Ausschreibung: Advent-mosaik V

24 Tage | 24 Türchen | 24 AutorInnen | 24 mal Literatur.
Dein perfekter Weg durch die Vorweihnachtszeit.

Heuer schon wieder keine Schokolade. Dafür zum fünften Mal gute Literatur, quer durch. Jeden Tag darfst du auf advent.mosaikzeitschrift.at ein weiteres „Türchen“ aufmachen und Punsch dazu trinken und Schokolade dazu essen.

Damit das funktioniert, brauchen wir aber auch Türchen-Material. Schick uns deine Texte aller Art:

schreib@mosaikzeitschrift.at | Einsendeschluss: 25. November

Inspiration dafür kannst du dir z.B. bei den freiTEXTen oder beim letztjährigen Advent-mosaik holen.

Wir freuen uns auf deine Texte!


freiVERS | Tabea Xenia Magyar

lasst uns automobile kaufen, als würden wir
anderes kaufen.

-

das totale spiel hat seine eigenen regeln
wir können diesen gefühlen nicht mehr entgehen.

-

die struktur, die krabbe und hummer verbindet
hat auch mich letztlich erfasst.

-

wende die handflächen abwärts
alles zu mir und ich zu dir.

-

nach dem ende der jetzigen zeit
wird die vorherige wieder beginnen

-

im theater der gegenwart
lieben bereits unsere ohren.

-

die bestrafung eines unbeteiligten objektes
mitanzusehen ist schrecklich.

-

die verrückte anstrengung das ende
des 19. Jh. zu rekonstruieren.

-

seine gesten, der verschwundene raum
bedeutungsvoller momente.

-

leid, tut mir leid, es geht nicht anders,
zyklische präsenz ist immer nahe gelegen.

-

einfach enthüllt die bibliothek
ihre männer.

-

nach den frauen
müssen wir tiefer

Tabea Xenia Magyar

Tabea ist Teil der 3. Babelsprech-Konferenz in Salzburg 2016

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freiTEXT | Paul Fehm

Misslinge.

Man schweigt vielleicht erst, wenn man sich in den Sand schmiegt, man rührt dann nicht mehr die Zunge, wenn sie zu lange nichts geschmeckt hat als den eigenen Hunger; das lässt sich leicht sagen, mit kleinen Modulationen und verschiedenen Akzenten wiederholen, ob es einen Unterschied macht, es bleibt misslich und wie in den Wind gesprochen.

So lange waren wir schon keine Menschen mehr, als ich meinen Liebling aus den Leichen gezogen hatte, waren wir für alle Zeit etwas anderes geworden und laufen rückwärts seitdem, den Berg von Leibern immer im Blick, als vereinigten sie sich, einmal aus den Augen gelassen, und verfolgten uns mit Riesenschritten gen Westen, der fliehenden Sonne entgegen; wie um nicht einen neuen Tag zu erleben, zerreißt die Sonne uns jeden Morgen über dem Grabhügel die Augen.

Wer einen Raum betritt, der macht den Bückling, wer sich aber verbeugt, meine Damen und Herren, hat die Füße im Rücken, ein Kommen, ein Gehen, ein Stoßen, ein Treiben, der Däumling, der den Finger hebt oder senkt, der über Tod und Leben fabuliert, geht ganz in der Masse auf; am Anfang aber war der Aufseher, der sich auf die Schulter klopft, der die Ströme dirigiert und auf Geheiß hin noch die blutige See teilt.

Selbst die Erde war bald angewidert von uns, wir stanken, wir nährten den allgemeinen Ekel, wo immer wir entlangkamen, der Mensch kein Mensch; auf dem Schiff gingen uns zuerst die Vokale aus, die Konsonanten rauschten dann übers Meer weg, salzverklebte Blicke warfen wir einander zu, als gäbe es Rettung, wo nur das Wasser herrschte und der Wind uns noch die Würde des Gestanks entriss.

Sollen sie sich doch einrollen wie der Engerling, vom Erdboden verschwinden, die sollen den Ball flach, den Kopf unten halten, die Sonne scheint in den Kleingärten immer noch am schönsten, der Maschendraht, die Fahne, Gleise; Unkraut und Ungeziefer weichen, im Notfall dem Frühling mit Beton einen Riegel vorschieben, da ist kein Durchkommen, sollen sie doch hingehen, wo ewig Sommer ist.

Willkommen, jeder an seine Stelle an der Wand, jeder stirbt den eigenen Tod; es ist zu wenig Platz auf der Welt für die himmelhohen Hoffnungen, ihr Ort aber ist das Meer, das Land ohne Morgen; jemand zu sein, musst du dir leisten können, wo ein Blick den Wert taxiert: Nimm die Hand und die Realität beißt dir gleich den Finger ab, mehr kann man wirklich nicht verlangen.

Die Unruhe der kreißenden Erde ließ Findlinge zurück, man schaffte sie rasch weg an den Rand der Straßen, wie Denkmäler, Eindringlinge aus der Urzeit, die an nichts erinnern, aus der Welt ließen sie sich nicht bringen, man verrückte sie unter allerlei Plänen; Fremdlinge blieben sie, undurchdringlich dem Blick, gewaltige Steine des Anstoßes, überflüssig zwar, aber dekorativ.

Gib mir einen sicheren Hafen, die Statur mit der Hand vor den Augen soll die schwankenden Wellen bewachen; schauen wir nach vorne auf die Füße, wenn wir laufen in Reihe mit den Häftlingen, die Kugel auf den Schultern; wir bleiben immer jung, sagen uns die Slogans, vielleicht gibt es ein Recht auf Leben, Pflicht und Privileg aber nicht, sagen die Ungeschorenen.

Paul Fehm

zuerst erschienen auf paulfehm.wordpress.com

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freiVERS | Jan Skudlarek

mit beiden fingern ins nutellaglas

so klapprig gekörpertes. wir als vehikel für ’ne seele? warum auch nicht.'
vor der haustür haben sie einen igel überfahren,

der igelmatsch zieht sich über zwei meter. im kuss sind unsre'
zungen ineinander

verschlungene delfine. einfach die augen schließen
und rein in die haselnussmasse

Jan Skudlarek

Jan ist Teil der 3. Babelsprech-Konferenz in Salzburg 2016

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freiTEXT | Vasillis Varvaridis

ó

es ist unerhört, schön und schrecklich, denn:

1hörner gibt es.

kein- und zweigehörntes ist gemeinhin bekannt, akzeptiert und in einen gewachsenen kreislauf der dinge eingebunden. wir verdrängen [1hörner]. bloß der anschein ihrer existenz verdunkelt den ist-zustandshorizont mit unfassbaren angstwolken: 1 ist nicht wie zwei teilbar, und doch größer als null, wo es ohnehin nichts zu teilen gäbe.

nun ist es ja so, dass das besitzenwollen dominiert. da kommt’s dann halt zu problemen. das resultat ist oft unbefriedigend, weil dann alles durch die schneidezahnmühle kommt und zum kollektiven verdauungsversagen führt.

1hörner werden in so einer antrainierten verzehrwelt zu einer besonderen delikatesse. trotzdem entwickeln nicht viele appetit auf diese fabelwesen oder machen gar jagd darauf. warum nur?

eh klar, [die meisten] glauben nicht oder nur ein bisschen an 1hörner. sie meinen daher, dass so etwas traumhaftes ohnehin nichts sei. sie dümpeln alltagsköstig durch ihr leben und sterben dann langsam an akzeptierter unterforderung und diabetes typ 2. oder der tod überrascht sie sonntags in tragischen unfällen mit minderwertigen rollatoren aus dem aldi-sortiment. mitleid, das möchte man mit denen haben, aber die können dann ja gar nix damit anfangen. die entwickeln dann doch nur mitleidenschaft.

traurig, aber wahr.

[die wenigen], die dann doch bewusst jagd auf 1hörner machen, sind vielleicht gefährlicher:

alleine, listvergessen und ellbogig in der fortbewegung.  sie jagen im dunkel des tages und in den wolkenlosen sternstunden bei halb- oder vollmondschein.

um nicht gestört zu werden – wenn der ellbogen mal nicht auszureichen droht – müssen die wenigen bei den meisten überzeugungsarbeit leisten. „Es gibt keine Einhörner.“, sagen sie dann in verständnisbuhlenden, öligen baritonstimmen und bemühen sich dabei vernunftschwanger zu gebären.

dass müssen die wenigen tun. sie wissen ja, dass sie der überzahl der nichtgläubiger nicht gewachsen sind, und wollen ihre plätze als aufdentischhauer nicht verlieren. das ist: einmal [bumm!] auf den tisch machen und die masse springen lassen. diese wenigen fürchten sich sehr um ihre hochgezüchteten gesichtsmuskeln, weil sie wissen: 1hörner sind nicht nur real, sondern etwas sehr besonderes.

wenn so einer dann mal ein 1horn erjagt, tötet er es nicht wie ein gnädiger jäger (an dieser stelle sollte wieder ins gedächtnis gerufen werden, dass die bestimmung des jagens ja das töten ist). nein, diese jäger sind mehr als bloße jäger. die wahre tortur für das 1horn beginnt dann erst nach der gewaltvollen übernahme . wie das dann konkret ausschaut?

 

entweder 1/

stallhaltung mit regelmäßigen besuchen von nach sensationsgier geifenden helikopterkindern bei unzureichender entmistung. ja, 1hörner machen auch mist! die regenbogenfarbige scheisse steht ihnen in der koppel dann bis zu den knöcheln und die heli-kids glauben dann fest: „wow, das ist freiheit.“

 

oder 2/

die meisten glauben - wie bereits gesagt - ein bisschen an 1hörner. so blind sind die - selbst bei fortgeschrittener diabetes typ 2 -  ja auch nicht!  auch dass wissen die sadojäger. und darum gibt es den zirkus. da führen die baritonstimmen dann stolz die 1hörner vor. die lang anhaltende dressur für das zirkusbusiness bricht jedoch mit der natur, der ésrpit d’1horn verloren. das 1horn entwickelt eine derbe eitelkeit, denkt dass es eben nur ein sehr, sehr schönes pferd ist.

all das wird nur gemacht, damit sich ein 1hornjäger toll vorkommen kann, wenn die meisten dann so rumklatschen im dunkelrotlichtdurchflutenden zelt. sobald sie aus dem zirkusloch raus sind und die neuesten rollator-angebote von aldi zu vergleichen beginnen, vergessen sie die möglichkeit einer 1hornexistenz wieder. „nein, das war nicht wirklich ein 1horn!”, denken dann die meisten. warum? da ist nichts 1horniges mehr dran an dem zirkus1horn. jeder alte gaul auf einer atomar verseuchten weide wirkt natürlicher und strahlt zumindest irgendwas aus.

 

oder schlimmstens 3/die dunkelziffertat

da werden dann 1hörner unterirdisch versteckt. die jagdzunft will ja, dass niemand zu sehr an 1hörner glaubt. es ist auch nicht so ergeilend wie im zirkus, wo sich einige wenige damit brünften, den meisten zeigen zu können dass man ein 1horn gefangen, gebrochen und dressiert hat. nein, 3 ist am schlimmsten für ein 1horn: kellerhaltung und sodomie mit dem jäger.

in den dunklen, in ihrer zahl kaum erfassten kellern zeugen diese ellbogenfaschos gewaltvoll kinder mit 1hörnern. die daraus resultierenden zentauren können nicht – wie ihre in der natur vorkommenden artgenossen – der menschheit hilfreich zur seite stehen und beispielsweise etwa intervenieren, wenn sich zwei kinder um ein matchboxauto streiten.

das ist sehr traurig.
das ganze verlorene potential.

was ist da noch licht?

eins, zwei oder drei.
so eine scheisse

ist

jäger

ei!

 

wegen dieser unnötigen dauerbehetzung kam es schon zu traurigen zwischenfällen mit noch sehr natürlichen 1hörnern in der freien wildbahn. die lokalmedien verschweigen die zahlreichen übergriffe, wenn diese armen wunderwesen wieder mal über nichtsahnende wanderer herfallen herrscht stille. wenn alles krieg ist, gehen 1hörner zum angriff über. warum hören und sehen wir nichts davon?  aufgespießte herzen und eingeweide machen sich nie gut in den schlagzeilen. dabei ist den 1hörnern das eine horn evolutionsbedingt nur dafür gewachsen, damit sie sich gemütlich an ihrem allerwertesten 1hornpopo kratzen und das leben genießen können. wer kennt das nicht?

reiz.
reaktion.
stillung.
besser.

