Das höchste Geschlecht

Adent-mosaik (c) mosaik

Das Höchste der Geschlechter war eines großer Nöte. Zerstörerische und tödliche Kräfte waren ihm wesentlich. Das Schöne im Hass dem Hässlichen zu opfern, war ihm wesentlich. In seiner unermesslichen Unwissenheit sich zu wundern, sich zu bewundern und zu verachten, war ihm wesentlich. Der Hochmut, die Kränkung, der Streit, der Kampf, die törichte, gefährliche, freche Schläue eines gescheiten Kindes und dessen Rücksichtslosigkeit, dessen Kurzsichtigkeit, dessen Eigensinn, dessen Wissbegier und dessen Schuldlosigkeit, dies alles war das allzu Wesentliche des höchsten Geschlechts.
Das Höchste der Geschlechter war eines großen Zwiespalts. Es glaubte sich irgendwo zwischen Tier und Gottheit, als Ebenbild von diesem und Herrscher über jenes. Und so herrschte es mit der neugierigen Klugheit des Schöpfers und dem unbeherrschten Walten einer Bestie über das Erdenreich, enthob sich der Natur als Sklave seiner Triebe und Lüste und strebte nach den fernsten Gestirnen der Nacht als gefährlichster Feind des eigenen.
Das Höchste der Geschlechter war eines großer Heuchelei. Als das Gute erfunden wurde, verurteilte und beneidete man mit stolzer Überheblichkeit das natürliche Treiben der anderen Geschlechter der Erde. Schnell war das Böse ausgedacht und in dunkle Kleider gehüllt oder als Unterhaltung getarnt, aus der man es danach mit verstohlener Faszination wieder vertreiben wollte.

Eine kurze Sekunde der Weltgeschichte war jene des höchsten Geschlechts. Dann ging es zugrunde, wie man es von hohen Geschlechtern stets erwarten darf.

Markus Hittmeir


Christkindlmarkt

Adent-mosaik (c) mosaik

 

Sti-ill, sti-ill, still klingelingelingt´s aus den Laut-Sprechern.

Weihgeräucherter Speck verliert  das Rennen gegen Zuckerwattepunsch.

Sauerkraut – nein, es ist doch Lametta, das da von einem weihnachtlichen Ast hängt.

Glühwein rötet die Wangen, vielleicht auch die Nasen.

Sinnsprüche mit Zuckerschrift: die Lebkuchen teilen mit und lassen mehr oder weniger hoch leben. Eines der Herzen fleht: „Verzeih mir“

Armdicke Schaumrollen kämpfen gegen Kindermund.

Im Christbaumgehege: wo ist der Duft nach Wald? Wann hat er sich auf und davon gemacht? Und warum?

Ein Pianist, versteckt in einem Winkel, spielt Chopin.  Vorm Dom ein alter Mundharmonikabetreiber. Er atmet ein, er atmet aus, die Töne erinnern an Verzweiflung.

Strohringerlketten flattern im Graupelwind

Barbara Keller


Besinnlicher Advent

Adent-mosaik (c) mosaik

 

Bald kann ich nicht mehr sagen, dass ich

Eigentlich lieber allein wäre.

Sobald du da bist,

Ist alles anders.

Noch einsamer.

Noch unruhiger.

Lieber alleine, als du hier, denke

I

C

H

Ein Irrtum.

Richtig.

 

Alles wird still,

Doch das Innere bleibt laut.

Veni, denke ich. Damit ich

Endlich ruhig werden kann. Und die

Nacht

Taghell.

 

Maria Köchler


Zwei Kippen vorm Parlament

Adent-mosaik (c) mosaik

Für Uyanga

Ein geschlossener Rathaus-Christkindlmarkt. Da drüben, der Beerenpunschstand - wir trinken einen, puh der fährt ein. Weiter vorn ein Karussell. Es ist halb abgedeckt. Wir setzen uns drauf. Ich denk an daheim, wo es diese schnuckeligen grün-grau- gestreiften Schaukelkarussells gibt. Und ich sehe kleine Menschen drin sitzen.

Ich sitz in diesem Karussell und vor mir ein Mädel mit blonden Haaren. Ein kleiner Mensch von sechs Jahren. Ich kenne ihn, besser als ich zugeben möchte.
Wir gehen weiter; mit uns ziehen die Stille und ein Geruch von Zimt und Muratti-Rauch. Vorm Parlament checken wir uns Dosenbier von den zwei betrunkenen Rock-Chicks, die heut zu „London Calling“ im Flex „abshaken“.

„Was is mit Flex, seids dabei?“
„Na, eher net. Wir gehn spazieren. Und dann ohne Zwischenstopp heim. - Morgen, 7.30 Uni!!“

„Zach.“

„Ja, aber muss halt sein, oda?“
„Naja, aber ein anderes Mal. War nett! Vielleicht seh' ma uns ja mal im Flex!“ „Sicherlich, ciaoi!“

Und dann hab ich die Idee, dass wir doch eine auf der Athene rauchen könnten, so als Hommage an die wunderbare österreichische Realpolitik.
Wir schwingen uns rauf auf den Sockel der Weisheit und zünden unsere Malboros an.

„Wenn du in zwei Tagen sterben würdst, was würdst machen?“

„Abgesehen davon, dass ich in zwei Tagen nicht sterben, sondern über Adornos Kulturindustrie mutmaßen werd‘, würd' ich mich in den Park setzen, ganz nah vor die Votivkirche. Dann würde Nanu, "Pop is Dead" auf seiner Jazzflöte spielen und wir jammen dazu und dann gehn wir in die Kirche und tanzen.“ … „Und am zweiten Tag würd ich mich unter meinen Mahagonibaum legen, und einfach mal nach oben schau‘n, denn das hab ich bislang sicherlich zu wenig gemacht.“
Und wir sitzen da, auf dem Sockel der Weisheit. Das blonde sechsjährige Mädchen, das mittlerweile, doch schon etwas älter, aber keineswegs weiser geworden ist und die kleine mongolische Prinzessin. Wir rauchen und schauen rauf - weil wir das bis dato viel zu wenig gemacht haben, gemeinsam mit unseren Kippen vorm Parlament.

Zitronenfalter


Ihr Kinderlein

Adent-mosaik (c) mosaik

 

Ihr Kinderlein saufet,
oh saufet doch all,
kommt zu den Märkten
und bleibt Knall auf Fall.

Und seht was in dieser hochheiligen Nacht,
der nette Freund Alkohol
mit euch
noch so macht.

Auch wenn euch der Schädel
dann brummt und auch schwirrt,
gebt euer Geld doch dem
lieben Punschwirt.

Trinkt diese Plörre
doch seht dringend zu,
dass ihr nicht heim kommt,
ohne eure Schuh.

Kotzt bitte in
und nicht neben das Klo,
die Weihnachtszeit ist wunderbar,
sie macht uns alle froh.

Sarah Krennbauer


Weihnachten ist endlich wieder

Adent-mosaik (c) mosaik

Weihnachten ist endlich wieder,
leise fällt der Schnee hernieder.
Kann eine Kerze mir anzünden,
endlich zu mir selber finden,
das ist alles wunderbar,
in der stillsten Zeit im Jahr.

Weihnachten ist endlich wieder,
leise fällt der Schnee hernieder.
Geh in den Wald noch Zweige finden,
brauch ich zum Adventkranzbinden.
Und dann werde ich gleich noch morgen,

einen Weihnachtsbaum besorgen.
Am Fünften dann, beim Krampuslauf,
da heißt es immer „feste drauf!“
nach Rutenschlägen, Peitschenqual,
schleppst du dich mühsam ins Spital.
Das ist alles wunderbar,
in der stillsten Zeit im Jahr.

Weihnachten ist endlich wieder,
leise fällt der Schnee hernieder.
Ich hab mir beim Glühweinstand
meine Zunge ganz verbrannt,
und bei der Firmenweihnachtsfeier
war ich ganz schön fett, au weia.
Wunschzettel ans Christkind schreiben,
den Glühwein wieder heraus speiben,
das ist alles wunderbar,
in der stillsten Zeit im Jahr.

Weihnachten ist endlich wieder,
leise fällt der Schnee hernieder.
Zwischen Punsch und Glühwein saufen,
schnell noch die Geschenke kaufen,
im Kaufhaus dann die Kundenherden,
mit „Stille Nacht“ berieselt werden.
Doch der Euro gibt viel Kraft,
unserer ganzen Volkswirtschaft,
und mit den letzten der Moneten
kauf für Silvester ich Raketen.
Das ist alles wunderbar,
in der stillsten Zeit im Jahr.

Weihnachten ist endlich wieder,
leise fällt der Schnee hernieder.
Um halb fünf Uhr schreckst du auf,
der Schneepflug kratzt quietschend die Straße auf,
und in die Kirchen strömen Scharen,
die sonst ein ganzes Jahr nicht waren.
Einmal im Jahr ist’s dann soweit,
die Verwandtschaft trifft sich ohne Streit,
macht gute Miene zum bösen Spiel,
obwohl man einander erwürgen will!
Gemeinsam Karpfen und Kekse fressen,
auf den Welthunger vergessen.
Wird man kugelrund und fett –
kommt dann im Jänner die Diät.
Christbaum brennt, auch Wohnung schon,
Feuerwehr hat Hochsaison.
Ist mir alles einerlei,
Hauptsache, es ist bald vorbei!

 Andreas Haider


Scheiß Winter

Adent-mosaik (c) mosaik

Wer
nicht
jung stirbt,
lebt
zu lang.

Thomas Mulitzer


Winterzauber

Adent-mosaik (c) mosaik

Winternacht, im Zauberglanz
Mond beschienener Wolkenkranz
Weltvergessen liegt das Feld
Geheimnisvoll wirbeln die Flocken
weihnachtlich uns zu verlocken
unterm weiten Himmelszelt

Fern von Lärm und eitlem Trubel
Fern von Euro, Yen und Rubel
Dort wo nichts als Stille wohnt
Vertreib die Sorgen, die Gespenster
Von Kerzenlicht erhellte Fenster
Ein Stern über der Erde thront

Und wenn der Chöre sanfte Stimmen
wie Funken durch das Dunkel glimmen
Und Mitleid meine Schritte lenkt
Bin so dann aus jenem Stoffe
aus dem zu sein ich immer hoffe
Ein Herz, das Freud und Liebe schenkt!

Magdalena Ecker


Texttor

Adent-mosaik (c) mosaik

Weihnachten - Texttore

von harleki'schen Texttoren sehen

Jahrtausendalte, aufgezwungene Tradition, erkämpfte, erschlich, erbeutete Lügen. Verkommene Wahrheiten wühlen jährliche Windungen, ob gewaltvoller Zielzüge.
Über unzählbare mögliche Wege nach Rom, so viele vergangene.
Vorweihnachtlichen Tore einer Randation.
Verschlossenen, unsichtbaren Moore anderer Reliktionen.

Dazu Textmasken
tragen.
erzählen von:
bestrahlenden Rüstungen, zerstrahlenden Wüsstungen mumifizieren,
bearbeiteten Baretts, zerarbeiteten Uniformen variieren,
beschlagenen Gesetzen, zerschlagenen Gasmaskenmohn.

Obendrein
einmal im Jahr das Fest der Nächstenliebe,
bleibt die restliche Zeit das Vergessen zu trainieren,
das Weinen zu vergessen, den Wein zu trinken,
sich in Konsunamis der ersten Welt zu verwinken.
Gemeinschaftlich messen in der heimeligen Stimmung
Predigt,
nur einmal im Jahr.

Patricia Lang


BING BING

Adent-mosaik (c) mosaik

 

Bing Bing!
So schiebt dies blasse Mädchen
Sich klappernd durch die Welt.
Und schnell, sodass die stehende Luft
In ihrem Haar als Fahrtwind zählt.

Bing Bing!
Scheppert ihr treues Rad,
Trägt ächzend seine Pflicht.
Auch jedes Schlagloch nimmt es brav
Ist nur die Dame drauf erpicht.

Bing Bing!
Ich seh dir nach, du Rad,
Mit mitleidvollem Blick.
Mir ist ich wär der andere Draht
Den dieses Fräulein tritt.

Florian Lamprecht