freiVERS | Matthias Engels

durch die wand

du sagst: Herrgottnochmal
der sommer war sehr klein
und der herbst nicht mehr
lassen wir den winter nicht rein
und hoffen dass er draußen
nichts anstellt

du sagst man sieht
der dunkelheit nicht ihr alter an
und keiner kennt den namen
den der schwarze vogel gerade tanzt
du knipst den raum aus
um uns
die bäume die häuser
das rauschen

du sagst: ich bin ein freies land
klickst den wässrigen mond weg
und jeden einzelnen
immer wieder aufpoppenden stern
wir kippen das mondtrübe wasser weg
und trinken schwarzen wein
blinkenden blickes steht
mein sehkrankes auge
auf stand by

du sagst:
dein traum muss durch die wand
durch das loch das geformt ist
wie die wirklichkeit du sagst:
die besten gedichte sind immer jene
die man sofort wieder vergessen kann

Matthias Engels

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freiVERS | Marlene Gölz

es fließt 

alles zusammen 

genommen

sind die 

archive des selbst

eine inbesitznahme

einzelner aspekte

von punk

Marlene Gölz

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freiVERS | Caroline Danneil

die jungen mädchen blühen wieder

kämmend eine der anderen haar.
in langen strichen,
bekränzend den hals mit tüchern,
mit nachdruck, mit wippen.
fransen wie blätter, oder zünglein
von gestern, nachtropfend -
gerede der schwester.

in einer Eingangshalle - hockeyschläger,
lauschend. haltend die wände
statt sträuße von jungen männern.
arme sich umarmend sorglich
ihrer selbst. halbsicher des wegs.
wie federn im fallen aus höhe
gezogen - halb so gewolltes.

zur sonne reckt sich stunden später
ihr fleisch. die jeans in kniegegend
aufgeplatzt wie behütete knospen.
was erzählen sie der neuen wärme vom winter?
was vom alleinsein? in einer whatsapp im vertrauen.
meine erinnerung - überwinternd &
gierig zu platzen, schickt sich als erste zum züngeln.

Caroline Danneil

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freiVERS | Anne Büttner

legitimierter Ungehorsam

Lass uns das Weil sein - und das Trotzdem auch.
Lass uns das Aber sein und alles danach.
Lass uns vom Plusquamperfekt nur perfekt gewesen sein. Jederzeit, immerzu - einfach nur perfekt.
Lass uns unser Präsens auch in Futur denken: und zwar in Futur II, dem Futurum exactum. Futurum simplex ist zu vage für uns.
Lass uns all uns're Konjunktive im Indikativ buchstabieren.
Lass uns nichts zwischen uns akzeptieren -
außer einem Und.
Lass uns nicht Hyperbel sein - sondern ganz selbstverständlich die Steigerung von Superlativ.
Lass uns einsilbig bleiben - und damit trennungssicher.
Lass uns das Leerzeichen streichen und uns in Klammern wohnen.
Lass uns beweisen, dass lieben kein schwaches Verb sein kann!

Anne Büttner

www.anne-buettner.de

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freiVERS | Kerstin Fischer

Weiße Gedichte

Die Krise ist eine Metropole. In ihre Berechnung fällt blauer Schnee.
Zurück bleibt das Tauwasser auf den Gleisen. Die Schimmel der Ängste trinken davon. Zeitnah. Dann fliehen sie mondsüchtig über die Weiden.
Ich kämme den Rest der Stadt mit meinen Blicken. Durch ihn läuft mein Tropfen Zeit,
bevor er sein Meer erreicht.
Die gläsernen Fassaden der Bürohäuser spiegeln dazu die vertanen Möglichkeiten.
Menschensilhouetten bespielen den Raum. In den Händen Jahrgangssekt.
Ich bleibe in Ufernähe, bei den jungen Hunden.
Sie schlagen ihre Zähne in die Wolken. Die Gedichte sind weiß an diesem Morgen.

Kerstin Fischer

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Kerstin Fischer


freiVERS | Sascha Klein

dichter im wald

 

I.

vielleicht so:
raus ins grüne
familien unter artenschutz
die treuen rehe. noch ein sicheres motiv
ein männlein steht im walde
a poet could not but be gay
wo die bienen und die blumen
knospen selbst im giersch die preise
and then my heart with pleasure fills
in endlosen variationen:
der wald ist voller menschen
schlaue füchse, böse wölfe
umarmte bäume, wilde rosen
sah ein knab ein röslein stehen
and dances with the daffodills

 

II.

oder so:
den 20. ging lenz durch’s gebirg
das gemüt auf sommerfrische tragen
gallige gestrüppe lichten
weltenschmerz im
wanderschritt abtauen
seelensümpfe in den
mooren trockenlegen
das weite all hineingesogen
eine lust die wehe tat
im überdruss urbaner ränke
sich um morsche äste schlingen
spiegeln sich bekannte fratzen
zwischen paranoiaknistern
hallt der wahn in versen
durch die grüne hölle

 

III.

oder doch ganz anders:
über allen gipfeln ist ruh
taschenlampen kegeln
die kamera sucht schon
das knusperhäuschen
in allen wipfeln spürest du:
die karte kennt keine legende
vom werwolf keine rede
wer sich schon verlaufen
saugt aus harten rinden
schauernde geschichten
kaum ein hauch
umstellt von augenpaaren
warte nur im finsterwalde
erwartet dich der letzte schrei

Sascha Klein

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freiVERS | Jürgen Weißleder

vielMEHR

Viel näher zu dir
könnt’ ich ja nicht kommen
mein Herz flaggt auf Halbmast
bist Du nicht bei mir
ich fühl mich nur halb wohl
wenn ich Dir nicht schreibe
mein Ego hat Freigang
und ich werd labil.

Mein Himmel scheint unblau
mein Hafen friert ein
der Schlaf kommt in Stücken
bist Du nicht präsent
der Tag hat kein Merkmal
sein Bruder kein Gesicht
wenn Du lange weg bist
fällt auf meine Hand Schnee.

Viel näher zu Dir
doch niemals ganz da
hab die Reime beurlaubt
etwas „leider“ gebucht
lock’ die Wolke ins Abseits
geb’ ihr diesen Text mit
warte an Deinem Bootsteg
dass die Winde sich dreh’n.

Jürgen Weißleder

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freiVERS | Martina Onyegbula

Inkompatibel

jäh Resonazkerne in Zorneshitze gepalten
schongleich zäh Bittersubstanzen erkalten
Herzkarambolagen so unzählige Überstanden
dazwischen weiter Vakuumzellen erschaffen

Siedepunktüberschreitungen wir kondensieren
konstant uns Haut und Herzschichten erodieren
Evolutionsellipsen durch die Jahresquadranten
im Zwölferrhythmus Restsymmetrien entschwanden

chronische Auflösung jedweder Lebenskonvergenzen
launenhaft bleiben affektive Turbulenztendenzen
verflüchtigt und am Nullpunkt aller Wendepunkttoleranzen
wir letztlich doch inkompatible Herzseelensubstanzend

Martina Onyegbula

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freiVERS | Sabine Schönfellner

IMPONIEREN. Wir führen uns doch beide auf wie blöde Paviane, sage ich, werfen unsere Wissensfetzen wie Blätter vor einander in die Luft und hüpfen in unseren Worthülsen auf und ab. Aber nein, sagst du und legst deinen Kopf auf meine Schulter, außerdem machen das, glaube ich, Gorillas.

Sabine Schönfellner

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freiVERS | Carlos Peter Reinelt

Klopf a dr Himmelstür

Mama, niesch as Märkle vu mia ahe,
i kas nüm gabrucha,
S'wiad dunkl, z'dunkl zum seacha,
Mia isch, als ob i adr Himmlstüar klopf.

Klopf, klopf, klopf a dr Himmlstüar
Klopf, klopf, klopf a dr Himmlstüar
Klopf, klopf, klopf a dr Himmlstüar
Klopf, klopf, klopf a dr Himmlstüar

Mama, tua dia Pischtol ufn Boda,
i ka se nüm daschüßa
Do kut a lange, schwarze Wolke aha,
Mia isch, als ob i adr Himmlstüar klopf.

Klopf, klopf, klopf a dr Himmlstüar
Klopf, klopf, klopf a dr Himmlstüar
Klopf, klopf, klopf a dr Himmlstüar
Klopf, klopf, klopf a dr Himmlstüar

Carlos Peter Reinelt

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