freiVERS | Enno Ahrens

Q

die schwarzgezogene wurzel
aus 25 steigt auf am geistigen
horizont ein neues gestirn an
meinem knallerbsenstrauch

man muss nur tief genug
graben die engerlinge über
die klinge des spatens
springen lassen dann
erweisen sie sich sehr
flexibel als quastenflosser
vielleicht oder als
reu-selige quecke

so finden scharrende
hühner ihren gott
eventuell den allseits
begrabenen hund

Enno Ahrens

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freiTEXT | Fabian Hartmann

Der Tag, an dem Mindy Miller dicke Oberschenkel bekam

Wie so oft in jenem Sommer fuhr Mindy (Mindy Miller, elfeinhalb, geboren in Winston-Salem, North Carolina) schon früh am Tag zu einem abgelegenen kleinen Fußballplatz am Rande von Walnut Cove, ihrem Heimatort. Sie fuhr auf ihrem Fahrrad, einem Jungenrad mit einem 24er-Rahmen, der gerade erst wieder frisch von ihr besprüht worden war, wobei sie sich für ein sattes Dunkelgrün entschied. Vielleicht dachte sie bei dieser Wahl an die Farbe des Nadelwaldes, in dem der kleine Fußballplatz gelegen war. Gerade als Mindy den Middlefork Drive verlassen hatte und in die Martin Luther King Jr Road einbog, wunderte sie sich, wie sehr der Geruch dieses Sommermorgens dem von feuchter Erde glich.

Die Martin Luther King Jr. Road ist eine lange, gerade und ebenmäßig asphaltierte Straße, an dessen Rändern jeweils tiefer Nadelwald beginnt. Dies jedoch erst ab ihrer Hälfte, davor erstrecken sich zu den Seiten Rapsfelder – mittlerweile zwar halb vertrocknet – aber dennoch weit genug, als dass sie Mindy regelmäßig dazu brachten, den Blick von der Straße abzuwenden und über die Felder schweifen zu lassen. um zu schwelgen in einem Gefühl der Überzeugung, sie würde den Sommer in seiner Gesamtheit erfahren. Gebündelt in diesem einen langen, ausgeruhten Blick in die Ferne.

Mindy spielte in einem Team der jüngsten Altersklasse an der South Stokes High School, im Mittelfeld, wo sie praktisch jede Spielrolle annehmen konnte. Jetzt, im Sommer, pausierte die Mannschaft für acht Wochen mit dem Training, und so traf sich Mindy beinahe täglich mit ihrer Freundin Susan auf dem kleinen Fußballplatz, dessen immer frisch gemähter Rasen von einem etwa drei Meter hohen Netzzaun umgeben war.

Als Mindy auf dem Fahrrad angerollt kam, klingelte sie kurz und Susan – die gerade versuchte, den Ball aus einigen Metern an die Querlatte des Tores zu schießen – drehte sich um, nachdem sie die unbeabsichtigte Flugbahn des Balls bis zu ihrem Ende verfolgt hatte. (Er landete einige Meter tief im Wald zwischen den Tannen, die durch die andauernde Trockenheit beinahe morsch geworden waren). Nachdem sie sich – wie bei jeder ihrer Begrüßungen – ein low five gegeben hatten, lief Susan los in Richtung der kleinen Tür im Zaun, durch die man den Wald betreten konnte. Mindy setzte sich auf den Rasen, um sich ihre Schienbeinschoner und Stutzen und Stollenschuhe anzuziehen.

Die Stutzen – ein Geschenk ihrer Mutter – waren knallig rot und gefielen ihr nicht sonderlich. Aus dem einfachen Grund, sie nicht enttäuschen zu wollen, zog Mindy die Stutzen nun dennoch über ihre Waden. Mindy schaute in den Himmel, als sie sich die Schuhe band. In einen allzu klaren Himmel, durch den hin und wieder eine seichte Wolke zog, und dann auf ihre Waden in diesem prall gefüllten, dicken, roten Sockenstoff und war schockiert: Hatte sie jemals so dicke Waden gehabt? Hatte sie jemals den Sommer gerochen? Ihr Blick wanderte die Beine hinauf zu den Oberschenkeln, dessen Anblick sie nicht weniger entsetzte. Susan kam aus dem Wald zurück, den Fußball unterm Arm.

„Susan, sag mal“, sagte Mindy. „Findest du, dass ich dicke Oberschenkel hab'?“

Fabian Hartmann

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freiVERS | Patricia Falkenburg

Möwentableau.

Weiße Vögel
Auf kartoffelknollig gefurchtem
Braunem Grund.
Schwingen verwahrt,
Einbeinstand
Im rauschenden Regen. Regen.

Kein Licht
Am grauen Himmel,
Leintuchwolken, streifenfrei.
Weiße Lichtpunkte,
Köpfe in Federn geduckt,
Auf dem Feld im Regen. Im
Rauschenden Regen.

Patricia Falkenburg

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freiTEXT | Anna Gawlitta

Wenn die Zikaden zirpen

Schlafen nachts die Zikaden? Oder zirpen sie unentwegt?

Aufstehen müsste man, mitten in der Nacht, und lauschen, wie lange die Zikaden zirpen, dachte ich als ich an einem Sommerabend am offenen Fenster stand, meinen Kummer und meine Einsamkeit beweinte. Gregor hatte mich verlassen, einfach so, ohne Vorwarnung, ohne vorherige Anzeichen. Mir war ausschließlich aufgefallen, dass er seit einiger Zeit nicht mehr „Ich liebe dich“ gesagt hatte. Das hätte mir zu denken geben können. Vorher hatte er es mir unter die Nase geschmiert, diese drei berühmten Worte. Er hatte es in unterschiedlichen Sprachen gesagt, förmlich aufgezählt, ich bringe nur Je t`aime, I love you, Kocham Cie und Ich liebe dich beisammen. Gregor hatte mich mal zum Geburtstag überrascht, und in fünfzehn Sprachen die drei berühmten Worte deklamiert. Damals habe ich lachen müssen wie ein kleines Kind, das von seiner Mutter gekitzelt wird, er hatte mit seinem Ton gespielt, die Worte in die Länge gezogen, sie mal leiser, dann wieder lauter betont, mit den Händen gestikuliert, ist auf und ab gesprungen, auf die Knie gefallen, hat seinen Arm ausgestreckt und hatte mir ein schwarzes, viereckiges Döschen hingehalten, es geöffnet und mir war ein funkelndes Etwas in Ringform entgegen gestrahlt. Es dauerte eine Weile bis ich begriff, die Hände vor den Mund nahm, aufstöhnte, auf ihn zu rannte, gemeinsam mit ihm umfiel, sein gesamtes Gesicht abküsste und so laut ich konnte Ja schrie. Wir hatten uns verlobt!

Nach der Verlobung veränderte sich alles zum Positiven, es intensivierte unsere Beziehung. Wir liebten einander intensiver, mit jedem vergehendem Tage; wir hielten fester Händchen, wir küssten einander stärker, wir redeten länger und rührten tiefere Themen an. Es hatte sich eine Innigkeit entwickelt, die uns beiden vorher unbekannt gewesen war, die wir vorher nie gehabt haben. Wir waren enger zusammengeschweißt worden, durch diesen Akt, durch diesen Ring an meinem Finger. Zumindest war es mir so gegangen, hatte ich so gefühlt, es so erlebt und habe es so in Erinnerung. Schließlich trug ich den Ring! Und genau hier setzt das Problem an, Gregor trug keinen. Und so lenkte er seine Aufmerksamkeit auf sein Promotionsthema. Gregor war Biologe, hatte sein Studium beendet und einen Promotionsplatz ergattern können. Das Thema: Zikaden. Zikaden hier, Zikaden dort. Ich hatte nicht einmal gewusst, was Zikaden sind. Gregor begann seine Liebe zu mir auf die Zikaden über zu lenken. Ich sah, wie er immer bissiger sich in sein Thema hinein lebte, regelrecht einen Fanatismus in puncto Zikaden entwickelte. Zikaden, Zikaden, Zikaden währte ich mich, als er eine von ihnen nach einem Forschungsgang in der Natur in einem leeren Marmeladenglas stolz wie Oskar nach Hause transportierte.

Igiitt, igitigit, igit brachte ich nur hervor. Nahm das Marmeladenglas samt der Zikade, flitzte so schnell ich nur konnte aus der Wohnung, die Treppe hinunter, öffnete das Glas und warf die Zikade ins Gras. Da fing die Zikade an zu zirpen. Ich erschrak und sprang zurück. Da ging mir auf, was eine Zikade ist, es ist das zirpende Etwas zwischen den Grashalmen an einem warmen Sommerabend. Ich war auf Anhieb begeistert, die Zikade gab ihr Konzert und ich lauschte. Gregor kam mit fuchtelnden Armen mir hinterher, blieb stehen und konnte nicht glauben, was er sah. Ich saß im Gras und lauschte der Zikade. Komm, sagte ich, setzt dich zu mir. Er blickte irritiert, sah sich um, ob niemand uns sehe und setzte sich zu mir. Schön, nicht, sagte er. Ich nickte begeistert, gleich einem Kleinkind. Hier entfachte meine Zikadenliebe und schweißte Gregors Liebe zu den Zikaden mit der meinen zusammen. Ich wurde zur Doktorandin im Thema Zikaden, las alle Materialien, die Gregor bis dahin zusammengestellt hatte, forschte sogar selbst in Bibliotheken nach, korrigierte, vermerkte, ergänzte Gregors Notizen. Seit diesem Zirpen waren die Zikaden zu meiner Leidenschaft geworden. Ich ersetzte Gregor gegen die Zikaden. Wir drückten unsere Händchen nun nicht mehr so fest zusammen, küssten uns nicht mehr stärker, redeten nicht intensiver. Aber das fiel mir erst gar nicht auf, weil ich, solange noch Sommer war, die Zikaden zirpen hören wollte, jeden Abend. Gregor fing an mir den Vogel zu zeigen, aber das machte mir nichts aus, nur dass er jetzt öfters den Finger an den Kopf hielt, und sagte, dass ich spinne, anstatt wie früher den Finger zum Herzen zu führen, und mir zu sagen, dass er mich liebe. Aber dennoch beruhigte es mich nicht, schließlich gehörten wir seit dem Ring an meinem Finger zusammen, so dachte ich. Als ich begann meine Kritik auch mündlich zu äußern, neue Fragestellungen zu entwickeln und überhaupt unentwegt über die Zikaden zu schwärmen, gab Gregor auf, und machte mit mir Schluss. Den Ring wollte er zurück, aber ich bekam ihn nicht mehr vom Finger, so beließ er es dabei, räumte den Schreibtisch, den er bei mir stehen hatte, beisammen, packte seine halb fertige Doktorarbeit zusammen und zog wieder komplett zu seinen Eltern.

Doch wir sahen uns nun häufiger als es ihm lieb war. Ich hatte mich nämlich an der Universität immatrikuliert und forschte zum Thema Zikaden. Ich hatte meine eigenen Fragestellungen und dachte daran über Zikaden meine Abschlussarbeit zu schreiben. Ich besuchte schon sehr bald die Kolloquien, in denen auch Gregor saß, zu seinem Leidwesen, denn ich merkte, wie wütend er auf mich war. Dabei hatte ich nichts anderes als meine Leidenschaft zu Zikaden entdeckt – das war alles! Doch für Gregor war es nicht genug, er ließ sich nicht mehr bei den Kolloquien blicken, ich machte mir Sorgen. Als er das gesamte Semester über weg blieb, rief ich bei seinen Eltern an und erkundigte mich nach ihm. Gregor, sagte sein Vater, habe seine Notizen und Bücher eingepackt und sei ausgewandert, aus Forschungszwecken. Wirklich, sagte ich, und da ging mir auf, dass ich bisher ausschließlich die deutschen Meinungen gelesen hatte.

Anna Gawlitta

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freiVERS | Eva Brunner

lpk

die Pflastersteine von Hierapetra
ließen die Mamorfrau vorher gehen
das Planimeter noch in der Tasche

komm geh einen Palast besetzen
Pampelmusen und Pistazien essen
deine Traurigkeit plastisch machen

das Patriarchat ist keine Primel leider
Papier kann helfen Pik kann stechen
denn deine Unschuld ist antik

Eva Brunner

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freiVERS | Susanne Rzymbowski

Verschachtelt
die Sätze in deinem Kopf
aus Fragmenten
einer Zeit die gewaltig
im Nichts tobt
als Schimmer aus Zukunft
ohne Erleben
und dein Herz stahl
für den Moment
der verhungert
so umherirrt
und du schweigst
zu der dir bleibenden Welt

Susanne Rzymbowski

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freiTEXT | Isabella Krainer

Edith

Edith war schon immer ein aufgewecktes Mädchen. Mit zehn entdeckte sie die wunderbare Welt des Scherenschnitts, mit elf beherrschte sie den Lockruf des Tungara-Froschs und im Jahr darauf gab sie vor, Schweizerin zu sein, da diese verstärkt unter dem prämenstruellen Syndrom zu leiden hätten.

Da ihre Sportlehrerin an Derartiges gewöhnt war, begrüßte sie die Schülerin regelmäßig mit einem sarkastischen „Grüezi“ im Turnsaal. Für Edith ein Grund mehr, beim Völkerball nicht mehr zu kooperieren.

Die Idee, den Sportunterricht gegen wöchentliche Besuche im Altersheim einzutauschen, kam Edith mit dreizehn. Nachdem ihr die betagten Leute zuflüsterten, dass es hier nicht darum gehe, Gefangene zu machen, kam sie zu dem Schluss, nie an einem echteren Ort gewesen zu sein. Was keine Flügel hatte, konnte tatsächlich nicht fliegen. Und was zu stinken hatte, stank.

Als Edith die Alten zum letzten Mal besuchte, um sie danach wieder sich selbst zu überlassen, war die Pubertät amtlich.

Isabella Krainer

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freiVERS | Lütfiye Güzel

geisterbahn-karussell

zwanzig neue bücher
in gepolsterten umschlägen
die klammern stecken
ihre köpfe
durch die beiden löcher
ich klebe die seiten noch zu
bevor ich beschossen werde
von meinen eigenen organen

Lütfiye Güzel

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mosaik26 – ich bin keine pflanze

mosaik26 – ich bin keine pflanze

INTRO

„denken sie darüber nach wie es ist
ohne frau zu leben“
– Steffen Kurz (S. 20)

Dieser Tage kam eine Frage auf uns zu: Sag, liebes mosaik, wie hältst du’s mit dem Gendern? Und wir waren etwas überrascht – nicht über die Frage, sondern darüber, festzustellen, dass wir noch nie im Team darüber diskutiert oder aktiv darüber nachgedacht haben. Seit wir uns erinnern können ist der Asterisk da, als wäre er eine selbstverständliche Gegebenheit, wie der Umstand, dass wir nicht auf Kunststoff sondern auf Papier drucken (was wir im übrigen auch nie diskutiert haben).

Kritik an dieser Praxis kommt dieser Tage nicht nur von den Eh-scho-wissen, sondern zum Beispiel auch vom Wiener Philosophen Robert Pfaller, wie er es u. a. in einem Interview mit dem Standard formuliert hat: „Eine Kunstsprache zu verwenden, also zu ‚gendern‘ oder ein Binnen-I einzufügen“, scheint ihm nicht der richtige Weg, „man klingt dabei schnell nicht mehr wie ein vernünftiger Mensch.“ Und er markiert das Gendern als eine Form, sich über eine andere Gruppe zu erheben. Womit wir schnell bei einer Frage sind, die uns in Wellen immer wieder beschäftigt: Was kann/soll Kunst/Literatur im gesellschaftlichen Zusammenhang?

Wir verstehen uns auf einer Mission, Literatur zugänglich zu machen. Doch was bedeutet das? Ist es Aufgabe der Kunst, sich mittels Simplifizierung (über die Themen, Wege und Mittel) neuen Bevölkerungsschichten anzunähern oder ist es Aufgabe der Gesellschaft (des Staates?) Initiativinteresse für Kunst zu schaffen? „Man muss Kultur zu den Menschen bringen“ ist ein häufiger Schlachtruf, der in Sozialprojekten in sogenannten „Problembezirken“ endet und damit genau jene Überheblichkeit zelebriert, die auch Pfaller ankreidet.

„Sei unbesorgt: Von den hundert Namen,
die ich trage, ist kein einziger
Eva“
– Marina Berin

Seid unbesorgt, liebe Leserinnen und Leser, liebe Lesende, liebe Leser*innen, wir geben uns nicht mit einfachen Antworten zufrieden. Dafür kann eine Antwort dann auch mal länger dauern. Vor allem dann, wenn man vom Hundertsten ins Tausendste kommt. Letzteres wünschen wir euch für die vorliegende Ausgabe.

Inhalt

elektrisches zirpen
  • Dagmar Falarzik: Aufziehender Sturm / Der Sturm / Nach dem Sturm
  • Erik Wunderlich: Liebes Dreifingerfaultier
  • Thomas Ballhausen: Stanze
  • Stephan Weiner: Buch vom Zweck
  • Ursula Seeger: Unwillkürliches Flattern. Teil 31: Feingefühl und Anfälligkeit von Maschinen für Unausgeglichenheit und Exzentrik
waldwerden
  • Steffen Kurz: eine blume zwischen zwei abgründen
  • Manon Hopf: Fangen
  • Fabian Lenthe: Sie verlassen mich
  • Michael Pietrucha: Oh. Philia und deine geteilte Pflege mit dem Leben
  • Martin Peichl: 1000 Tode
und du nur so. oh.
  • Barbara Marie Hofmann: wiegenlied [totenschaukel]
  • Marina Berin: Du bittest mich
  • Katherina Braschel: Der Dosenrost sagt den Kieselsteinen, sie sollen mir temporäre Cellulite an den Knöcheln machen. Oder was?
  • Dustin Young: bitte komm
  • Hannah Bründl: wenn wind
Kunststrecke von Dominika Ziober.Król
BABEL – Übersetzungen
  • Jacek Dehnel: Miasta Dalekie / Ferne Städte (aus dem Polnischen von Michael Pietrucha)
  • Enesa Mahmic: Blatusa (aus dem Bosnischen von Marko Dinic)
  • Tobias Roth: Firn / Neve di Primavera (ins Italienischen von Nicoletta Grillo)
  • Yevgeniy Breyger: Schöne Lagunen / Lagune Frumoase; Vorsicht / Atentie (ins Rumänische von Krista Szöcs)
Kolumnen
  • Peter.W.: High Noon an der Datumsgrenze, Hanuschplatz #14
  • Marko Dinic: Über das Plagiat, Lehengrad #5
Buchbesprechung
  • Josef Kirchner: „Buchstaben sind Schmutz auf Papier“ – Zeitschriftenumschau
Interview
  • Miss Tell und Miss Spell – Gespräch Franziska Füchls und Lisa-Viktoria Niederberger
Kreativraum mit Magic Delphin

freiTEXT | Lisa Krusche

Maritim Grand Hotel

Das Flattern des Absperrbandes im Wind. Die Locke, die über deine Wange Richtung Mund streicht. Du, den Joint in der Hand mit dem Siegelring, wie du einatmest, noch mal einatmest, damit der Joint mehr reinknallt. Dein Blick in Richtung Plakate und was du erzählst. Dein Ausatmen und um die Ecke der Obdachlose im Schlafsack und ich, die ich mich frage, ob er schon erfroren ist. Das Maritim Grand Hotel im Hintergrund, Waschbetongebäude, mit diesen Fenstern, innen warmes oranges Licht und die weißen, mal halb mal ganz zugezogenen Gardinen. Du sagst, du müsstest noch mal herkommen, bevor wir überhaupt richtig da sind. Die Kälte und das Bild auf dem Plakat und zu jeder Sekunde mein Körper und das Gefühl meines Körpers, der sehr bewusst ist in seinem hier stehen und noch bewusster in seinem Sehnen. Die Strähne, das Klackern des Absperrbandes, quadratische Betonplatten auf dem Boden, die Härchen auf deinen Fingern, die Strähne und mein Gedanke, ich müsste Film machen, Film ist das Mittel der Wahl, weil es alles hat, Bild und Ton und Text, wenn man will, und der Wunsch eine Kamera zu haben, um alles, um dich aufzunehmen und die Strähne und die Hand und der Joint an deinen Lippen, und noch viel mehr der Wunsch endlich aufzuhören diese Dinge zu tun, die ich tue, aus Pflichtbewusstsein, und stattdessen nur noch dich zu filmen und alles aus Lust.

Lisa Krusche

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