Kegeln gehen

Jeden Freitag Abend
marschierte der Club in die Stadt.
Über den Kirchplatz, rechts in die Gasse
zum hell erleuchteten Kolpinghaus.

Wie früher in den Sechzigern
malt sie sich heute die Lider blau an.
Schlüpft in ihr altes Lieblingskleid,
das kraftlos hängt wie ihr Haar.
Die Dauerwelle zur Feier des Tages
hat der Friseur ihr verwehrt.

Sie öffnet die Haustür, schließt sie wieder,
die Nachrichten fallen ihr ein.
Die leeren Straßen und die Sonntage
an denen der Pfarrer schweigt.

Aber trinken! Das kann sie noch,
im Kühlschrank steht billiger Sekt.
Und später beim dritten Doppelkorn
hat sie die Kugel in der Hand
und Holztäfelung unter den Fingern.

Es läuft ein Schlager im Radio,
der macht sie zur Königin.
Während sie blinzelt, keucht und schnieft
wiegt sie sich weiter im Takt der Musik.

Klirrend wirft sie mit leerer Hand,
beim ersten Versuch alle Neune.
Sie taumelt, reckt stolz die Arme empor,
die Scherben lässt sie liegen
wie jeden Freitag Abend.

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Anika Hoffmanns

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