das ist alles kein zauberr und das leben ist an sich sehr einfach. 1hörner könnten uns daran erinnern, weil sie furchtbar kuschelig sind und gut zuhören können. ihre ratschläge sind weise, jedoch meist zu schwer verständlich. 1hörner sind wie alle schönen dinge: sie gehören sich selbst und sind erst dadurch für alle da. und darum plädiere ich: „artgerecht ist nur die freiheit.“
die muss aber heute organisiert werden, sonst ist es keine freiheit zur entfaltung.
das ist nämlich die beste.

für diese weltanschauung – und das privileg künftig täglich vierblättrige kleeblätter zu kauen – werde ich als kommunistischer veganer zu jeder waffe der welt greifen.

P.S.: In Wirklichkeit gibt es Einhörner nicht.

Vasillis Varvaridis

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Literatur ist Wissen! - das mosaik bei den Wissenstagen 2016

Wissenstage in der Wissensstadt Salzburg - und das mosaik ist mittendrin! An zwei Tagen präsentieren wir die Vielfalt literarischen Wissens und Kreativität.

Der Ort: AREAlab, Lasserstraße 10, Salzburg

>> zum vollständigen Programm der Wissenstage

 

unser Programm für euch

Fr, 4.11., 9:00: Local Heroes

Lesung und Gespräch mit Lisa Viktoria Niederberger und Marko Dinic

Niederberger_Dinic

Lisa Viktoria Niederberger

Die Salzburger Autorin Lisa Viktoria Niederberger vermag es mit ihrer an die Umgangssprache angelehnten Texte nahe an der Realität zu bleiben und die Erzählungen nacherlebbar zu machen.

Marko Dinic

Geboren 1988 in Wien, von da an unstetes Leben pendelnd zwischen Beograd, Stuttgart, München, Salzburg und Berlin, seit 2008 Studium in Salzburg. Veröffentlichungen in Literaturzeitschriften, seit 2009 Veranstalter der unabhängigen Lesereihe KulturKeule und aktives Mitglied des Kunstkollektivs Bureau du Grand Mot.

>> Sei dabei!

 


Fr, 4.11., 10:00-18:00 // Sa, 5.11., 10:00-19:00
Leselounge mit allen Ausgaben des mosaik inkl. mosaik21 und roll



Sa, 5.11., 19:00: mosaik setzt über

Lesung und Gespräch mit Tobias Roth und Marko Dinic

Roth_Dinic

Tobias Roth (Berlin) und Marko Dinic (Salzburg) lesen und diskutieren übersetzte Texte und das Übersetzen aus und in andere Sprachen zum Abschluss des Festivals.

Das mosaik bemüht sich um die Förderung der Übersetzungstätigkeit fremdsprachiger Texte ins Deutsche und vice versa. Die Praxis des Übersetzens sehen wir als Wissenstransfer - geographisch, chronologisch, politisch, soziokulturell, usw. Startschuss dafür war mosaik19 – BABEL: Mehrere längerfristig angelegte Übersetzungstätigkeiten in unterschiedliche Sprachen (Italienisch, Russisch, Bulgarisch, …) nahmen hier ihren Anfang und werden sich über die nächsten Ausgaben bis 2017 zu ersten Buchpublikationen entwickeln.

Marko Dinic

beschäftigt sich in vielen seiner Texte mit dem Transfer von Sprache und Wissen zwischen seinen beiden (sprachlichen) Heimaten, der Deutschen wie der Serbischen. In seinem Romanmanuskript „Als nach Milosevic das Wasser kam“ (Arbeitstitel) setzt er sich intensiv mit der Frage der Schuld und der Aufarbeitung der Jugoslawienkriege auseinander.

Tobias Roth

widmete sich u.a. Giovanni Gioviano Pontano (1429-1503), einem der wichtigsten Autoren der italienischen Renaissance. Die Gedichtsammlung „Baiae“ (Herbst 2016, Verlagshaus Berlin) ist einen Brückenschlag in eine chronotopische Region, mit einem der paradigmatischen europäischen Schübe von Wissensproduktion und Wissensanhäufung - die italienische Renaissance. In der Beschreibung bestimmer Koventionen der therapeutischen Praxis verbindet sich die Ästhetik der Textoberfläche mit dem in die Texte eingespeicherten Wissen.

