Advent-mosaik IV als eBook und PDF
27. Dezember 2015Andreas Haider,Gundula Maria von Traunsee,Ingeborg Kraschl,Jonas Linnebank,Marina Büttner,Martin Piekar,Matthias Engels,Natalia Fastovski,Sarah Oswald,Simone Lettner,Simone Scharbert,Claudia Wallner,Camena Fitz,Katie Grosser,Sigune Schnabel,Andreas Schumacher,Claudia Kohlus,Martin Reiter,Luka Leben,Eric Ahrens,Maximilian Michl,Sophie Stroux,Simona W.,Claudia Maria Kraml,Advent-mosaik IV,Advent-mosaikLiteratur
Das Advent-mosaik IV gibt es jetzt auch als Anthologie. Die große Nachlese gibt es als PDF und eBook hier kostenlos zum Download.
Mit Texten von:
Camena Fitz, Claudia Kohlus, Martin Reiter, Ingeborg Kraschl, Luka Leben, Jonas Linnebank, Simona W., Eric Ahrens, Simone Lettner, Marina Büttner, Matthias Engels, Natalia Fastovski, Simone Scharbert, Katie Grosser, Claudia Maria Kraml, Maximilian Michl, Sophie Stroux, Sigune Schnabel, Andreas Schumacher, Gundula Maria von Traunsee, Claudia Wallner, Martin Piekar und Andreas Haider.
Illustrationen von Sarah Oswald.
23 | Andreas Haider
23. Dezember 2015Lyrik,Andreas HaiderLiteratur
Der Weihnachtsbaum
Dem Wald entrissen,
der lange schon keinen Schnee mehr sah,
ins Wohnzimmer gestellt,
geschmückt mit Glitzerzeug und Kerzen,
und Süßem in Alufolie.
Da steht er nun,
eingeschraubt ins Christbaumkreuz,
quasi gekreuzigt,
so, als ob es zwischen Weihnachten und Karfreitag
einen Zusammenhang gäbe.
Schon brennen die Kerzen,
die Lichter erhellen Raum und Baum.
Und während das Lied ertönt,
weinen die Kerzen ihre Wachstränen.
Oh Tannenbaum, Oh Flammenbaum.
Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen.
22 | Martin Piekar
22. Dezember 2015Lyrik,Martin PiekarLiteratur
Wintersonnenwende
Weh mir, wo nehm ich, wenn
Es Winter ist, die Blumen, und wo
Den Sonnenschein,
und Schatten der Erde?
(Friedrich Hölderlin)
Amour, Amour
Alle wollen nur dich zähmen
(Rammstein)
In meinem Kopf: Ameisenrennen
Oder Blizzard – wie du willst
– ziemlich dunkel jedenfalls. Und
Alles um mich herum hat zum Gegenteil
Den Kittel der Jahreszeit so
Abweisend und vertuschend angenommen.
Ich knittere ihn bald. Mit Spuren ins
Weiße, hinein
Ins Caspar David Friedrichsche – tief, tief
Schlafen meine Versuchungen
Und Vermutungen noch. Unter Frösteln.
Mein Herzblut, es ist meine Zeit
Des Erwachens. Aber ich will
Noch gar nicht, nur noch
Ganz kurz… bitte. Ich weiß um meine Furcht. Sie
Gurgelt schon. Jetzt. Lasse ich’s doch
Noch schlummern. Ich steige allein.
Aus dem Höhlengleichnis
Unserer Liebe. Dem Bett.
Mon Amour… Alte Minne.
Verkriech dich, glaub mir.
Verkriech dich vor mir.
Ach Herz. Reife nur, aber
Reif nicht zu viel; es ist Winter-
Sonnenwende: die Schatten fallen
Über ihre Lichter her. Wir sind,
Den ganzen Tag, in heller Nacht umgeben.
Schlaf einfach winters. Wir
Sehen uns wieder.
Schlaf einfach durch.
für Benjamin Lebert
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen.
21 | Claudia Wallner
21. Dezember 2015Lyrik,Claudia WallnerLiteratur
Ein harter Winter.
