Der Tanz der Zwiebel

Simone Forti_Huddle_Salzburg_2014

Wenn es eine Kunstform gibt, in der sich künstlerische Tendenzen der letzten 50 Jahre ausdrückt, so ist dies die Performance. Untrennbar mit Performances verbunden scheint uns heute der Tanz als körperbetonte Ausdrucksform. Doch das war nicht immer so. Es brauchte erst eine italienischstämmige Tänzerin, die dem Tanz eine neue Ebene bot. Simone Forti ist erstmals eine Retrospektive gewidmet - im Museum der Moderne Salzburg.Read more


freiTEXT | Claudia Kraml

freiTEXT_Illus9

Tintenzeichen

“Einfach schreiben, Zeile um Zeile, nur nicht nachdenken, immer weitermachen. Das Blatt füllen, sodass das Weiß zurückweicht, die beängstigende Leere, die Anforderungen stellt, nach perfekten Sätzen und den richtigen Worten an der richtigen Stelle verlangt. Sobald man über sie zu reflektieren beginnt, ist es aus, denn das Zögern verhindert jede weitere ehrliche Aussage. Die Buchstaben werden zu Teilen trügerischer Kartenhäuser, die durch den leisesten Windhauch zerstört werden können. Wieder einmal verstecke ich mich hinter ihrer Fassade, verschlungene Gedanken und unablässiges Hinterfragen haben mich meiner Sicherheit beraubt. Daher auch die Angst vor allzu kurzen Sätzen, denn: Was kommt nach dem Punkt?
Was du hier siehst, ist nur ein kleiner Teil von mir. Doch wenigstens zweifeln darf ich nicht, nicht an der Rechtmäßigkeit, dir das hier zu schicken, nicht an meiner Macht über die hundert Worte, die mir gleichzeitig in den Sinn kommen und und sich so schwer bändigen lassen, nicht an deiner Bereitschaft, den Umschlag zu öffnen und dir Zeit für mich zu nehmen. Für die wenigen schwarzen Tintentropfen, aus denen diese Sätze entstanden sind. Vorausgesetzt, ich bringe tatsächlich den Mut auf, dir den Brief zu schicken. Der Weg zum Postamt ist ein sehr weiter, wenn man sich selbst nicht einmal sicher ist, ob man das Recht hat, ihn zu beschreiten.
Erneut habe ich eine Pause eingelegt, nicht gewusst, wie viel von meinen derzeitigen Erlebnissen ich dir tatsächlich preisgeben soll. Genau den Fehler habe ich schließlich schon einmal begangen, mich bedingungslos und voller Zuversicht anvertraut, mit all meinen Schwächen und Unzulänglichkeiten, dem naiven Optimismus und all der Einzigartigkeit, die jedem Menschen eigen ist. Die Strafe kam nicht abrupt, doch umso gnadenloser, ich rannte gegen selbst erbaute Mauern und versuchte doch immer wieder, sie zu überwinden, weil nicht ich ihr Schöpfer war. Irgendwann muss ich mir dabei etwas gebrochen haben, denn ich konnte mich nicht mehr weiterbewegen, sank erschöpft zu Boden, deprimiert und am Ende meiner Kräfte. Ich glaube, ich liege dort bis heute.
Was ich dir sagen will, wozu mein Kopf meine Hand drängt, es aufzuschreiben, was meine Gedanken wiederum verhindern wollen, die mich bremsen, die meine Worte für nicht gut genug halten, die alles zensieren, was eigentlich längst auf diesem Blatt Papier stehen sollte… Es ist eigentlich nicht viel. Ja, ich weiß, das sage ich immer, wenn dann wieder ein Redeschwall kommt, wenn ich dich zutexte, egal ob in gesprochener oder schriftlicher Weise.
Wie gern würde ich dir gegenübersitzen, oder, noch besser, neben dir, reden und lachen und nicht darüber nachdenken, wer wir sind, was es bedeutet und wohin uns die Zukunft führen wird. Nur im Moment leben, für ein paar Augenblicke. Den Sommer in deinen Augen sehen, egal, was für ein Tag es ist.”

Mit spöttischem Grinsen legt sie das Blatt zur Seite, sieht auf die Uhr. Ganze zehn Minuten verbrachte sie nun mit dem dicht beschriebenen Stück Papier in der Hand. Vergeudete Zeit, mit Unmengen sinnvollerer Beschäftigungen nutzbar, einfach so verstrichen. Einzig und allein wegen ihrer Unfähigkeit, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Doch das wird sich jetzt ändern.
Ruckartig erhebt sie sich, wirft noch einen Blick auf den Umschlag mit den bemüht regelmäßig aussehenden Buchstaben, die in schwunghafter Kursivschrift Namen und Adresse ergeben. Beim Anblick des Absenders hätte sie das Schreiben sofort wegwerfen sollen, ungelesen, ignoriert. Warum sie sich überhaupt damit beschäftigt hat, darüber möchte sie nicht nachdenken – es gibt genug andere Dinge, die sie all die Tage, Wochen, Monate hindurch auf Trab halten. Wann das aufhören wird, weiß sie nicht, sie will es nicht einmal wissen, aber jedenfalls darf sie nie innehalten, keine Fehler eingestehen, sich nicht mit der Vergangenheit auseinandersetzen.
Und so segelt diese in hohem Bogen in den Papierkorb.
Dicht gefolgt vom Brief einer Möbelfirma, die einen Teil ihres Sortiments mit Rabatten bewirbt.
Der Preis wäre immer noch zu hoch gewesen, in beiden Fällen.

 Claudia Kraml

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TEXTart

Straßenkunst aus München und Texte von Veronika Aschenbrenner: eine Symbiose.


freiTEXT | Magdalena Ecker

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Der Seelenfänger

Die herbstlich bunten Wälder
tun Nebelkleider an
Es liegen leis die Felder
in magisch, düstrem Bann

Lautlos kreist ein Rabe
ruft schaurig „Nimmermehr!“
Durch seiner Augen Farbe
wird die Seele blass und leer

Er trägt auf seinen Schwingen
wie`s scheint die ganze Welt
Oh, trübsinniges Singen
dass die Nacht ringsum zerfällt

Der Morgensonne Strahlen
trinken sacht den kalten Tau
Träume, die die Schatten stahlen
Des Raben Lied klingt ach so rau

In seiner schmucken Schwärze
Im Geäst der Rabe thront
Und Glanz der teuren Erze
in seinen Federn wohnt

Des Raben Augen zeigen
einen weit entfernten Ort
Stets musst du die Blicke neigen
sonst nimmt er dich mit fort

Magdalena Ecker

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Buchiversum

Fräulein Flora war unlängst Büchershoppen... Aber vergesst uns die Buchhandlung Neues Leben in der Bergstraße nicht. ;)


Sinnesrausch beim Volksmusiksex

"Once upon a time there was a fox... and then (to cut a long story short) a lion came and ate everyone." - So oder so ähnlich war die Erzählung von Roni Sagi bei der Eröffnung des zweiten MY Sound of Music - Musikfilmfestivals. Two days are gone, two yet to come. Hoffentlich wird die Erzählung nicht zum Omen für das ambitionierte Projekt.

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freiTEXT | Sabine F.

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Im Zug: Reise nach…

„Wohin geht die Reise?“ wollte das kleine, zierliche Mädchen wissen. „Ich weiß es nicht“, antwortete ich, „ist das denn so wichtig?“ Ratlose, aber neugierige Kinderaugen musterten mich: „Aber du musst doch wissen, wo du hinfährst!?“ Ich wusste es nicht. „Reist du ganz alleine?“ fragte das Mädchen mit mitleidigem Blick. „Ich bin doch nicht alleine. Du bist ja auch da!“ Die Kleine strich sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht. „Wie soll es dort sein, wo du hinreist?“ Gelassen antwortete ich: „Ich weiß es nicht. Aber eines weiß ich: Ich werde da sein. Ich werde mit allen Sinnen da sein. Ich werde an keinem anderen Ort sein wollen. Und ich werde wissen, dass ich angekommen bin.“ Meine Antwort schien das Mädchen zufrieden zu stellen. Es nickte mir wohlwollend zu und verschwand aus meinem Blickfeld.

Sabine F.

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"Fährst du mit mir nach Paris?"

Um zu begeistern, sagt man, braucht es nicht viele Worte. Ein Gedicht oder eine Kurzgeschichte kann überwältigender sein als jeder Roman. Und ein Kurzfilm ist oft eindrucksvoller als ein filmisches Epos. Erfreulich, wenn er von einem jungen Salzburger kommt. Noch erfreulicher, wenn es mehr davon gibt!

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freiTEXT | Andrea Weiss

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Liebste Marie,

Marie, Marie, du verpasst so viel hier in Salzburg, du verpasst die Welt! Denn Salzburg macht einfach Freude, sagen sie, weil Arbeit frei macht.

Marie, Marie du verpasst die Welt in dir! Du verpasst die Tausendmeilenblicke und den grässlichen Kaffee und unzüchtige Gedanken und überhaupt: In schönen Kleidern Kuchen kochen, das kann wohl jeder, meinst du, aber dem ist nicht so. Manchmal findet man sich dann halt doch auf der Couch wieder, ein Weinglas. Raybans. Zerkratzter Nagellack…kennst eh. Sinnierendes Treffen den Nagel neben den Kopf.

Marie, Marie, du verpasst die Momente im März und die Stille des leeren Augenblicks Apriliens. Vorbei wie wilder Honig, die sommerlichen Fliedergefühle und Heu.
Zeit! Du verpasst die Zeit und lässt den Zug in Roma Termini einfahren aber du warst nicht an Bord. Seekrankheit vortäuschend drei Minuten an der Toilette kämpfend. Oder warens sieben? Egal, eine gesehnte Ewigkeit.

Auch die Brut und Boden Ideologie junger, vor allem österreichischer Mütter aus der Unter- und Mittelschicht mit einem lala-Hauptschulabschluss lässt du dir entgehen, was ich allzu schade finde. Und auch der existenzielle Volksdumpfskampf manch autonomer Provinzen und die neuen Püppchen vom Typ deutsches Lenchen (Gretel war grad ausverkauft), gehen gradewegs an dir vorbei.

Marie, Marie, du verpasst so viel, du verprasst die Welt und jeden grässlich rotschwarzblaugepunktetenextasemordenden Augenblick im kleinen 5020.

Träume weiter, WandererIn, wenn du nach Sparta kommst.

Andrea Weiss

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