freiVERS Spezial | Lyrik zur Arbeit

Bundt ist der neuneue Pfau

Brothers and sisters, Jesus says
Leave your cars and offices
(The Servant – Jesus Says)

Color full collar
Fool colourful
Is the New
Do
Rien Graey

Lettuce-tarte
Building A
United Colors of
Peacock
ProcrastiNation

Even
More Beautiful
Cos We All
Know
Or Never

Gonna reach the Treasure
At the end of rainbows
And of your
Rope
I Want to

Shimmy-shimmy
Shimmy through
The break of
Dawn,
Yeah!

Shimmy-shimmy
Through Dawn
Break!
Y'all!
Yalla! #YALA

Nathan Sirch

freiTEXT_Illus16

-

Auf den Dächern

sitzen Spatzen,
lösen sich Ziegel aus Erinnerung.
Ich sehe Mutter am Bügelbrett,
wie sie den Tag glättet.
Draußen bist du Schneekönigin
mitten im Frühling,
hängt sie Wäsche
und alte Regeln an die Leine,
die mit den Worten der Nachbarn flattern.
Zwischen Unkraut lauern Nacktschnecken
und andere Feinde,
baust du Schlösser
und braust Mittel
für tote Fliegen.

Erst am Abend
stürzt dich Mutters Stimme
von den Zinnen
deiner Welt.

Sigune Schnabel

freiTEXT_Illus-1

-

Agnes

Sie fängt den Blick mit leeren Augen
ihr Körper bedeckt von milchiger Haut.
An Wunder darf sie nicht mehr glauben,
jeder Handstreich ist ihr schlicht vertraut.

Vom Alltag ist sie schon ganz mürbe
- ihr Glanz wie der, der Gläser stumpf
trotz alldem bewahrt sie ihre Würde
und umhängt mit Schürze ihren Rumpf.

Eiskalt erfühlt sie das Hochglanzbesteck,
lächerlich klappern unbarmherzig Tassen,
die Tischdecke entstellt vom Rotweinfleck,
das Essen wird sie sogleich bringen lassen.

Sie umfasst die Speiseteller ohne Liebe,
macht sich zu ihrem Kreuzweg wieder auf,
Glotzblicke verletzen wie Peitschenhiebe,
sie trotzt, wie täglich - und nimmt in Kauf.

Die tüchtigen Beine tragen sie zielgenau
nacheinander serviert sie all die Wünsche
lächelt gequält zu Kind, Mann und Frau
ihr Erfolg schier gewogen in barer Münze.

Sie bittet ihre Laufkundschaft zur Kasse
und wird zugleich auch selbst gebeten
ihren Tribut zollt sie nicht per Geldmasse,
denn sie gab bereits ihr verwirktes Leben.

Claudia Wallner

 freiTEXT_Illus18

-

Die Baustelle

Schon lange nun beschäftigt mich
Der Bau des Hauses mein
Die Mauern stehen, weiß der Strich
Sein Anblick ist gar fein

Und doch der Bau, er zieht sich hin
Schon fertig ist er nicht
Ideen kommen in den Sinn
Irrsinnig scheint Verzicht

So bau ich noch ein Stockwerk drauf
Drum hoch es ragen kann
Im Garten schnell ein Wasserlauf
Das Aug‘ dankt mir es dann

Ein Loch ich schlage in die Wand
Das Licht soll fluten hell
Das Fenster wie ein Festgewand
Ist individuell

Ein Schornstein hier, ein Pflänzchen dort
Es ist so groß und stark
Doch optimierbar ist der Ort
Ums Wasser noch ein Park.

Bloß einzigartig soll es sein
Voll Pracht, voll Glanz, das Hause mein
Verdrängt, erstickt der leise Hohn
Dass längst schon könnte drin ich wohn‘

Katie Grosser

freiTEXT_Illus13

 

ambiguitätstoleranz hast du
das genannt
beim schwimmen zwischen schreibtisch
sommer zweifelschieben
in abgeschriebenen zeitsymptomen
die gedanken ruhen lassen
in revolutionsplagiaten
welten retten
und bezugnehmend auf ihre ausschreibung
stromlinienförmig tättowiert
brummt horizont grün
hinter den ohren einer exzellenz
generation
mit den händen in den hosentaschen.

Annika Domainko

freiTEXT_Illus8

-

Wir haben ein Herz

Wir haben ein Herz. Wir haben ein großes Maul mit viel dahinter. Wir haben eine Meinung, wir müssen nicht immer urteilen. Wir sind links. Wir treiben es bunt, wir treiben es oft, wir treiben es gern. Wir brauchen Geld zum Leben, mehr davon nicht. Bei uns sind auch die Männer Emanzen. Wir brauchen keine Kirche, wir können selber denken. Wir sind viele. Wir studierten die Einsamkeit. Wir sind die Stillen. Wir können auch laut werden. Manchmal denken wir erst hinterher nach und vielleicht schämen wir uns dann. Niemand weint so schön wie du. Wir waren lange genug jung und hübsch. Wir sind schwach, wir sind mutig, wir sind stark, wir sind zart. Wir straucheln und jammern, wir kämpfen, wir gewinnen, wir scheitern: Wir sind unterwegs. Wir lieben, wir leben. Wir sind Helden. Wir machen weiter.

Sabine Roidl

freiVERS ist unser Wort zum Sonntag.
Du hast auch einen freiVERS für uns?
schreib@mosaikzeitschrift.at

<< mehr Prosa | mehr Lyrik >>

freiTEXT | Sabine Roidl

Krokodile in Florida

Als ich ein kleines Mädchen war hatte ich Angst vor der Atombombe und dass Papa seine Arbeit verliert.

Die Eltern sind zu Besuch. Sie haben Kuchen und Brennholz mitgebracht. Papa schichtet das Holz draußen auf, zwischendurch zieht er ein Taschentuch aus der Hosentasche, Mama legt ihm nach dem Bügeln immer eines hinein, so gefaltet, dass die gestickten Initialen obenauf liegen. Papa wischt den Schweiß von der Stirn, stopft das Tuch wieder in die Hosentasche.

Mama sagt, bis die Kinder da sind, können wir schon mal Kaffee kochen und ob es in diesem Haus nicht einmal ein Tischtuch gibt. Dann steht der Kuchen auf dem Tisch und Papa kommt wieder herein: Sag deinem Mann, er soll das Holz hacken. Hock dich, sagt Mama. Wir setzen uns, sie erzählen vom Urlaub in Florida.

War er morgens von der Schicht gekommen, wartete ich, bis die Bier-
flaschen in der Küche klimperten. Ein Zischen, Gluckern ... aaah; dann lief ich zu ihm. Zu kalt, nur im Nachthemd, brummte er, machte den Backofen an und den Deckel auf. Er zog den Küchenstuhl davor und hob mich hoch. Meine Füße in seiner riesigen Hand, die klammen Zehen bohrten in seine Handfläche. Bis Mutter hereintrabte: Was hier schon wieder los ist, ob wir Maulaffen feilhalten und was solln  das mit dem Backofen. Kostet Strom nix mehr oder was?

Mama sagt, dass in Miami Wasser und Luft immer die gleiche Temperatur haben. Ist es an einem Tag 24 Grad warm, so gilt das auch für das Meer. Papa meint, das könne wohl nicht ganz stimmen, wenn es nämlich im Hochsommer mal über 40 Grad habe, und das wäre nicht selten, würde das Meer wohl kaum so heiß werden.

Vom Meer weg führen Kanäle, erzählt er, richtige Schiffstraßen, wie in Venedig, bloß viel breiter, die parken ihre Yachten direkt vor ihren Häusern. Was heißt Häuser, Schlösser sind das. Und Unsereins steht davor und kommt sich blöd vor, weil man immer geglaubt hat, man hätte im Leben auch was geschaffen, aber doch nicht so etwas und nicht in einem Land, wo das Wasser so warm ist wie die Luft. Wer hätte gedacht, dass es so etwas überhaupt gibt.

Zum Putzen reicht mir unser Schloss auch, sagt Mama, und außerdem sieht man da drüben überall nur Schwarze arbeiten. Im Hotel, an der Tankstelle, da wird schnell klar, wer bei denen die Arbeit macht ... Genau, fällt Papa ihr ins Wort, nicht so wie bei uns, wo die Kanacken den ganzen Tag nur herumlungern. Bist du still jetzt, Mama boxt ihn auf den Oberarm, die Röte schießt ihr ins Gesicht. Er meint das nicht so, Kind. Es ist nur ... der Flug war so lang ... und dieses Englische ... wir mussten so auf der Hut sein, dass wir bei der Reiseleiterin bleiben. Wir hätten ja alleine nicht einmal nach dem Weg fragen können. Genau, sagt Papa, und die Sitze im Flugzeug waren so eng, mir tut jetzt noch alles weh. Papa hebt die Kaffeetasse an, er greift sie mit der ganzen Hand, sein Finger passt nicht durch den Henkel.

Unter der Haut schimmert es schwarz: das sind winzige Teilchen der Schlacke, die er in den Hochofen schaufelte. Sie war heiß, hat sich wie eine Tätowierung in die Haut gebrannt. Das lässt sich nicht mehr auswaschen; nicht aus den Händen, nicht aus dem Mund. Alle halbe Stunde fauchte und zischte es am Hochofen und der Schlot stieß eine Flamme aus: eine Charge blasen nannte Papa das und er sagte immer zu mir, solange es das noch auf der Maxhütte gäbe, müsste ich mir um nichts Sorgen machen. Wenn er auf Schicht ging und ich schon im Bett lag, lauschte ich den ruhigen Atemzügen meiner Brüder und wartete mit dem Einschlafen bis die nächste Charge den Himmel vor dem Fenster gelbviolett erhellte.

Es war so schön in Florida, mein Kind, die Strände wie Puderzucker. Und das Licht! Wie aus Diamanten glitzert das Meer in der Sonne, jeden Tag wieder. Papa nickt und trommelt den Rhythmus eines Liedes mit den Fingern auf den Tisch. Ja, schön wars. Aber doch so weit weg von zu Hause ... genug erlebt, würde ich sagen und nächstes Jahr läuft mein Reisepass eh ab ... ach, übrigens, Krokodile haben wir auch gesehen, die sind da recht häufig ... Alligatoren, verbessert Mama. Ach so? Dann eben Alligatoren. Ganz schön große Viecher. Aber Angst hatten wir nicht.

Nein, keine Angst, sagt Mama und legt ihre neben Papas Hand.

Sabine Roidl

freiTEXT ist wöchentliche Kurzprosa. Freitags gibts freiTEXT.
Du hast auch einen freiTEXT für uns? schreib@mosaikzeitschrift.at

<< mehr Prosa | mehr Lyrik >>

freiTEXT 2014-15 als eBook

freiTEXT14-15

Ein Jahr freiTEXT ist vergangen - es wird Zeit für die große Nachlese. Die Anthologie mit allen Texten aus 52 Wochen freiTEXT ist ab sofort als kostenloser eBook-Download erhältlich.

mit Texten von Thomas Mulitzer, Tobias Roth, Andrea Weiss, Sabine F., Magdalena Ecker, Claudia Kraml, Eva Löchli, Andreas Haider, Madlin Kupko, Dijana Dreznjak, Ingeborg Kraschl, Fabian Bönte, Simone Scharbert, Renate Katzer, Jacqueline Krenka, Karin Seidner, Nico Feiden, Sabine Roidl, Sven Heuchert, Veronika Aschenbrenner, Sarah Krennbauer, Philipp Feman, Matthias Engels, Clemens Schittko, Eva Wimmer, Gerhard Steinlechner, Matthias Dietrich, Christine Gnahn, Eva Weissensteiner, Marie Gamillscheg, Satie Gaia, Lina Mairinger, Jonis Hartmann, Philipp Böhm, Lütfiye Güzel, Kerstin Fischer, André Patten, Katrin Theiner, Daniel Ableev, Marina Büttner und Martin Piekar.


freiTEXT | Sabine Roidl

freiTEXT_Illus19

ABC

Alles auf Anfang. Auf Ausführungen besessen besserer Champions und Chansonnetten darf die einfache Ernte eimern. Der das geschrieben hält es fest in Fingern fragt frigide ganz gut gegangen. Oder? Neidisches Nicken. Halte häufig heiteres Hi Hi Hi hinter herzzerissenen Händen im jaulenden Jammertal. Konkurrenzlos kopfkrank kann man Nächsten leben lassen. Nehme nachher mehr mit ohne Pardon. Pochende Reinheit quillt reuelos. Suche ständig steuernde Silbe; schenk mir eine. Soll sie sein schief schnief sichtbar, schützenswert. Sprache ist Stellwerk im Strudel, süchtigmachend taumelt sie talwärts, wir Träumer sind verdammt für immer. Verfluchte Wahrheit vermeidend, wohliges Wiegen unseres Unwissens. Verstehst nix von was weil warum. Wütendes Wort wird Yachthafen zerhäxelter Zundergeschichten, zartbitter: zurück auf Anfang.

Sabine Roidl

freiTEXT ist eine Reihe literarischer Texte. Freitags gibts freiTEXT.
Du hast auch einen freiTEXT für uns? Sende ihn uns doch an mosaik@studlit.at