Früh
dunkelt mein Tag
sich zum Abend
Lang
verbleiben eisige
Schattennächte
Wo
durchzitterte Lippen
erblaut sind
Sich
da zu erwärmen
fällt schwer
Und
dünne Haut friert
schutzlos dahin
Wo
mehr und mehr
Eiskristalle
wuchern
Weil
nichts mehr da ist
um sie zu
schmelzen.
Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen.
20 | Gundula Maria von Traunstein
20. Dezember 2015Lyrik,Gundula Maria von TraunseeLiteratur
Eisverkrustetes Zweiggewirr
Von eisverkrustetem Zweiggewirr
tropft es.
Ich bin gegangen,
hab dich zurückgelassen,
alleine.
Im Schein der Straßenlaterne
steh ich jetzt
und weine.
Von eisverkrustetem Zweiggewirr
tropft es.
Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen.
19 | Andreas Schumacher
19. Dezember 2015Lyrik,Andreas SchumacherLiteratur
Hymnen an die Weihnacht
Welcher überarbeitete, feierabendfixierte Familienvater
fürchtet nicht vor allen Verpflichtungen des Kalenderjahres
den – Jesus Maria! – frustrierenden Einkauf der Weihnachtsgeschenke –
mit seinen hieroglyphischen Wunschzetteln und unausgesprochenen Erpressungen,
der heillosen Hektik und Schnäppchenpreisjagd.
Wie ein zwischenmenschliches Wundermittel kittet er
familiäre Spannungen,
mildert Vernachlässigungen,
radiert verletzende Worte.
Seine zuverlässige Erledigung allein
garantiert eine friedvolle Stimmung
am Abend des Herrn.
Einst da ich astronomische Summen verpulverte,
da in ein Nichts sich auflösend meine MasterCard zerbröselte,
in ein phänomenal schwarzes Loch
sich ohnehin längst verflüchtigt hatte mein Kontoguthaben
und ich mit lausig-lächerlichen einhundertsiebenunddreißig Euro in der Tasche
im SATURN stand, einsam wie kein Mensch zuvor,
zahlen nicht konnte und auf Raten finanzieren nicht,
und an den von meinen Geliebten begehrten Warengütern
mit unendlicher Sehnsucht hing,
ein Waschlappen wie kein Mann zuvor,
da besann ich mich eines alten, verbotenen, geheimnisvollen Kunstgriffs –
du, Kleptomanie, Triebabfuhr gelangweilter Aufsichtsratsgattinnen,
kamst über mich, und mit einem Mal
schwand meine kleinkarierte, bürgerliche Rechtschaffenheit.
Zum Staubwölkchen wurde das Preisschild.
Tütenweise mopste ich, und erst seitdem fühle ich
die schwitzende Hand des allmächtigen Vaters.
Wie dumm und überaus unnötig
dünkt mir das ordnungsgemäße Bezahlen der Ware an der Kasse nun –
wie königlich-würdig der Ausgang am Drehkreuz.
Gern will ich die fleißigen Flossen rühren,
überall einstecken, was man grad so braucht,
entfernen die kleinen versteckten Sicherungsetiketten.
Die Kinder werden strahlen,
ich schiebe alles ein.
Ich werde nicht bezahlen
und Superdaddy sein!
Muss denn immer dieser Hansel, der Ladendetektiv, wiederkommen?
Endet nie seine Schicht?
Gottverdammter Motherfucker,
verzehrt den himmlischen Anflug der Weihnacht.
Kann denn nie einfach mal dieses ganze
elektronische Überwachungsdingens ausfallen
und dann am Eingang bitte freundlichst darauf hingewiesen werden?
Längst weiß ich, wann die letzte Bescherung sein wird –
wenn, in Handschellen gelegt, ich einst heimgeführt werde.
So komm ich – mit dem blauen Bus
und leerem Sack – nach Haus am Schluss.
Gnad Gott, dass ich die Schuld begleich’,
umsonst ist nur das Himmelreich.
Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen.
