freiVERS | Johannes Bruckmann
Kaltes Feuer
Wir fügen immer noch ein Scheit hinzu und sprechen davon, dass das Holz aus uns sein möge
Wir fügen immer noch ein Scheit hinzu und sprechen davon, dass es unser Feuer sein möge
Wir fügen immer etwas hinzu, auf dass das Feuer in unseren Farben brennen möge
Aber immer ist es noch nicht unser Feuer
Immer zünden wir das Feuer noch nicht an
Das Feuer brennt noch nicht in unseren Farben
Wir beargwöhnen das Feuer, das noch nicht brennt
Früher haben wir auch Scheite abgetragen
Heute fügen wir nur noch Scheite hinzu
Und zünden das Feuer nicht an
Die Scheite werden immer größer, immer schwerer
Wir können die Scheite nur noch gemeinsam tragen
Weil das Feuer nicht brennt, fügen wir noch mehr Scheite hinzu und Scheite hinzu
Wir fügen verzweifelt immer noch etwas hinzu
Die Scheite werden immer größer, immer schwerer
Du willst das Feuer nicht entzünden, es hat zu lange nicht gebrannt
Die Scheite sind feucht und modrig geworden unter der Last der immer neuen Scheite
Wir leben von dem Feuer, das noch nicht brennt, das nicht mehr brennen wird
Aber wir fügen immer noch mehr Scheite hinzu
Wir können sie nur noch gemeinsam tragen
Niemand soll wissen, dass das Feuer nicht brennt, wir geben vor, dass das Feuer brennt
Dass das Feuer in unseren Farben brennt, dass es unser Feuer ist
Wir ersticken in dem kalten Feuer
Wir ersticken unter den schweren Scheiten, wir vermodern unter den schweren Scheiten
Wenn sich das Feuer entzündet, dann verbrennt es unsere Leichen
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freiVERS | Roland Grohs
Brüche
Ihre Haut ist brüchig geworden.
Wir verkeilen uns,
wie Bauklötze, die ein Kind gegeneinander hämmert.
Das Bett ein Bauklotz, sie ein Bauklotz, ich ein Bauklotz.
Ehe wir fertig sind, möchte ich aufstehen,
träume von einer glatten Oberfläche, um zu puzzeln.
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freiVERS | Christl Greller
und sind wir frass
und holt der fuchs das süße kitz im gras,
der böse fuchs.
nein, mutterfähe,
wir lernen: und füttert sie im bau.
und adler holt den fuchs,
ist böse. nein,
wir lernen: adlerjunge brauchen fraß.
naturgesetz ist: eines lebt vom andern.
mein liebes, mein geliebtes kind.
und lebt in deinem kopf etwas, das
von dir frisst und
wächst in deinem hirn auf deine kosten.
dein streichel-lieber kopf. und lebt darin
und frisst und wächst was,
nicht zu tilgen mehr, im kopf auf
deine kosten.
wir lernen - naturgesetzlich, eines lebt
vom andern.
ich habe es gelernt.
will’s nicht verstehen.
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freiVERS | Enno Ahrens
Nachts
trage ich fantastische Krawatten
gefertigt aus selbsterlegter
Klapperschlange die Rassel
dazu verdeckt im Saum
Meine Schuhe sind krokodilledern
das Jagdmesser mit Griff
vom Elfenbein aus
reinen Gedanken
Sie sind lichtscheu
wie blutrünstige Vampire
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freiVERS | Walter L. Buder
hüten
in zaunloser weite
wie ausgesetzt aber nicht rastlos
im horizont der schöpfung
boden gewinnen
schreitend im takt zeitloser
unrast wie wankend aber nicht
ruhelos im lichtkreis des stabes
seelen nähren
und bergen. und schützen. und sorgen.
neugeborenes im unterholz, verstecktes
retten und heilen, vielleicht. immer
aber gefährlich entschieden und
einfach sein
den träumen ein auge
den leiden ein herz
den mächten ein widerfahrnis
widerstehen. und hüten. das
offene geheimnis
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freiVERS | Sascha Kokot
heute wird es nicht mehr hell
kurz war nur der Mond zu sehen
bevor sich der Himmel fest
über der Esse verschloss
die Farbe von Januargewittern annahm
die Jungs brennen ihr letztes Feuerwerk ab
im Nachhall wird dir kälter
du siehst den Schnee kommen
weißt aber der Sturm wird dich nur streifen
weit hinter den Gärten stumm wüten
die Angst in dir hat sich schon lange
ihren Platz gesucht und schläft dort ruhig
lässt dich unbewacht
nach den schmerzenden Stellen greifen
dich leise ihre Maße nehmen
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freiVERS | Steffen M. Diebold
anglerglück
den tag
vom haken lassen
das herz
auswerfen
auch mal in trüben
teichen fischen.
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23 | Sarah Claire Wray
c scham
ich war und bin und werde immer sein
durch arbeit definiert
schaffe schaffe häusle baue
nur wer leistet,
ist
ein guter mensch ein lieber mensch
ein mensch der von anderen gelobt wird
doch jetzt ist alle leistung still gedreht.
und ich ich bin
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Sarah Claire Wray
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20 | Sarah Rinderer
heimat
ich sammle aushöhlungen
unter den fingerkuppen
lavasteine
feinkörnig
der stille nach
aufs fensterbrett gelegt
vertiefungen
blassviolett bis anthrazit
erinnerungen ans flüssig-sein
nie ganz schwarz
am flughafen
zäher strom
heimreisende glasig
und mit zu schwerem gepäck
die alle am selben ort
ihre gesammelten steine
zurücklassen
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Sarah Rinderer
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19 | Walter L. Buder
die drei
1
am siebten morgen
stille und licht im tagwind
des nachts klopft ein herz
2
hell schlägt die glocke
handlauf im steilhang ihr ton
dicht an der zeit
3
leuchtendes warten:
zittergras und schachtelhalm
singen im schatten
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Walter L. Buder
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