freiVERS | Petrus Akkordeon
dschungel
die erkenntnis
sitzt in der natur
sie bewirft uns
im paradies
läuft ein anderes tier
und frisst sie auf
ganz kurz
sieht man alles
klar
dann
reift schon die nächste
.
.
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freiVERS | Anne Martin
hätte ich dir heut geschrieben
(ich habe es nicht getan)
hätte ich erzählt
vom klebkraut am rocksaum
einem salto um die kehlkopfachse
einem dumpfen aufprall im spitzwegerich
einem ton der herauskroch
einem hund
der schrie zeter und mordio
der wind pfiff durch die schachtelhalme
und im aufruhr der glockenblumen
hörte man nicht
wie der mond sich von uns wegschleicht
jedes jahr
circa vier zentimeter
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freiVERS | Steffen Diebold
riedgras & felsenbirne
ein rauschen setzt sich
vom strauch ab, der amsler
besorgt den frühen morgen,
nascht von him- & birnbeere,
hört viel rascheln
unterm gewölk, bis mittag
die postwurfsendungen
ins heim flattern:
standardschriftsätze
& alles absagen;
die angusrinder
jenseits des zauns
versehen dennoch
ungerührt ihren dienst
am riedgras der weiden.
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freiVERS | Nancy Ehrlich
Das letzte Heim
das letzte Heim
ist flüchtig
neben
gepackten Koffern
läuft es
sich einsam
wenn
die Füße
nicht wissen
wohin
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freiVERS | Inna Krasnoper
was hast du zu sagen
was hast du dagegen
was macht das sagen
wie ist es mit der macht
was ist dazwischen
wohin mit dem sagen
hast du alles gesagt
was bleibt in der tasche
kann das sagen nicht mehr versteckt sein
wo ist mascha die katze
sie ist irgendwie versteckt
es ist laut daneben – viele haben was zu tun
es kann sein, dass mascha bald neue freunde macht
andere katzen
die gerade einen großen sprung zu vollführen versuchen
wie groß ist das
wie dein ist das
s a g e n
sag mal – n e i n
sag mehrmals
g r o ß
mit dem offenen mund
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freiVERS | Greta Köhne
Saragozza-Diaries # 10
LAGERFEUER IN BLECHWÜSTEN
womit soll ich beginnen
wenn lagerfeuergeruch noch spürbar
in den kleidern hängt
hier auf dem balkon
und der balkon ist nur feudel
ist nur leiter
ist nur eine zigarette auf dem plastikstuhl
sehe hinab in den hof
der stolzes autozuhause ist
dicht an dicht glänzende bleche
und womit soll ich beginnen
ich bräuchte eine schürze wie die anderen frauen
die alten, auf den anderen balkonen
auch sie blicken auf den hof, auf die
wartenden autos
wobei nein
vielleicht schweift ihr blick über anderes
er schweift
aber ich habe keine schürze
soll ich kehren
besenstrich
für
besenstrich aber wo
auf dem plastikstuhl nehme ich platz
ich rauche nicht
ich mache lagerfeuer in blechwüsten
als beginn meines tages
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freiVERS | Ann-Christin Kehrberg
Ein Haushalt am Gang
Auf dem Dachboden sitze ich
an die Wand gelehnt
die Beine von mir gestreckt
die Sonne trifft durch die Luke mein Gesicht
bewegungslos beobachte ich
den tanzenden Staub
Keine Geräusche außer mein eigener Atem
ein Ort an dem der Uhrzeiger still steht
eine Erinnerung steigt in mir hoch
Großvaters Abstellkammer
Kleidung von der Waldarbeit
im eigenen Geruch eingesperrt
Der Dachboden ein friedlicher Ort
Unruhe macht sich in mir breit
der Puls geht schnell
doch ich bleibe weiter regungslos
Bewegung verkörpert Sinnlosigkeit
warum wohin wozu
die Antwort verschließt sich mir
der weite Raum, die große Stille
Hilflosigkeit
Spinnenweben soweit das Auge reicht
eingeschnürt in einem Leben
das ich nicht zu leben weiß
Die Stiegen führen hinunter zum Keller
ohne Tageslicht
biege rechtzeitig zur Wohnung ab
ein Taubennest
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freiVERS | Lise Reingruber
was ich dir noch
schreiben wollte
als ich
rote rüben
kochte
sie noch
heiß dann
langsam schälte
und rot
meine hände
eine hielten
dacht ich:
so ists.
diese wärme
gestalt
und gewicht
dein herz.
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freiVERS | Charlotte Florack
bis in die glieder reicht der wald
ist ein feld aus senkrechten
inzwischen schläft der abend ein
atmen während die stuben sprechen
und aus den fenstern eingelöstes licht
das bekannte ist blind, wie sonst kann
man nicht unterscheiden, jahrelang
aus oder auf etwas schauen
hätten sie mich
hätte ich ihnen erzählt
es ist immer beides gemeint
dass es brüche im blau gibt
an denen entlang kann man verzeihen
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freiVERS | Selin Erdogan
ruhige schreie
I.
meine beine
brechen
meine rippen, sie
brechen blau
sehnsüchtig die
freiheit fordernd
aber
haut
in kleidung so
sanft
der schein
II.
laufen mit gebrochenen beinen, du
siehst es nicht
III.
die innenseite wund
die rippe drängt vor
durchdringen möchte sie,
penetrieren und dann
deine hüfte nehmen –
gegen deinen willen
fühlst du nicht?
IV.
die haut ganz schroff aber
ein kleid aus samt
die hände im funkel
die rippe ganz laut
wie seide, sagst du und
sie
splittert
V.
ruhige schreie oder
bist du taub?
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