18 | Sigune Schnabel
18. Dezember 2015Lyrik,Sigune SchnabelLiteratur
Tagschmelze
Du sagtest,
Erinnerungen wachsen im Schatten
zwischen Gesteinsbrocken.
Doch der Gipfel lag karg im Dunst,
die Luft so dünn,
dass sie von der Last der Vögel
zerbrach.
Als wir von Flüssen sprachen,
taute der Schnee in den Grund der Worte,
und deine Haare flatterten
wie Segel.
Ich pflückte das Moos
von deiner Stirn
und ließ es zwischen Felsen liegen.
Lange vor den ersten Flocken
trieben Silben
auf den Wegen
und zerfielen unter den Füßen.
Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen.
17 | Sophie Stroux
17. Dezember 2015Prosa,Sophie StrouxLiteratur
eMMa
Sie sitzt auf dem Fensterbrett mit grünem Rahmen und malt mit schnellen, weiten Strichen auf Papier. Ihre Hände sind schon schwarz und ein paar Punkte haben sich auf ihr Gesicht verirrt. Ihr rotes Haar steht wirr ab, ihr grüner Blick rennt den Pinselschwüngen hinterher. Sie sieht schön aus in dem bunten Licht mit ihren leuchtenden Haaren und mit dieser Ruhe.
Ich sitze ihr gegenüber und bewundere ihre spitze Nase und die Haare, die immer noch ein wenig nach einer Katzenspiegelung aussehen. Der Moment ist fast ein Bild, vielleicht von Rembrandt, schnelle Pinselstriche und trotzdem ruhig.
„Sind wir bald da?“, fragt sie auf dem Weg zu einer Party und ich blicke ihr hinterher wie sie vor mir verschwindet.
„Wir sind zu früh.“, sage ich langsam, aber sie hört nicht. Ich will mich nicht hetzen lassen, will den Moment genießen, bleibe vor einem Schaufenster voller Bücher, die Neuerscheinungen dieses Monats, betrachte, wie sie farblich sortiert zu einer Pyramide aufgestellt sind, verliere mich in dem Bild, und finde mich auf der Spitze der Pyramide wieder wie ich mich bereit mache, auf ihr herunter zu rutschen.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen.
16 | Maximilian Michl
16. Dezember 2015Lyrik,Maximilian MichlLiteratur
Darstellung gemeinsamer Topologie (geometrisch, mäandrierend)
Wenn du ziehst
dann geb ich Druck
sanft, folgend deinem Weichen
Das, was du willst
wollt’ ich bereits
umriss schon erste Zeichen
Wenn wir wo sind
sind wir ein Tanz
umkreisen gemeinsam
Weil wir wer sind
sind wir sonst einzeln
alleine, nicht einsam
Dann, wenn mein Kreis
den deinen deckt
in filigranster Passung
Trinke ich gierig
aus dir Kraft
und geb dir dafür Fassung
Du lässt dich
setzen, fassen
uns: klinken ineinander
Ich: berste schier vor Kraft
wir: waren Kreis,
werden Mäander
Deine Facetten brechen Licht
umgeben dich mit Funkeln
nur
neben dir
bin ich bei mir
Ich möchte, dass wir schunkeln
Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen.
15 | Claudia Maria Kraml
15. Dezember 2015Lyrik,Claudia KramlLiteratur
zwischenstation
stummes wispern ferner zeiten
allegorie dem raureif gleich
lässt zurück des frühlings leiden
das neuer namen kenntnis weicht
alte lettern voll der mären
erwachend hoffnung leicht zerspringt
aufenthalt nicht um zu währen
kälte bald durch rückgrat dringt
wo der winterwind mit flocken
blasse straßen nachts durchfährt
und zerreißend hell der glocken
luftbotschaft einlass begehrt
und engelsschwert geformt aus stahl
vor des trubels froher schar
erdolcht der grenzen flieh’nde qual
rettet zukunft übers jahr
funkelnd blick wie kieselsteine
bleibt in traumes mut besteh’n
geflüstert wort es ist das meine
verweile doch du warst so schön
Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen.