freiVERS | Katie Grosser

Herbstgefühle

Die Regentropfen prasseln mit Wucht ans Fensterglas
Doch drinnen wohlig‘ Wärme beschützend mich umhüllt
Das Prasseln bringt Gefühle, die ich nur kurz vergaß

Gefühle, die mich tragen hinaus aufs weite Feld
Wo letzte Sonnenstrahlen mit ihrem golden Licht
Behutsam mich begleiten, voll stiller, sanfter Ruh‘
Und Vögel leise singen im Einklang mit der Welt

Gefühle, die der Winde gar rastlos rasend bringt
Er bunte Blätter wirbelt – ein farbenfrohes Fest –
Mit luftig weichen Fingern er zärtlich Wangen streicht
Und nussig pralle Düfte er trägt ins Land hinaus
Mein Herz, es pocht dann höher und freuderquickt es singt

Gefühle, die den Anfang vom End‘ versprechen mir
Denn nun am Jahresende ich kehre still hinein
An jedem langen Abend ich endlich habe Zeit
Für Dankbarkeit und Ruhe, bin voll von leisem Glück
Ein warmes Licht mich füllet ganz sanft von innen aus
Im Herbst ich kann genießen allein das Jetzt und Hier

Katie Grosser

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freiVERS Spezial | Lyrik zur Arbeit

Bundt ist der neuneue Pfau

Brothers and sisters, Jesus says
Leave your cars and offices
(The Servant – Jesus Says)

Color full collar
Fool colourful
Is the New
Do
Rien Graey

Lettuce-tarte
Building A
United Colors of
Peacock
ProcrastiNation

Even
More Beautiful
Cos We All
Know
Or Never

Gonna reach the Treasure
At the end of rainbows
And of your
Rope
I Want to

Shimmy-shimmy
Shimmy through
The break of
Dawn,
Yeah!

Shimmy-shimmy
Through Dawn
Break!
Y'all!
Yalla! #YALA

Nathan Sirch

freiTEXT_Illus16

-

Auf den Dächern

sitzen Spatzen,
lösen sich Ziegel aus Erinnerung.
Ich sehe Mutter am Bügelbrett,
wie sie den Tag glättet.
Draußen bist du Schneekönigin
mitten im Frühling,
hängt sie Wäsche
und alte Regeln an die Leine,
die mit den Worten der Nachbarn flattern.
Zwischen Unkraut lauern Nacktschnecken
und andere Feinde,
baust du Schlösser
und braust Mittel
für tote Fliegen.

Erst am Abend
stürzt dich Mutters Stimme
von den Zinnen
deiner Welt.

Sigune Schnabel

freiTEXT_Illus-1

-

Agnes

Sie fängt den Blick mit leeren Augen
ihr Körper bedeckt von milchiger Haut.
An Wunder darf sie nicht mehr glauben,
jeder Handstreich ist ihr schlicht vertraut.

Vom Alltag ist sie schon ganz mürbe
- ihr Glanz wie der, der Gläser stumpf
trotz alldem bewahrt sie ihre Würde
und umhängt mit Schürze ihren Rumpf.

Eiskalt erfühlt sie das Hochglanzbesteck,
lächerlich klappern unbarmherzig Tassen,
die Tischdecke entstellt vom Rotweinfleck,
das Essen wird sie sogleich bringen lassen.

Sie umfasst die Speiseteller ohne Liebe,
macht sich zu ihrem Kreuzweg wieder auf,
Glotzblicke verletzen wie Peitschenhiebe,
sie trotzt, wie täglich - und nimmt in Kauf.

Die tüchtigen Beine tragen sie zielgenau
nacheinander serviert sie all die Wünsche
lächelt gequält zu Kind, Mann und Frau
ihr Erfolg schier gewogen in barer Münze.

Sie bittet ihre Laufkundschaft zur Kasse
und wird zugleich auch selbst gebeten
ihren Tribut zollt sie nicht per Geldmasse,
denn sie gab bereits ihr verwirktes Leben.

Claudia Wallner

 freiTEXT_Illus18

-

Die Baustelle

Schon lange nun beschäftigt mich
Der Bau des Hauses mein
Die Mauern stehen, weiß der Strich
Sein Anblick ist gar fein

Und doch der Bau, er zieht sich hin
Schon fertig ist er nicht
Ideen kommen in den Sinn
Irrsinnig scheint Verzicht

So bau ich noch ein Stockwerk drauf
Drum hoch es ragen kann
Im Garten schnell ein Wasserlauf
Das Aug‘ dankt mir es dann

Ein Loch ich schlage in die Wand
Das Licht soll fluten hell
Das Fenster wie ein Festgewand
Ist individuell

Ein Schornstein hier, ein Pflänzchen dort
Es ist so groß und stark
Doch optimierbar ist der Ort
Ums Wasser noch ein Park.

Bloß einzigartig soll es sein
Voll Pracht, voll Glanz, das Hause mein
Verdrängt, erstickt der leise Hohn
Dass längst schon könnte drin ich wohn‘

Katie Grosser

freiTEXT_Illus13

 

ambiguitätstoleranz hast du
das genannt
beim schwimmen zwischen schreibtisch
sommer zweifelschieben
in abgeschriebenen zeitsymptomen
die gedanken ruhen lassen
in revolutionsplagiaten
welten retten
und bezugnehmend auf ihre ausschreibung
stromlinienförmig tättowiert
brummt horizont grün
hinter den ohren einer exzellenz
generation
mit den händen in den hosentaschen.

Annika Domainko

freiTEXT_Illus8

-

Wir haben ein Herz

Wir haben ein Herz. Wir haben ein großes Maul mit viel dahinter. Wir haben eine Meinung, wir müssen nicht immer urteilen. Wir sind links. Wir treiben es bunt, wir treiben es oft, wir treiben es gern. Wir brauchen Geld zum Leben, mehr davon nicht. Bei uns sind auch die Männer Emanzen. Wir brauchen keine Kirche, wir können selber denken. Wir sind viele. Wir studierten die Einsamkeit. Wir sind die Stillen. Wir können auch laut werden. Manchmal denken wir erst hinterher nach und vielleicht schämen wir uns dann. Niemand weint so schön wie du. Wir waren lange genug jung und hübsch. Wir sind schwach, wir sind mutig, wir sind stark, wir sind zart. Wir straucheln und jammern, wir kämpfen, wir gewinnen, wir scheitern: Wir sind unterwegs. Wir lieben, wir leben. Wir sind Helden. Wir machen weiter.

Sabine Roidl

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freiVERS | Katie Grosser

Leuchtturm

Wir alle sind auf einer Reise
Mal kreuz, mal quer, mal parallel
Unendlich viele schreiten vor uns
Auch nach uns reißt der Strom nicht ab
Mal führt die Reise in die Irre
Ein Umweg kann gar schmerzvoll sein
Die Kreuzung wirft auf große Fragen
Der Blick nach innen – eine Pein
Und doch nach vorn die Füße tragen
Die meisten auf der Reise lang
Denn Umkehr, Umweg manchen scheinet
Wie Niederlage schmetternd groß
Für andre Umweg ist ein Segen
Der kommt verborgen dann daher
Eröffnet ungekannte Wege
Wer mutig ist, der nimmt ihn an
Doch woher Mut und Willen nehmen
Worin der Tapfren Antrieb liegt
Auch wenn die Wege hart und steinig
Und Angst mit dunklen Händen greift
Es ist ein Licht, das sie anblicken
Dem unbeirrt sie folgen stets
Es leuchtet hell in ihrem Innern
Als Leuchtturm zeigt es ihren Weg
Bezwingt die quälend großen Fragen
Umwege, Angst und Umkehr all
Es spendet Kraft und Hoffnung ihnen
Der Seele Nahrung immerfort
Ein jeder Leuchtturm leuchtet anders
Als helles Licht aus anderer Quell
Für manche Glaube ist der Antrieb
Für andre ein Versprechen ist’s
Erfolgeshunger kann gar treiben
Und Trauer nicht nur dunkel sein
Ein Kindheitstraum kann Anstoß geben
Auch Sehnsucht nach Verstorbenen
Mein Leuchtturm, der mir weist den Weg
Der Umwege erträglich macht
Auf Fragen Antwort finden lässt
Bist du und all dein strahlend Licht

Katie Grosser

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Advent-mosaik IV als eBook und PDF

Cover_ebook_adventmosaikDas Advent-mosaik IV gibt es jetzt auch als Anthologie. Die große Nachlese gibt es als PDF und eBook hier kostenlos zum Download.

Mit Texten von:

Camena Fitz, Claudia Kohlus, Martin Reiter, Ingeborg Kraschl, Luka Leben, Jonas Linnebank, Simona W., Eric Ahrens, Simone Lettner, Marina Büttner, Matthias Engels, Natalia Fastovski, Simone Scharbert, Katie Grosser, Claudia Maria Kraml, Maximilian Michl, Sophie Stroux, Sigune Schnabel, Andreas Schumacher, Gundula Maria von Traunsee, Claudia Wallner, Martin Piekar und Andreas Haider.

Illustrationen von Sarah Oswald.


14 | Katie Grosser

Treue Häfen

Mein Blick, er geht weit in die Ferne
Zum Horizont, so groß und klar
Wo Sonne nachts im Sterben Sternen
Das Leben schenkt, ein ewig Kreis
Auf sanften Wellen gleiten Schiffe
Mal links, mal rechts an mir vorbei
Sie tragen Menschen, große, kleine
Die Jungen, Alten, Menschheit ganz
Ein jeder ist auf seiner Reise
Und viele jagen eines nur
Der Hunger groß nach Abenteuer
Ist ihrer Segel starker Wind
Ich seh sie fremde Länder finden
Und bis auf tiefsten Meeresgrund
Sich kämpfen nur mit purem Willen
Sie segeln auch durch stärksten Sturm
Erschreckend groß sind die Gefahren
Doch trotzig bieten sie die Stirn
Der Horizont ist nicht das Ende
Er kann für sie nur Anfang sein
Mein Kahn, auch er treibt stets nach vorne
Folgt meinem Segel, das ich setz
An altbekannte, treue Häfen
Ich spür nur Regentropfen sanft
Ich weiß, das Meer, es geht noch weiter
Auf Wegen stets der Sonne nach
Und manchmal denk ich, was wohl wäre
Wenn ich drauf schlüge meinen Kurs
Und doch mit leichtem Herz ich winke
Den vielen Abenteurern nach
Gönn ihnen Glück und ihre Spannung
Und würde doch nicht tauschen woll’n
Denn treue Häfen sind mir lieber
Bekannte Küsten freu’n mein Herz
Das dann vor Freude schlägt auch höher
Wenn lange Reise sicher schließt
Der Horizont mag weit und riesig
Das Meer selbst gar unendlich sein
Mein Glück liegt mitten in mir selber
Am Steuer sitz nur ich allein

Katie Grosser

Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen.