freiTEXT | Stephan Weiner

ER und ICH

Solange ER und ICH zusammen sind, ist alles gut. WIR fürchten UNS nicht. Auch nicht vor dem kleinen Raum mit den weißen Fliesen an der Wand. ER und ICH wohnen noch nicht sehr lange hier. WIR wurden nicht richtig gefragt, ob WIR hier wohnen wollen - hatten aber auch nichts dagegen. WIR wissen nicht genau, warum WIR hier einziehen mussten. Aber WIR glauben, es ist wegen der Geschichte mit dem Kugelmenschen – dem Dicken, der UNS zu sich eingeladen hat.

Der Dicke hatte UNS gemeinsam eingeladen. WIR kennen ihn aus dem Wartezimmer des Arztes, der immer so viel redet. WIR haben ihn dort schon oft gesehen. Und der Dicke wollte UNS schon lange einmal zum Abendessen bei sich haben; sagt, er könne UNS helfen. WIR wissen nicht, wobei er UNS helfen möchte, kommen der Einladung aber achselzuckend nach. Als WIR das Haus betreten, steht der kugelrunde Gastgeber im Eingangsbereich und blickt von ein paar Stufen auf UNS herab. ICH ducke mich vorsichtshalber ein wenig, ER streckt den Kopf empor.

Der Dicke begrüßt UNS, nimmt UNSERE Jacke und führt UNS in ein großes Zimmer mit Kamin. WIR sind nicht allein. Sechs weitere Paare sind anwesend – stehen rum – mustern UNS. In solchen Situationen schicke ICH IHN gerne vor. ER ist bei so etwas viel souveräner. IHM macht es Spaß, sich den Gegebenheiten anzupassen. Mit einem Blick hat ER die Essenz seines Gegenübers erkannt und beginnt, sie gekonnt zu kopieren. WIR können auf diese Weise sein, was WIR wollen. Reich, arm, dick, dünn, schlau, dumm – einfach alles. Das ist ein gutes Gefühl. Seit ER und ICH zusammen sind, beherrscht mich daher ein Gefühl absoluter Klarheit. Mein Drang nach Freiheit, der offenbar nicht mit der allgemein akzeptierten Ordnung vereinbart werden kann, hat MICH oft in Schwierigkeiten gebracht. Doch mit IHM ist der Drang verschwunden. Tatsächlich verspüre ICH überhaupt keinen Drang und keinen Wunsch nach Veränderung mehr. Die überraschende Einladung des Dicken zu akzeptieren, ist für UNS kein Akt der Höflichkeit. WIR tun niemandem einen Gefallen, möchten UNS nicht einschmeicheln, um neue Freunde zu gewinnen oder Ähnliches. WIR gehen ohne besondere Absichten durchs Leben und haben nicht vor, etwas daran zu ändern.

Der Gastgeber rollt durchs Zimmer. Lächelt durch die Runde und richtet unangenehm lang seinen Blick auf UNS. Wieder ducke ICH mich, während ER den Blick erwidert. „Wir wollen helfen“, sagt der Dicke, und versucht seine Stummel-Arme auszubreiten. Allgemeines Nicken begleitet diese Geste. „Wir glauben, dazu in der Lage zu sein, da wir früher einmal genauso waren.“ ER und ICH wissen nicht, was WIR dazu sagen sollen und scheinen das mit UNSEREM Gesichtsausdruck auch deutlich gemacht zu haben. „Alle hier waren einmal eins“, erklärt der Dicke. „Alle sechs Paare in diesem Raum, waren mehr als nur einer Meinung – sie waren sechs Individuen.“ Er beugt sich leicht nach vorne und betrachtet UNS dramatisch durch seine Augenbrauen. „Auch ich und meine Partnerin waren einmal eins“, fährt er fort. „Wir sehnten uns nach nichts. Lebten von Tag zu Tag und wünschten uns, nur zusammen zu sein. – Doch ohne Verlangen lebt es sich schlecht. Es macht krank. Das einzig Gute: Wenn man erst merkt, wie krank, dann ist der erste Schritt zur Gesundung, zur Spaltung, zur Normalität schon getan.“ Als der Dicke das Wort „krank“ ausspricht, nicken die 6 Frauen und 6 Männer im Takt, jeweils abwechselnd, zuerst die Männer, dann die Frauen, und scheinen dabei ihr eigenes Gegenteil zu verkörpern. „Wer krank ist, will gesund sein. Wer abhängig ist, will frei sein. Wer in Gefahr ist, sucht die Sicherheit. Wer im Chaos versinkt, entwickelt Regeln zu seiner Bändigung. Wer hasst, will lieben. Wer arm ist, will reich sein. Wer unsicher ist, sucht nach einer Erklärung. Wer stumm ist, sucht nach einem Wortführer. Und wer unterdrückt wird, will sich emanzipieren!“ Mit dem letzten Satz dreht er sich einmal im Kreis und zeigt dann mit einem seiner speckigen Finger auf eine Tür. Langsam betritt eine dünne Frau den Raum. WIR starren sie an. WIR können nicht anders. Nicht ihre fehlende Statur ist das, was IHN und MICH am meisten schockiert, es ist ihre ungeheure Größe. Sie überragt den Dicken in ihrer Länge um das Doppelte. Er selbst, klein und fett, sieht daneben wie eine extrem gestauchte Version von ihr aus. „Meine Frau“, schreit er förmlich. Applaus von den anderen Gästen. ER ist vollkommen entsetzt. ICH sehe es an seinem Gesichtsausdruck. Es wäre besser, jetzt zu gehen, denke ICH noch. „Du siehst, wir sind genau wie du. Und wir können helfen. Wir können helfen, dich von ihm zu befreien. Du musst dich von ihm trennen, um glücklich zu werden. Du musst erkennen, dass du krank bist. Du musst dich entzweien und auf die Suche gehen. Musst dich nach einem geeigneten Partner umschauen; musst Sehnsucht entwickeln. Du kannst nicht für immer alles in dir vereinen. Das ist nicht normal!“ Mit jedem Satz kommt der Dicke einen Schritt auf UNS zu. ER bekommt Panik. ICH kann noch an mich halten. Plötzlich spüren WIR die Wand hinter UNS. WIR können nicht weiter zurück. WIR müssen nach vorne. ICH möchte IHN aufhalten, aber es ist zu spät. Wild hämmern seine Fäuste auf die Brust des Dicken. Der weicht zurück und seine Frau versucht sie auseinander zu bringen. Vor lauter Verzweiflung greife ICH hinter mich, greife nach dem Erstbesten, einem Schürhaken neben dem Kamin und steche zu. Blutend liegt die dünne Frau am Boden. ER und der Dicke lassen voneinander. Die anderen Gäste sehen MICH traurig an. ER und ICH verlassen langsam das Haus. Hinter UNS hören wir laute Geräusche; Schreie. WIR schauen uns achselzuckend an, laufen zur Straße und in die Stadt, bis WIR vor unserer Wohnung stehen. WIR betreten UNSER Zimmer und werden erwartet. Sie nehmen UNS mit und bringen UNS in das weiße Zimmer. IHM und MIR ist das egal. WIR legen uns auf die an der Wand stehende Pritsche.

„Wir glauben dir“, sagt der Mann mit dem weißen Bart. ER und ICH sitzen aufrecht auf UNSEREM Bett und starren auf UNSERE Fußspitzen. Es sind nur zwei. „Es ist Okay sich nach Gesundheit zu sehnen, wenn man erkennt, dass man krank ist“, fährt der Mann fort. „Wir sind zu zweit und du bist nicht rund. Kannst nicht in zwei verschiedene Richtungen sehen. Bist einfach nur du.“ Der Mann spricht mit IHM, ICH schaue zu. Was er sagt, ergibt keinen Sinn. Wie können ER und ICH nur in eine Richtung sehen? Wieso sollte ICH mich nach Gesundheit sehnen? Wieso sollte ICH mich überhaupt nach etwas sehnen, wo ER und ICH doch alles haben? WIR beschließen, dem alten Mann, der uns trennen will, zu ignorieren. WIR beschließen, UNS wieder hinzulegen und von gar nichts zu träumen.

Stephan Weiner

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mosaik26 – ich bin keine pflanze

mosaik26 – ich bin keine pflanze

INTRO

„denken sie darüber nach wie es ist
ohne frau zu leben“
– Steffen Kurz (S. 20)

Dieser Tage kam eine Frage auf uns zu: Sag, liebes mosaik, wie hältst du’s mit dem Gendern? Und wir waren etwas überrascht – nicht über die Frage, sondern darüber, festzustellen, dass wir noch nie im Team darüber diskutiert oder aktiv darüber nachgedacht haben. Seit wir uns erinnern können ist der Asterisk da, als wäre er eine selbstverständliche Gegebenheit, wie der Umstand, dass wir nicht auf Kunststoff sondern auf Papier drucken (was wir im übrigen auch nie diskutiert haben).

Kritik an dieser Praxis kommt dieser Tage nicht nur von den Eh-scho-wissen, sondern zum Beispiel auch vom Wiener Philosophen Robert Pfaller, wie er es u. a. in einem Interview mit dem Standard formuliert hat: „Eine Kunstsprache zu verwenden, also zu ‚gendern‘ oder ein Binnen-I einzufügen“, scheint ihm nicht der richtige Weg, „man klingt dabei schnell nicht mehr wie ein vernünftiger Mensch.“ Und er markiert das Gendern als eine Form, sich über eine andere Gruppe zu erheben. Womit wir schnell bei einer Frage sind, die uns in Wellen immer wieder beschäftigt: Was kann/soll Kunst/Literatur im gesellschaftlichen Zusammenhang?

Wir verstehen uns auf einer Mission, Literatur zugänglich zu machen. Doch was bedeutet das? Ist es Aufgabe der Kunst, sich mittels Simplifizierung (über die Themen, Wege und Mittel) neuen Bevölkerungsschichten anzunähern oder ist es Aufgabe der Gesellschaft (des Staates?) Initiativinteresse für Kunst zu schaffen? „Man muss Kultur zu den Menschen bringen“ ist ein häufiger Schlachtruf, der in Sozialprojekten in sogenannten „Problembezirken“ endet und damit genau jene Überheblichkeit zelebriert, die auch Pfaller ankreidet.

„Sei unbesorgt: Von den hundert Namen,
die ich trage, ist kein einziger
Eva“
– Marina Berin

Seid unbesorgt, liebe Leserinnen und Leser, liebe Lesende, liebe Leser*innen, wir geben uns nicht mit einfachen Antworten zufrieden. Dafür kann eine Antwort dann auch mal länger dauern. Vor allem dann, wenn man vom Hundertsten ins Tausendste kommt. Letzteres wünschen wir euch für die vorliegende Ausgabe.

Inhalt

elektrisches zirpen
  • Dagmar Falarzik: Aufziehender Sturm / Der Sturm / Nach dem Sturm
  • Erik Wunderlich: Liebes Dreifingerfaultier
  • Thomas Ballhausen: Stanze
  • Stephan Weiner: Buch vom Zweck
  • Ursula Seeger: Unwillkürliches Flattern. Teil 31: Feingefühl und Anfälligkeit von Maschinen für Unausgeglichenheit und Exzentrik
waldwerden
  • Steffen Kurz: eine blume zwischen zwei abgründen
  • Manon Hopf: Fangen
  • Fabian Lenthe: Sie verlassen mich
  • Michael Pietrucha: Oh. Philia und deine geteilte Pflege mit dem Leben
  • Martin Peichl: 1000 Tode
und du nur so. oh.
  • Barbara Marie Hofmann: wiegenlied [totenschaukel]
  • Marina Berin: Du bittest mich
  • Katherina Braschel: Der Dosenrost sagt den Kieselsteinen, sie sollen mir temporäre Cellulite an den Knöcheln machen. Oder was?
  • Dustin Young: bitte komm
  • Hannah Bründl: wenn wind
Kunststrecke von Dominika Ziober.Król
BABEL – Übersetzungen
  • Jacek Dehnel: Miasta Dalekie / Ferne Städte (aus dem Polnischen von Michael Pietrucha)
  • Enesa Mahmic: Blatusa (aus dem Bosnischen von Marko Dinic)
  • Tobias Roth: Firn / Neve di Primavera (ins Italienischen von Nicoletta Grillo)
  • Yevgeniy Breyger: Schöne Lagunen / Lagune Frumoase; Vorsicht / Atentie (ins Rumänische von Krista Szöcs)
Kolumnen
  • Peter.W.: High Noon an der Datumsgrenze, Hanuschplatz #14
  • Marko Dinic: Über das Plagiat, Lehengrad #5
Buchbesprechung
  • Josef Kirchner: „Buchstaben sind Schmutz auf Papier“ – Zeitschriftenumschau
Interview
  • Miss Tell und Miss Spell – Gespräch Franziska Füchls und Lisa-Viktoria Niederberger
Kreativraum mit Magic Delphin

04 | Stephan Weiner

Blockade

Ich kann heute nicht. Keine Zeit. Einerseits habe ich noch nichts gegessen. Andererseits muss ich noch einkaufen, einen Film gucken, ausgehen, was trinken, auf der Couch liegen, lesen, joggen, telefonieren, duschen, meckern, hin-und-her-gerissen-sein – irgendeinen Scheiß halt. Und das hier? Das geht grad einfach nicht. Obwohl ich es will. Es muss. Es ist so ein innerer Drang. Sonst fühle ich mich so faul. Und das an einem Samstag. Einem Samstag der schon langsam in Richtung Abend geht. – Völlig unverhältnismäßig.

Unverhältnismäßig in den Abend geht? Wohl kaum. Eher eine unverhältnismäßige Art sich faul zu fühlen. Und warum drücke ich eigentlich immer das „k“, wenn ich doch eigentlich das „l“ meine? Vielleicht sollte ich es für heute bleiben lassen. Auch wenn ich nicht für ihn schreibe. Zumindest nicht im Moment. – Aber mir fällt einfach nichts ein. – Vielleicht weil ich schon fast fertig bin. Am Ende kommt immer die Leere. Also ob man nur für den Anfang etwas hatte und dann, wenn es ernst wird, verlassen einen die Geister. Ich hab mal gehört, dass man sich immer was für den nächsten Tag aufbewahren sollte. Damit man immer weitermachen kann. – Aber was, wenn man am ersten Tag schon zu wenig hatte? Wo kriegt man den Rest her? Den zum übriglassen?

Ich muss mich entspannen. Den Kopf in den Nacken werfen. An die Decke blicken. Oder Augen schließen. Irgendwas halt, was mit Entspannung zu tun hat. – Ich könnte Alkohol trinken. Aber dann heißt es wieder, „Guckt euch den an!“ und so. Also trinke ich Milch. Auch wenn ich mich ein bisschen krank fühle. Erkältet. Da trinkt man keine Milch. Das Fett fördert Entzündungen. Und wenn ich erkältet bin, ist mit Sicherheit irgendwas in mir entzündet, und dann wird mit Milch alles nur noch schlimmer. – Stimmt das so? Und wenn nicht – auch egal. Es geht schließlich um Entspannung. Oben drin. Da gehören auch gedankliche Abzweigungen dazu.
Eine Entscheidung muss ich dennoch fällen. Also, ob und wie es denn heute weitergehen soll. Das Eine oder das Andere? Beim Anderen bin ich ja schon fast fertig. Also noch nicht ganz, aber fast. Beim Einen müsste ich noch ‘ne ganze Weile sitzen. – Aber ich weiß nicht, ob ich in allein-sitz-Stimmung bin. Vielleicht bin ich ja auch eher in draußen-rumlauf-Stimmung. Vielleicht fördert das ja das Eine, wenn ich vorher rumgelaufen bin. – Nur unterhalten geht nicht. Also das nun wirklich nicht. Womöglich auch noch mit Fremden. Unbekannten Menschen, denen ich alles erzählen muss. Besser gesagt sie erwarten es. Zumindest so ein bisschen. Damit es interessant bleibt. Auch wenn für mich zugucken viel interessanter ist. Deswegen vielleicht doch lieber einen Film. Auch wenn das eigentlich anders von mir erwartet wird.

Ich brauche auf jeden Fall etwas, das das Eine vorantreibt. Ich hab ja zum Glück noch ein bisschen Zeit. Kann ja noch gar nicht draußen rumlaufen. Erst in ein oder zwei Stunden. – Dann ist bestimmt alles anders. Ist ja meistens so. Wenn man wartet. Am Ende ist immer alles anders. Vielleicht auch dann, wenn man am Anfang zu wenig hatte.

Aber das weiß ich jetzt einfach noch nicht.

Stephan Weiner

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freiTEXT | Stephan Weiner

Scrollin’

W. scrollt. Zuckt zusammen. Schaut sich um. Nippt an seinem Kaffee. Scrollt langsamer. Noch langsamer. Stoppt. Scrollt nicht mehr.

Schikane! Rufen sie. Später. Er hätte weiter scrollen sollen. Ist schließlich sein Job. Der Abteilungsleiter tobt. W. begründet sein Verhalten nicht. Auch nicht auf Nachfrage. Es lasse sich alles im Browserverlauf nachvollziehen. Mehr sei nicht zu sagen. Er könne aber doch wenigstens sagen, warum. Warum habe er nicht mehr gescrollt? W. schweigt. Sie würden es nicht verstehen. Würden es verwechseln, mit einer Pause.

W. starrt auf den Bildschirm. Er sollte weiterscrollen. Das weiß er. Weiter nach Bugs suchen. Gründlich. Sollte sich tief in die Webseite hineinscrollen. In jedes Verzeichnis. In jedes Unterverzeichnis. Sollte den gesamten Quelltext abscrollen. W. tut es nicht. Tut gar nichts. Ist es ein Bug? Wenn ja, müsste er die Programmierer informieren. Als W. an diesem Tag nicht mehr scrollt, wird kein Programmierer informiert. Hat W. keinen Bug gefunden? Nur welchen Grund gibt es sonst, nicht mehr zu scrollen? W. ist sich nicht sicher. Heute. Ein Bug ist immer eindeutig. Ein Fehler. Ganz klar. Eine Fehlfunktion. Irgendwas tut nicht das, was es soll. W. erkennt es, gibt es weiter. Scrollt weiter. Nur heute nicht. Heute entscheidet sich W. zu klicken. Glaubt vielleicht, etwas auf der Spur zu sein? In den Protokollen sind später genau zwei Klicks verzeichnet. Nur eines ist nicht zu erkennen. Wo W. hin will, was er bezweckt. Nirgends ein Hinweis. Wo soll der Bug sein? Es muss ihn geben. Schließlich scrollt W. nicht mehr. Hat sich stattdessen in den Server geklickt. Der erste Klick. W. wird angesprochen. Von einem Bot. W. sollte eigentlich gar nicht hier sein. Ist es dennoch. Und der Bot fragt: Wo ist der Bug? W. antwortet nicht. Der Bot hält W. für einen Virus. Will ihn entfernen. W. wehrt sich. Klickt ihn weg. Der zweite Klick. Der Abteilungsleiter bekommt bei jeder Virenattacke eine Nachricht auf sein Handy. Auch auf Verdacht. Direkt aufs Display. Kann zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht draufschauen, da er seiner Tochter bei der Suche nach ihren Gummistiefeln helfen muss. Ohne die geht sie nicht in den Kindergarten. W. verlässt den Server wieder. Hat er etwas gefunden? W. initiiert einen Neustart. Danach: Nichts. Keine weitere Unterbrechung. Der PC fährt hoch. Jemand sieht W. am Kaffeeautomaten. Jetzt scrollt er wieder. Was war? War was? Unterdessen hat der Abteilungsleiter die Gummistiefel seiner Tochter gefunden und erfährt von der vermeintlichen Attacke.  

Stephan Weiner

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