtube.com/watch?v=MRlWbzdmJQA
[5] [“Walking Song”, Meredith Monk (1997)] https://www.youtube.com/watch?v=P8r4eHM8Zlk
[6] [„Glück Das Mir Verblieb“ (aus der Oper Die Tote Stadt), Komposition: Erich Wolfgang Korngold, Interpretation: Ilona Steingruber/Anton Dermota & The Austrian State Radio Orchestra (1949)] https://www.youtube.com/watch?v=kql0A190SUk
[7] [“I Heard Her Call My Name”, The Velvet Underground (1967)] https://www.youtube.com/watch?v=EeuvZOEOaGw

Andreas Reichelsdorfer

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studentINNENfutter 3

Studentische Literatur ist…
jung? modern? avantgardistisch? unangepasst?
sie kommt von innen? stülpt das innenfutter nach außen?
ist nahrhaft und preiswert zugleich?

Ein Abend mit

Musik von Waste of Ink

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Di, 7. Juni 2016 | 19:30 | Literaturhaus Salzburg

sei dabei!

Präsentiert von mosaik – Zeitschrift für Literatur und Kultur, auf Einladung der SAG, mit Unterstützung der ÖH Salzburg.

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nehmen wir an, es ist wahr: stein schleift schere, schere schneidet papier, papier seele, eine seele ist eine seele ist eine see. wir nehmen an, dass sie existiert. verhält sie sich zum see wie das augenlicht zur lunge, mögliche szenarien eines ablebens mit see. gibt es nichts, das sich zu berühren lohnte, zu schwimmen. tauchen, ganz, hauptsache. see schneidet körper, bewegung reinen lichts, wie kann man mensch das aushalten.

Alke Stachler

Alke stellt beim studentINNENfutter ihr Buch dünner Ort vor, das in der edition mosaik erschienen ist.

 


 

was übrig bleibt

das wasser rinnt mir aus mund nase und ohren er hört nicht auf zu sprechen das wasser schmeckt nach froschleichen er ist ein kaulquappensammler ich liege auf dem rücken in seinem grasgarten und meinen kopf halte ich ins wasser seines trüben teiches wenn er die eine kaulquappe nicht fängt dann eine andere ich sage ICH FINDE GUT WAS DU MACHST DU RETTEST SIE DU HAST EIN GROßES HERZ er lacht wie das ententier mit fraß im mund zwischen seinen zähnen erhängt sich plankton seine blonden haare sind wie sonnenstrahlen NUR WENN SIE SCHÖN SIND sagt er SEHE ICH SIE ÜBERHAUPT AN er steckt sie in alte gurkengläser und stellt sie in sein kleines zimmer zu viel wasser im kopf ist nicht gut es löst das gehirn auf und übrig bleibt matsch mit algenwurzeln

meiner besten freundin sage ich dass ich mich verliebt habe mehr oder weniger ein bisschen verguckt ein bisschen verschaut ein bisschen ertrunken sie fragt WER IST ER? wir sind in seinem kleinen zimmer er und ich wir fahren mit unseren fingern über kalte gläser er hat durchscheinende aufgequollene hände ich möchte dass er mich ansieht aber ich habe kein etikett und gehöre in kein glas er erzählt mir von kaulquappen wie sie sich bewegen wie sie schlängeln wie sie sich aufbäumen es fällt mehr dreck auf den boden ich will nichts aufheben ich glaube an ihn ich finde ihn gut ich sage es ihm ich höre auf zu atmen ich schlucke mehr wasser mehr wasser für ihn ichichich

[...]

Mercedes Spannagel

den vollständigen Text kannst du in mosaik19 nachlesen oder beim studentINNENfutter 3 hören...

 


 

Letztes Fragment aus den Gedankenexperimenten

Bereich Gedankenhilfe

Jemand hebt ab.

Schlepps, Gedankenhilfe“ - ich bemerke gleich, dass die Frau am anderen Ende der Leitung alles andere als erfreut über meinen Anruf ist - „was kann ich denn für Sie tun?“

Ich imaginiere mir eine nichtrauchende Frau mittleren Alters, die mit müden Augen auf den Monitor blickt. Auf ihrem Schreibtisch befinden sich außerdem: Tastatur, Maus, Drucker/Scanner, ein Glas Wasser, eine leere Kaffeetasse, Druckerpapier, Ladegerät.

Vor ein paar Tagen habe ich mir vorgenommen, zumindest eine Zeitlang den freundlichen Menschen zu spielen; also sage ich: „Grüß Gott, Fr. Schlepps. Ich würde gerne einige Informationen über noch einzureichende Formulare einholen. Bei der Bearbeitung der Dokumente zum Antrag auf Ausgleich meiner Gedankensteuer ist es scheinbar zu einigen Ungereimtheiten gekommen. Es sollen ein paar Missverständnisse aufgeklärt werden.“

Am anderen Ende der Leitung höre ich Schlepps tief, tief durchatmen. Daraufhin versuche ich, mir einen qualmenden Aschenbecher auf ihren Schreibtisch zu imaginieren. Es funktioniert nicht. So muss ich mir selbst eine Zigarette anzünden, finde aber die Schachtel nicht. Ich ändere kurzerhand meine Taktik: „Schlepps“, sage ich, „hören Sie zu. Ich möchte mich mit Ihnen auf einen Kaffee an der Ecke Schottenfeldgasse/Westbahnstraße treffen. Am besten sofort. Hätten Sie Zeit?“

Aus verlässlichen Quellen weiß ich, dass Schlepps neben ihrer Tätigkeit im Magistrat in einem einschlägigen, landesbekannten Pharmavertrieb als Telefonistin im Bereich Verkauf arbeitet. Ich selbst helfe dort gelegentlich aus. Im Pausenraum hatte eine Weile das Wort die Runde gemacht, ihr sei von den dortigen Obrigen nach wiederholten „Zwischenfällen“ aufgetragen worden, den Klang ihrer Stimme doch „ein wenig freundlicher“ zu gestalten, was sie bis dato sogar „durchaus passabel“ befolgt haben soll. Allerdings gibt es im Magistrat im Bereich Gedankenhilfe keine solche Anordnung. Was im Grunde nur allzu verständlich ist - die Gedankenexperimente begründen sich auf gänzlich anderen Fundamenten als jenen der Höflichkeit. Es werden hier größere Netze gesponnen. Die Bürger, die sich an den Experimenten beteiligen, genießen im Alltagsleben ausreichend Bevorzugungen, um über einen gewissen Grad des ihnen beigebrachten Ratlosseins und Verzweifelns hinwegzusehen.

Schlepps scheint mitnichten auf mein Angebot einzugehen und schweigt. Ich lasse ein paar Sekunden verstreichen, ehe ich ihren Namen ein weiteres Mal ausspreche: „Schlepps …“, dann breche ich ab.

Ich imaginiere mir den Traum von letzter Nacht: Klim, ein Alter Ego meiner Schattenwelt, betritt in einem Park am Stadtrand eine Untergrundtoilette und erschlägt in Trance mit einem Baseballschläger zwei feiernde Nationalisten. Zunächst scheint er ungeschoren davonzukommen, doch wenig später wird er, verursacht durch ewiges Warten, in den Gängen des Magistrats dem Neuen Gericht übergeben. Eine weitere Folge der Gedankenexperimente. Einzig ohne Bestandteil der ganzen Maschinerie zu sein, hätte Klim die Möglichkeit aufrechterhalten können, einer Verhaftung zu entgehen.

Er sitzt im Wartezimmer und ist dabei, Formular Nr. 112 auszufüllen. Schon bei der zweiten Frage kommt Unklarheit auf:

„Herr Vorsteher? Ich bin mir nicht sicher, was ich auf diese Frage antworten soll: Streichen Sie alle von Ihnen noch nie ausgeübten Berufe. Das ist eine lange, lange Liste. Das muss Ihnen klar sein. Außerdem bin ich Schwarzarbeiter. Im Grunde erscheint es mir vollkommen unmöglich, diese Frage wahrheitsgemäß zu beantworten.“

Der Vorsteher, der hinter der Theke mit einem Bezirksrat telefoniert, wirft ihm einen Blick zu, in den er sämtlichen Abscheu legt, der ihm zu Verfügung steht. Daraufhin schüttelt er müde den Kopf. Er kritzelt etwas auf einen Notizblock, reißt die Seite heraus, faltet daraus einen Papierflieger und lässt ihn in Klims Richtung segeln. Der Zettel landet in Klims Schoß. Er öffnet ihn.

Dort steht in gerader, dünner Schrift: „Wenn Sie innerhalb von 10 Minuten nicht verschwinden, werden Sie nicht mehr verschwinden können.“

Klim blickt zum Vorsteher und schenkt ihm ein Lächeln. Das Lächeln stößt auf Abweisung. Der Vorsteher ist wieder in sein Telefonat vertieft. Klim zerknüllt den Zettel und steckt ihn in seine Jackentasche. Er bricht das Ausfüllen des Formulars ab und wartet. Kurz darauf wird er abgeholt.

Schlepps!“, hieß es am Telefon. Ich war eingenickt. Wieder. Der Warteraum war gefüllt mit Menschen, und mein Blick fiel auf einen Bewerber, der in einen Raum gezerrt wurde.

Andreas Reichelsdorfer

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