>> Sei dabei!

50 000 Wörter stressen mich her, oder: WTF ist NaNoWriMo?!

Auf mosaikzeitschrift.at präsentieren wir in den kommenden Wochen einen Live-Versuch von Lisa Viktoria Niederberger den inneren Schweinehund zu überwinden und bei einem der größten Schreibprojekte der Welt teilzunehmen. Es geht um einen Monat. Es geht um das Schreiben.

"Also, wenn ihr im nächsten Monat im Kaffeehaus eine Irre mit Augenringen seht, die drei Stunden lang nur Soda Zitron und Espresso trinkt, währenddessen regelmäßig den Laptop anschreit oder Selbstgespräche führt, nur um ihn dann wahrscheinlich gefrustet zuzuschmeißen und sich Spritzer und Kuchen bestellt  - das bin dann ich."

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Was?

Im Jahr 1999 hat ein gewisser Chris Bathy in Amerika ein sogenanntes „ kreatives Schreibprojekt“ ins Leben gerufen, dessen Ziel es war – und noch immer ist – in einem Monat einen Roman mit mindestens 50.000 Wörtern zu schreiben. Was damals als Aktion in seinem Freundeskreis gedacht war, nennt sich heute NaNoWriMo – also National Novel Writing Month – und hat von Jahr zu Jahr mehr Teilnehmer. Weltweit dürften es mittlerweile hundertausende Menschen sein, die sich den wahrscheinlich scheußlichen Monat des Jahres aussuchen um ihre gesamte Freizeit der Schriftstellerei zu widmen. Es gibt dazu etliche Facebookgruppen und sonstige Online-Communities, wo man sich mit anderen Autoren vernetzen kann und über Schreibblockaden und ähnliches Austauschen kann. (Und mit seiner und mit seiner unglaublichen Produktivität angeben! Dazu kann man stehen, wie man will.) Außerdem gibt’s dann immer Spendenaktionen mit deren Erlös bisher zum Beispiel Bibliotheken in Laos oder Kambodscha gebaut worden sind.

Mehr über das ganze Konzept kann man hier oder hier nachlesen.

Die Grundidee ist aber seit den Neunzigern dieselbe geblieben: Der NaNoWriMo soll Autoren – egal, ob es sich dabei um professionell publizierte Schriftsteller oder Hausfrauen handelt, die zum puren Vergnügen semi-sadomasochistische Werwolfromane veröffentlichen, handelt – dazu animieren, jegliche Hemmungen zu verlieren und einfach drauf loszuschreiben. Auch vielleicht in dem Bewusstsein, dass es natürlich in so kurzer Zeit bzw. bei dem geplanten Umfang nicht (oder zumindest unglaublich schwer!) möglich ist, qualitativ hochwertige Literatur (was auch immer das heißen mag, überlasse ich den Literaturwissenschaftlern) zu produzieren.

"die wichtigsten Schreibaccessoires: Schokolade, stangenweise Zigaretten und endlich wieder eine Kaffeemaschine."

Die Selbstzweifel über die Qualität der verfassten Texte, die Ängste vor dem leeren Blatt, oder davor, den berühmten Flow zu verlieren, kennt nicht nur jeder Autor, sondern auch jeder, der einmal eine Seminararbeit oder Geburtstagskarte an einen entfernten Verwandten verfassen musste.

Der NaNoWriMo glaubt, die Lösung für dieses Problem gefunden zu haben – und ich stelle mich diesem November dem Selbstversuch.

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Wieso?

Ich gehöre zu diesen unzähligen Menschen, die ihre Kindheit (und ganz ehrlich, auch die halbe Zeit meines sogenannten Erwachsenlebenleben) mit dem Kopf in Büchern verbracht hat. Ich bin eine, die rgendwann mal beschlossen hat, Germanistik zu studieren, weil ich gerne lese und gerne schreibe, und dann auch irgendwann wieder beschlossen hat, das mit der Germanistik wieder zu lassen, weil es mir die Lust am Lesen und am Schreiben ordentlich versaut hat.

"Weil ich glaube, dass mehr schreiben eigentlich immer geht..."

Seit dem wird hemmungsloser gelesen und geschrieben, mal da und dort publiziert und sich mit Jobs, die mit der ganzen Literaturgeschichte ein bisschen was zu tun haben (Stichwort: erostepost, Literaturhaus), oder zumindest immer als herrliche Inspirationsquelle herhalten (Stichwort: Barkeeperin), bei Laune gehalten und mal mehr oder weniger fleißig geschrieben.

Ich nehme mir jetzt vor, mich diesen November vollkommen dem NaNoWriMo hinzugeben und rauszuhauen, was die Tastatur hergibt. Weil ich glaube, dass mehr schreiben eigentlich immer geht, weil es da viele Ideen gibt, aus denen ich schön länger was machen möchte. Und ich trotzdem hin und wieder eine echt faule Sau bin, die den Druck – den ich mir vom NaNoWriMo verspreche, vielleicht brauchen könnte. Wenn ich mir danach eine etwas geregelte Arbeitsmethode beibehalten könnte, wäre das natürlich ideal.

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Was?

Auf meiner Festplatte gammelt seit über einem Jahr ein Romanfragment herum, das ich eigentlich sehr mag. Die Arbeit daran habe ich aus vielen Gründen eingestellt: inhaltliche Ungereimtheiten,  Zeitmangel und ganz einfach auch, die Angst vor so einem großen Projekt. Ich schreibe eigentlich ausschließlich Kurzprosa. Bei allem, was länger als 15 Seiten ist, verlasse ich eindeutig meine Komfortzone. Auch das möchte ich im November ändern und deswegen die Arbeit an dieser stillgelegten Geschichte wieder aufnehmen. Zur Auflockerung sollen dazwischen aber sehr wohl auch kürzere Texte entstehen. Um auf die geplanten 50.000 Wörter zu kommen, sollte man ca. 1600 Wörter am Tag schreiben. Das sind bei mir ca. fünf Wordseiten und je nach Inspiration und Motivation ein Zeitaufwand von zwei bis fünf Stunden. Hilfe!

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Wie?

Ich habe mir fest vorgenommen, bevor der November beginnt, mein Romanfragment noch einmal durchzuarbeiten, damit ich da eine bessere Basis habe. Mir vielleicht noch weitere Gedanken zu Personen, Handlungssträngen, Schauplätzen etc. zu machen und vor allem, die wichtigste Frage zu klären: Wie komme ich von dem, was ich jetzt habe, dahin, wo ich hin will?! (Klingt gerade sehr utopisch, aber man kann es ja probieren).

"Ich mag es, eine leichte Geräuschkulisse um mich herum zu haben, mir keine Gedanken über die Musik machen zu müssen, die ich dazu hören möchte und nicht selber aufstehen zu müssen um sinnlose Schreibzeit mit Kochen oder Getränkeholen verbringen zu müssen"

Stichworte oder notwendige Recherchen für Kurzgeschichten vorher schon zu erledigen wäre auch noch der Plan. Genauso wie Hamsterkäufe was die wichtigsten Schreibaccessoires betrifft: Schokolade, stangenweise Zigaretten und endlich wieder eine Kaffeemaschine.

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Wo?

Ich bin eine Kaffeehaus und Beislschreiberin. Immer schon gewesen. Ich mag es, eine leichte Geräuschkulisse um mich herum zu haben, mir keine Gedanken über die Musik machen zu müssen, die ich dazu hören möchte und nicht selber aufstehen zu müssen um sinnlose Schreibzeit mit Kochen oder Getränkeholen verbringen zu müssen. Außerdem hilft mir das Schreiben in der Öffentlichkeit, nicht alles sofort hinzuschmeißen, wenn ich mal hänge. Zuhause würde ich dann vielleicht einfach Wäsche waschen, mir sinnloses Zeug auf youtube ansehen oder schlafen gehen. Das geht in einem Lokal halt alles schwerer. Außerdem muss ich beim Schreiben immer unglaublich viel Rauchen und ich mag es nicht, wenns in meiner Wohnung so stinkt. Daheim geschrieben, wird nur, wenn zu wenig Zeit ist, um irgendwo rauszugehen oder das Wetter echt scheiße ist. Dafür ist dann die Schokolade.

über das Schreiben sprach Lisa auch im Kreativraum...

und außerdem?

Wie es mir mit meiner NaNoWriMo Erfahrung geht, wird jetzt das nächste Monat lang einmal wöchentlich hier im Tagebuchstil dokumentiert.

Also, wenn ihr im nächsten Monat im Kaffeehaus (Grundvoraussetzung: Raucher, W-Lan und Streckdosen!) eine Irre mit Augenringen seht, die drei Stunden lang nur Soda Zitron und Espresso trinkt, währenddessen regelmäßig den Laptop anschreit oder Selbstgespräche führt, nur um ihn dann wahrscheinlich gefrustet zuzuschmeißen und sich Spritzer und Kuchen bestellt  - das bin dann ich.

Lisa Viktoria Niederberger

Niederberger (2)

Lisa Viktoria Niederberger, geboren 1988 in Linz, lebt und arbeitet in Salzburg. 2014 gewann sie den Wettbewerb „Wir lesen uns die Münder wund“ und veröffentlichte ihren Text „Die Kunst des Eischlofns“ in „X“, der Kurzprosaanthologie des mosaik. Veröffentlichungen in diversen Zeitschriften und Anthologien.


freiVERS | Niklas L. Niskate

ewenken

gespensterjagd. treibnetze
wie subjekt. objekt. verwirrung
auf seiten der gegend
projektionen.

dein begriff setzt den fall zur falle

schaffst du den regen heute noch?
oder bekümmert das jemand anderes?
ach, funktionsradien. weite
überschaubare flächen

lügner. immer auf bewährung ich
möchte die namen vertauschen

und bomben in den identitätspool

den identitätstod runterladen
heißt sich die scheiße
aus dem kleid zu häuten, hase.

wer verliert ist
immer gewinner
beziehungsweise

Niklas L. Niskate

Niklas ist Teil der 3. Babelsprech-Konferenz in Salzburg 2016

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Ausschreibung: freiTEXT x 100

Der freiTEXT wird 100!

Am 11. November veröffentlichen wir den hundertsten freiTEXT. Seit wir vor etwas mehr als zwei Jahren damit begonnen haben, verorgten wir euch fast wöchentlich mit neuester Prosa von über 90 verschiedenen Autor*innen.

Jetzt geht es Schlag auf Schlag und schon ist der hundertste freiTEXT da. Wir suchen Texte zum Thema

  • hundert
  • C
  • 1100100
  • 2²x5²
  • Summe der ersten neun Primzahlen
  • Bereich zwischen 99 und 101
  • Fermium
  • ...

Und wir suchen diese Texte bis zum So, 6.11. 12:00

Einsendungen von Prosatexten an: schreib@mosaikzeitschrift.at

 

Alles klar? Wenn nicht: >> FAQ << oder Mail

 

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freiTEXT | Rochus Gratzfeld

Strandbad

der dicke pöbelt herum. in Österreich, ja in Österreich, in seinem Österreich, da sei alles besser. und seine frau hat schon lange verlernt, zu denken. stimmt zu oder schweigt nichtzustimmend zustimmend. würde sie denken, müsste sie ihm wider-sprechen. würde sie ihm widersprechen, bekäme die dumme fotze eins auf die goschen. so kann ER weiterpöbeln. impotent in hirn und hoden. aber Österreicher. bier können sie hier auch nicht daher noch eine halbe gösser und rot im gesicht und pöbelt weiter. witze, die keine sind und ein unverhohlen offener blick auf badebrüste da waren die girls damals in thailand egal erinnerungen ohne substanz auf der skipiste eines substanzlosen lebens die achtung vor sich selbst und anderen verloren und der alte milliardär, ja, der hats zu was gebracht. ist eben alles käuflich. auch die moral und eben Österreich. der kioskstrandbad bietet haxe mit erdäpfelsalat dazu eine halbe gösser pauschal 1200 forinth. der kopf wird roter noch und tarnt die braune gesinnung. ich bin geneigt, die rettung zu rufen, doch wen soll die retten? gehe statt dessen ins lauwarmeerfrischendewasser. schaue in die luft, wo die hitze die wolken wieder einmal verbrannt hat und sehe dinge, die der dicke noch nie gesehen hat und nie sehen wird. dafür hadert er mit den hungarogelsen. gäbe es in österreich NICHT hätten wir längst aber die sind ja zu blöd. schmatzt. fett rinnt die backen herunter bier tropft aufs hemd noch eine halbe und scheiss drauf.

Rochus Gratzfeld

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