Ausblick: Was 2016 bringen wird.

In zwei Teilen haben wir auf das vergangene Jahr zurückgeblickt. Nun wird es Zeit, in die Zukunft zu planen. Ein erster Übersicht über das, was euch im kommenden Jahr erwartet.

Mit 4 Ausgaben 2016 soll mosaik auch weiterhin eine niederschwellige Plattform für junge Schreibende darstellen: Texte aller Art sollen unkompliziert und ungebunden veröffentlicht werden können. Neben literarischen Texten sind ausdrücklich auch nichtliterarische Textsorten wie Essays, Kommentare oder Forschungsberichte und auch Rezensionen, Interviews sowie Veranstaltungsberichte erwünscht. Im Jänner erscheint mosaik17, mosaik18 und 19 folgen im Frühjahr, mosaik21 im Herbst.

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mosaikzeitschrift.at

Alle Ausgaben werden auch in Zukunft digital angeboten. Denn auch wenn die Printversion dank eurer Mithilfe nicht nur in Salzburg sondern in vielen Städten im gesamten deutschsprachigen Raum erhältlich ist, ist die PDF-Version ein gern gesehener Zugang. Doch online wird noch mehr passieren:

Das Advent-mosaik versorgt jeden Advent täglich mit neuen Texten von 24 AutorInnen, und in der Reihe freiTEXT stellen wir jeden Freitag einen Prosa-Beitrag einer anderen Autorin/eines anderen Autors vor. Eine weitere Reihe stellen wir euch in Kürze vor.

Sowohl die freiTEXTe als auch das Advent-mosaik werden auch 2016 wieder als kostenlose eBook-Anthologie erscheinen. Informationen zu AutorInnen und Ausschreibungen werden laufend über mosaikzeitschrift.at vermittelt.

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Buchprojektequadrat_zwieback

mosaik20 soll in Tradition von mosaikX erneut als Kurzprosaanthologie erscheinen. Ein entsprechender Aufruf endet am 3. März 2016. Im Anschluss wird eine unabhängige Jury aus Menschen aus dem Salzburger Literatur- und Kulturbetrieb anonym die Auswahl der Texte vornehmen. Ein intensives Lektorat und ein bibliophil hochwertige Produktion runden das Projekt ab. Zu diesem Zweck wurde 2015 der Imprint edition mosaik im Verlag Neues Leben Salzburg gegründet – das Projekt grenzt sich dadurch von der allgemeinen Verlagsarbeit ab, sichert sich jedoch rechtlich über diesen ab.

Weiters wird die edition mosaik weitergeführt und ausgebaut. 1.1, Peter.W. - Schulterratten, geht in die zweite Auflage, 2.1 erscheint im Februar mit hochqualitativer Lyrik, 2.3 und 2.4 im Frühjahr mit Essays bzw. Kurzprosa - jeweils im Dialog mit spannender bildender Kunst und dem bereits bekannten Rahmenprogramm. Wir sind schon ziemlich aufgeregt.

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Lesungen

2016 ist die gewohnte Geburtstagslesung zur Präsentation von mosaik17 im Jänner und die dritte Auflage der Lesung studentINNENfutter in Kooperation mit der SAG am 7. Juni im Literaturhaus geplant. In Planung sind zudem zwei Lesereisen, die uns im Februar nach Tirol und im April nach Deutschland führen werden.

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Kooperationen

In Zusammenarbeit mit Labor L’art, dem Netlabel des Bureau du Grand Mot, gibt es Pläne für literarische Projekte innerhalb des Labels: Neben klassischen Lesungen sollen insbesondere experimentelle literarische Formen sowie crossmediale Inhalte gefördert und umgesetzt werden. Zudem soll die Kooperation mit der KulturKeule beibehalten und ausgebaut werden. Die freundschaftlichen Beziehungen zu unabhängigen Literaturzeitschriften im deutschsprachigen Raum werden aufrechterhalten und ausgebaut. Mit den Fisci di Carta aus Genua werden Kooperationsprojekte vorbereitet.

Ein Höhepunkt wird die Kooperation mit einer Großveranstaltung am Jahresende (bloß noch nicht zu viel verraten) und das damit einhergehende Buchprojekt sein. Neue Herausforderungen für uns - neue Inhalte für euch.

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Finanzierung

Da sich das Angebot des mosaik insb. 2015 stark erweitert hat, sind wir nun vor neue (auch finanzielle) Herausforderungen gestellt. Die Ausweitung erfolgte zum einen aufgrund unserer Begeisterung, zum zweiten aufgrund der stärkeren Verbindung mit dem Bureau du Grand Mot sowie befreundeten Literaturzeitschriften und den damit verbundenen neuen Ideen und Inhalten, und nicht zuletzt auch aufgrund der gestiegenen Nachfrage von Seiten der AutorInnen gleichwohl wie auch vonseiten der Lesenden. Das mosaik ist in seinem fünften Jahr zu einer festen Größe in der (Salzburger) Literaturlandschaft geworden und bereit, die aufgenommene Arbeit in den nächsten Jahren zu intensivieren beziehungsweise auszuweiten.

2016 bringt neue (zeitliche wie finanzielle) Herausforderungen, denen wir uns gerne stellen und den wir mit unserem steten Fokus auf inhaltlicher wie äußerer Qualität begegnen wollen. Damit können nicht nur Autorinnen und Autoren stärker gefördert, sondern auch junge Literatur vermehrt in der Gesellschaft verankert werden. Gehen wir es an!

euer mosaik

Beitragsbild: Filmdreh "in the cloud with sea sounds", Foto (c) Mark Prohaska


Jahresrückblick 2015 #2: finanzieller Bericht

Nach den Onlinestatistiken geht es jetzt ans Eingemachte. Das liebe Geld. Immer wieder Sorgenpunkt bei vielen Kultureinrichtungen - auch beim mosaik. Wir haben versucht, die dutzenden Rechnungen und Tabellen unseres Jahresabschlusses für euch aufzubereiten.

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Zunächst: das Erfreuliche.

Fangen wir in guter Buchhaltermanier mit den Einnahmen an. 1610,- waren als Budget von den Kulturabteilungen von Stadt und Land Salzburg gemeinsam (also jeweils 805,-) für das Kalenderjahr vorgesehen. Nochmal 760,- konnten wir Querfinanzieren, weil bei den anderen Projekten des Bureau du Grand Mot, für die um Förderungen angesucht wurde (KulturKeule, LiteraturLetscho, TextGespräche, TextTage, KouchKartoffel), gespart worden war.

Dazu kommen Förderungen der ÖH Salzburg (insb. der StV Germanistik) von rund 2750 Euro. Aus dem Verkauf von Büchern (X-Kurzprosa, edition mosaik 1.1) konnten wir rund 500,- einnehmen. Das wars dann aber vorerst mal. Klingt nach viel Geld? Schauen wir mal.

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Dann: das Erwartbare.

Was kostes eigentlich so eine mosaik-Ausgabe? Es gibt so ein kleines Sätzchen in unserem Impressum: "Ermöglicht wird dieses Projekt durch die unentgoltene Mitarbeit aller Beteiligten." Damit wollten wir Fragen vorbeugen, warum wir denn unseren AutorInnen kein Honorar zahlen. Da immer noch manche fragen, hier die kurze und knappe Antwort: Weil all unser Geld für die Druckkosten verwendet wird. Tjo. Rund 4170 Euro waren das dieses Jahr. Ein wenig haben wir uns durch die Doppelausgabe 14/15 gespart.

Dazu kommen knapp 400 Euro, die wir für den Versand der mosaik-Ausgaben aufgewendet haben - damit es das mosaik zu den AutorInnen und in immer mehr Städte im deutschsprachigen Raum schafft. Exakt 241,15 € gehen dann noch für Büromaterialien, die Gebühren für Domain und Hosting etc. drauf.

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Das Neue

Was wir letztes Jahr noch nicht einkalkuliert hatten war die edition mosaik und die Lesereise nach Bayern. Letztere schlägt mit 550,- zu Buche (Honorare, Reisekosten, Übernachtungen) - die erste Ausgabe der edition mosaik, Schulterratten von Peter.W., kostet ähnlich viel, nämlich 572,- Rund 250,- gehen an den Druck, 72,- kostet die ISBN, je 100,- bekommen die beiden Künstler als Honorar (beschämend wenig, wir wissen es) und bescheidene 50,- bekam Alexandra Nobis für das umfassende Lektorat.

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Das Unbezahlbare

Der findige Mathematiker hat schonmal mitgerechnet: Wir kommen in dieser Zusammenstellung auf Ausgaben in der Höhe von rund 5883,15 und Einnnahmen von 5620. Auch wenn diese Auflistung stark vereinfacht war, bleiben uns dieses Jahr gut 250,- die wir aus unserer eigenen Tasche zahlen dürfen. Das erklärt hoffentlich auch, warum wir nicht mehr Honorare zahlen können.

Es bleibt also dabei: Das mosaik lebt nur vom Engagement aller Beteiligten, allen voran den Autorinnen und Autoren, die meist unentgeltlich Texte beisteuern und deren Arbeitsleistung wir nicht wagen einzuschätzen. Wir steuern dann noch unentgeltlich rund 150 Stunden Blogbetreuung, 150 Stunden Öffentlichkeitsarbeit, 150 Stunden Grafik/Satz/Design und weitere 100 Stunden allgemeine Herausgebertätigkeiten bei, was sich in 10-20 Stunden-Wochen niederschlägt. Und aus allem zusammen entsteht ein Produkt, das vielen Menschen Freude bereitet.

Daher unser Dank an alle von euch: An euch AutorInnen, an euch LeserInnen, an euch Freunde und Wegbegleiter, an euch Förderer. Ohne dieser Community, dieses Netzwerkes, wäre das alles nicht möglich und nicht sinnvoll. Wir freuen uns schon wieder auf ein neues Jahr. Aber das wird ein anderer Blogbeitrag...


Rückblick 2015 #1: Webstatistiken

In drei Teilen begehen wir den Jahreswechsel. Den Anfang macht ein Rückblick auf unsere Webstatistiken 2015 - neben Schönem finden wir da immer wieder Skurrilitäten und Besonderheiten.

Zunächst: Die Besuche.

Statistik

Ihr seid unglaublich! Vielen Dank für eure Treue und euer Interesse. Nach rund 10 000 Besuchern letztes Jahr, kamen heuer knapp 25 000 Interessierte auf mosaikzeitschrift.com und mosaikzeitschrift.at - das motiviert uns, unsere Arbeit weiterzumachen!

Dann: Eure Lieblinge.

Beliebteste Seiten waren 2015 (neben den großen Überblicksseiten) das Advent-mosaik und die Ausschreibung Zweifel zwischen Zwieback. Beliebteste Texte waren "Wofür entscheidest du dich" von Veronika Wintersteller, der freiTEXT von Martin Piekar und das zweite Türchen des Advent-mosaik von Claudia Kohlus; beliebteste Rezension war jene des neuen Buches von Matthias Engels.

Beliebtester Download war mit Abstand jener von mosaik16, gefolgt vom Auszug aus X, dem freiTEXT-eBook und älteren mosaik-Ausgaben. Wieder mal zeigt sich: mosaik6 ist erstaunlich beliebt. Warum bloß?

Woher ihr kommt

Glaubt man den Internetstatistiken, kommt ihr zu einem großen Teil von dubiosen chinesischen und russischen Porno-/Tierliebhaber-/Motoroller-Hersteller-Seiten. Manchmal auch von facebook. Außerdem lernen wir über euch viele tolle Google-Suchmaschinen-Alternativen kennen.

Ihr kommt (in dieser Reihenfolge) aus Deutschland, Österreich, den USA, der Schweiz und Italien. Aber auch z.B. aus Uruguay, Nepal, Ecuador, Nigeria, Singapur, Jamaica, Vietnam, Moldawien und von den Philippinen.

die lustigsten Suchbegriffe

Damit ihr zu uns kommt, geht einer von fünf den Umweg über Suchmaschinen. Ihr tippt dort "mosaik" oder den Namen einer Autorin oder den Titel eines Textes ein und landet auf mosaikzeitschrift.at. Erstaunlich oft war das heuer (mosaik13 sei Dank) etwas wie "Katzengedicht" oder "Katzenvideos zum Malen". Manches können uns auch wir nicht erklären wie z.B.:

  • "i muas im frühern leben a reblos gwesn sei lyrik"
  • "krebs sei dank", "roman nebenhandlung krebs"
  • "kribbeln rechts neben Bauchnabel"

Und bei manchen Suchbegriffen, die euch zu uns geführt haben, bekommen wir es etwas mit der Angst zu tun:

  • "sarah spreizt ihre nackten schenkel"
  • "onkel fickt tante"

 

facebook, Flickr & issuu

Nochmal rund 15 000 Personen sind auf issuu über das mosaik gestolpert. Noch führt das Advent-mosaik-eBook die Statistik mit der durchschnittlichen Lesezeit an. Auffällig: Polen liegt hier an dritter Stelle. Witam drodzy polskich przyjaciół!

facebook

Grandios ist euer Engagement auf facebook. Am Ende des Jahres folgen uns fast doppelt so viele wie zu Beginn. Und wenn ihr dann auf "gefällt mir" drückt, dann gefällt uns das sehr! Das beliebteste Album war das der Buchpräsentation der edition mosaik (das ist auch auf Flickr so), beliebtestes Foto wohl aber eines von der Lesereise. Aber ihr seid auch mit einfacheren Mitteln zu begeistern.
Beliebteste Themen auf facebook (ihr ahnt es bereits): mosaik16, mosaik14/15, die Lesereise.


Wir danken jeder und jedem von euch für eure Treue und euer Interesse, freuen uns immer über Rückmeldungen, Verbesserungsvorschläge und Kritik und arbeiten bereits an einem spannenden Jahr 2016.


Advent-mosaik IV als eBook und PDF

Cover_ebook_adventmosaikDas Advent-mosaik IV gibt es jetzt auch als Anthologie. Die große Nachlese gibt es als PDF und eBook hier kostenlos zum Download.

Mit Texten von:

Camena Fitz, Claudia Kohlus, Martin Reiter, Ingeborg Kraschl, Luka Leben, Jonas Linnebank, Simona W., Eric Ahrens, Simone Lettner, Marina Büttner, Matthias Engels, Natalia Fastovski, Simone Scharbert, Katie Grosser, Claudia Maria Kraml, Maximilian Michl, Sophie Stroux, Sigune Schnabel, Andreas Schumacher, Gundula Maria von Traunsee, Claudia Wallner, Martin Piekar und Andreas Haider.

Illustrationen von Sarah Oswald.


23 | Andreas Haider

Der Weihnachtsbaum

Dem Wald entrissen,
der lange schon keinen Schnee mehr sah,
ins Wohnzimmer gestellt,
geschmückt mit Glitzerzeug und Kerzen,
und Süßem in Alufolie.

Da steht er nun,
eingeschraubt ins Christbaumkreuz,
quasi gekreuzigt,
so, als ob es zwischen Weihnachten und Karfreitag
einen Zusammenhang gäbe.

Schon brennen die Kerzen,
die Lichter erhellen Raum und Baum.
Und während das Lied ertönt,
weinen die Kerzen ihre Wachstränen.
Oh Tannenbaum, Oh Flammenbaum.

Andreas Haider

Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen.


22 | Martin Piekar

Wintersonnenwende

Weh mir, wo nehm ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
und Schatten der Erde?
(Friedrich Hölderlin)

Amour, Amour
Alle wollen nur dich zähmen
(Rammstein)

In meinem Kopf: Ameisenrennen
Oder Blizzard –  wie du willst
– ziemlich dunkel jedenfalls. Und
Alles um mich herum hat zum Gegenteil
Den Kittel der Jahreszeit so
Abweisend und vertuschend angenommen.
Ich knittere ihn bald. Mit Spuren ins
Weiße, hinein
Ins Caspar David Friedrichsche – tief, tief
Schlafen meine Versuchungen
Und Vermutungen noch. Unter Frösteln.

Mein Herzblut, es ist meine Zeit
Des Erwachens. Aber ich will
Noch gar nicht, nur noch
Ganz kurz… bitte. Ich weiß um meine Furcht. Sie
Gurgelt schon. Jetzt. Lasse ich’s doch
Noch schlummern. Ich steige allein.
Aus dem Höhlengleichnis
Unserer Liebe. Dem Bett.
Mon Amour… Alte Minne.
Verkriech dich, glaub mir.
Verkriech dich vor mir.

Ach Herz. Reife nur, aber
Reif nicht zu viel; es ist Winter-
Sonnenwende: die Schatten fallen
Über ihre Lichter her. Wir sind,
Den ganzen Tag, in heller Nacht umgeben.

Schlaf einfach winters. Wir
Sehen uns wieder.
Schlaf einfach durch.

 

für Benjamin Lebert

bereits veröffentlicht in Bastard Echo (Verlagshaus Berlin, 2014)
Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen.

21 | Claudia Wallner

Ein harter Winter.

Früh
dunkelt mein Tag
sich zum Abend

Lang
verbleiben eisige
Schattennächte

Wo
durchzitterte Lippen
erblaut sind

Sich
da zu erwärmen
fällt schwer

Und
dünne Haut friert
schutzlos dahin

Wo
mehr und mehr
Eiskristalle

wuchern

Weil
nichts mehr da ist
um sie zu

schmelzen.

Claudia Wallner

Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen.


20 | Gundula Maria von Traunstein

Eisverkrustetes Zweiggewirr

Von eisverkrustetem Zweiggewirr
tropft es.
Ich bin gegangen,
hab dich zurückgelassen,
alleine.
Im Schein der Straßenlaterne
steh ich jetzt
und weine.
Von eisverkrustetem Zweiggewirr
tropft es.

Gundula Maria von Traunsee

Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen.


19 | Andreas Schumacher

Hymnen an die Weihnacht

Welcher überarbeitete, feierabendfixierte Familienvater
fürchtet nicht vor allen Verpflichtungen des Kalenderjahres
den – Jesus Maria! – frustrierenden Einkauf der Weihnachtsgeschenke –
mit seinen hieroglyphischen Wunschzetteln und unausgesprochenen Erpressungen,
der heillosen Hektik und Schnäppchenpreisjagd.
Wie ein zwischenmenschliches Wundermittel kittet er
familiäre Spannungen,
mildert Vernachlässigungen,
radiert verletzende Worte.
Seine zuverlässige Erledigung allein
garantiert eine friedvolle Stimmung
am Abend des Herrn.

Einst da ich astronomische Summen verpulverte,
da in ein Nichts sich auflösend meine MasterCard zerbröselte,
in ein phänomenal schwarzes Loch
sich ohnehin längst verflüchtigt hatte mein Kontoguthaben
und ich mit lausig-lächerlichen einhundertsiebenunddreißig Euro in der Tasche
im SATURN stand, einsam wie kein Mensch zuvor,
zahlen nicht konnte und auf Raten finanzieren nicht,
und an den von meinen Geliebten begehrten Warengütern
mit unendlicher Sehnsucht hing,
ein Waschlappen wie kein Mann zuvor,
da besann ich mich eines alten, verbotenen, geheimnisvollen Kunstgriffs –
du, Kleptomanie, Triebabfuhr gelangweilter Aufsichtsratsgattinnen,
kamst über mich, und mit einem Mal
schwand meine kleinkarierte, bürgerliche Rechtschaffenheit.
Zum Staubwölkchen wurde das Preisschild.
Tütenweise mopste ich, und erst seitdem fühle ich
die schwitzende Hand des allmächtigen Vaters.

Wie dumm und überaus unnötig
dünkt mir das ordnungsgemäße Bezahlen der Ware an der Kasse nun –
wie königlich-würdig der Ausgang am Drehkreuz.
Gern will ich die fleißigen Flossen rühren,
überall einstecken, was man grad so braucht,
entfernen die kleinen versteckten Sicherungsetiketten.

Die Kinder werden strahlen,
ich schiebe alles ein.
Ich werde nicht bezahlen
und Superdaddy sein!

Muss denn immer dieser Hansel, der Ladendetektiv, wiederkommen?
Endet nie seine Schicht?
Gottverdammter Motherfucker,
verzehrt den himmlischen Anflug der Weihnacht.
Kann denn nie einfach mal dieses ganze
elektronische Überwachungsdingens ausfallen
und dann am Eingang bitte freundlichst darauf hingewiesen werden?

Längst weiß ich, wann die letzte Bescherung sein wird –
wenn, in Handschellen gelegt, ich einst heimgeführt werde.

So komm ich – mit dem blauen Bus
und leerem Sack – nach Haus am Schluss.

Gnad Gott, dass ich die Schuld begleich’,
umsonst ist nur das Himmelreich.

Andreas Schumacher

Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen.


18 | Sigune Schnabel

Tagschmelze

Du sagtest,
Erinnerungen wachsen im Schatten
zwischen Gesteinsbrocken.
Doch der Gipfel lag karg im Dunst,
die Luft so dünn,
dass sie von der Last der Vögel
zerbrach.

Als wir von Flüssen sprachen,
taute der Schnee in den Grund der Worte,
und deine Haare flatterten
wie Segel.

Ich pflückte das Moos
von deiner Stirn
und ließ es zwischen Felsen liegen.

Lange vor den ersten Flocken
trieben Silben
auf den Wegen
und zerfielen unter den Füßen.

Sigune Schnabel

Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen.