freiVERS | Sarah Claire Wray
die schwarze putzfrau sitzt nicht mit am tisch feat. faschisten blei
manchmal weiß ich nicht warum
die Leute mich so angucken
wie sie mich angucken.
ich weiß nicht
findet ihr mich
wegen meiner hautfarbe unglaubwürdig?
glaubt ihr
ich sei die putzfrau
wenn ich mit am tisch sitze und nicht
nach meinem namen gefragt werde
wo alle anderen sogar
einen feuchten händedruck bekommen
ich weiß nicht
hab’ ich keinen namen
weil ich bin nur eine von vielen
mit der hautfarbe
und den namen könnt ihr euch eh nicht merken?
und im gespräch da wendet ihr nie
das Wort direkt an mich
seht hastig weg wenn doch
ein höflicher augenkontakt
das mindestmaß an nähe
zwichen fremden ist.
ich kann euch nicht mehr zuhören
weil eure worte mir wie das kalte blei der faschisten
abartig distanziert vorkommen
weil euer sprechen
nicht ein sprechen mit mir ist
nur über mich hinweg
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freiVERS | Martin Peichl
Blackout Musil
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freiVERS | Dennis Hannemann
Gleichheit
Und hier kommt einer der
nicht weiß wie viel Pfand er braucht
um die Parkbank zu bezahlen
die ihn nachts vor Kälte und Kampfhunden schützt
und hier kommt eine die
nicht weiß wer sie zur Ärztin schickte
die ihr anstatt der Behandlung
eine Karte für Shakespeare schenkte
und hier kommt einer der
nicht weiß ob die Mutter noch lebt
beim letzten Besuch da nannte sie ihn
den Sohn einer anderen das Messer zur Hand
(zu Sigmar Polke: Liberté, Egalité, Fraternité, 1988)
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freiVERS | blume (michael johann bauer)
auf der leisen faehrte des schreis
um nicht zu fallen traegst du die maske des laerms
zum beispiel auf um im jubel & trubel unterzugehen
treibst du vorbei an bevoelkerten ruinen mahnmaelern
weil alle straszen fluesse sind tosend irre ihre kreisel
& kreuzungen wirbel wo du dich fast zu tode drehst
potenziell zumindest findest du es nicht sehr leicht
dich zu orientieren & dabei sehnst du dich nach gleich
klang also stille synchronizitaet von innen & auszen
willst sie hinter dir lassen die tuecken die huerden
dieser voellig konfusen stadt in der du gestrandet
deine vergangenheit verlierst oder schon verloren
gegeben hast denn beim besten willen glaubst du
dich nicht mehr daran erinnern zu koennen wie
es einst zustande kam dein wesentlichstes wesen
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freiVERS | everelusive
Funkenstörung
Dein Lachen
gluckst
wie Stundenblau
im Wasserglas
Gleichgültig zeichne ich
mit der Gabel
unsystematische Muster
in den Miniatur-Zengarten
Dein Schweigen
zieht Kreise
am Himmel
Wann planst du
den Überfall?
Wann schlagen die Zeiger
Halbnacht?
Mein Anthrazitblick
perlt an dir ab
wie Acryl von Butter
Eine Fliege
im Glauben hinter dem Glas
befände sich die Welt
Sie muss ja nur
geradeaus fliegen,
sagst du
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freiVERS | Lea Schlenker
Himmel und Glas
Sonntag
oder Montag
Ich lehne mich zurück
und frage mich
ob alle anderen wohl gelangweilt sind
Kakteen und Glasscherben
Kakteen und Schlaftabletten
Ich würde mich etwas in Acht nehmen
denn die Rasenmäher sind zurück
scheppern laut über alles neue Leben
durch Fensterläden
und verstopfte Ohren
es gefällt mir
sie nur vom Fenster aus
beobachten zu können
Ich lese eine Gratiszeitschrift
greife nach dem aufgewirbelten Staub
wohlwollend und träge
Staubmäuse seid gewarnt
eure Regeln gelten hier nicht mehr
Jetzt im Frühling
wenn alle Toten auferstehen möchten
brennt die Realität noch unter uns
wir warten
wir klatschen
Kakteen und Bienenhäuschen
Kakteen und Lungenversagen
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freiVERS | Otto Dvoracek
Noch einmal Rot sehen
Verwachsen, in einer erwachenden Stadt
Ein Anstehen, ein Steckenbleiben, im Unklaren
Das ist nicht vorgesehen, das Gewebe auftrennen
Passagen ins Erdreich graben, aus Gewohnheit
Nachgraben, freilegen, die schwammigen Stellen
Das längst Vergangene, das Grau ausschließen
Vor- und zurückkriechen, jahrelang schon unterwegs
In schwammigen Stellen, Reste von roter Bemalung
Versuchsreste freilegen, Spuren der Einwohner
Sehen, Bilder einsehen, die Kunst, sich zu nähern
Grabende Körper, unterwegs, in Klopfrichtung
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freiVERS | Milena Filipps
Der erste Regentropfen
Ein Tropfen traut sich
Ohne den Regen
Zu sinken, zu fallen, zu fliegen, zu schweigen
Ohne Rückweg in Sicht.
Asphalt, Erde oder Wiese
Unklares Ende einer Reise
Die überstürzt begann,
Als noch die Sonne schien.
Der Regen handelt nicht,
Der Regen denkt nicht nach,
Der Regen schmiedet keine Pläne,
Wenn er unsere streicht,
Steht hinter ihm der Zufall,
Der nichts weiter will,
Als eine Bewegung der Welt.
Der Tropfen, der ihm voran trat
Sah keine Zukunft, keine Gegenwart,
Fühlte keine Nähe des Sees,
Des Wassers, mit dem er sich vermischte.
Zu seinesgleichen blieb eine Distanz erhalten.
Wenn sie etwas spürten,
Dann spürten sie nur sich selbst.
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freiVERS | Sagal Comafai
Schutz vor dem Wetter
Wir sitzen auf Gartenstühlen
Hinter einem alten Kiosk mit dreckigen Solarzellen
Über unsere Suppen gebeugt
Du hast eine pinke, ich eine blaue Regenjacke an
Unsere Köpfe sind in Kapuzen gepackt
Nicht wegen Regen, sondern Kälte
Der Plastiksack auf dem Fahrradsattel des Kochs wird weggeweht
Ichs sehe auf, laufe dem Sack kurz hinterher
Doch er fliegt davon
Ich nehme einen anderen, ich weiss nicht mehr von wo
Und binde ihn um den Fahrradsattel
Dann setze ich mich wieder zu dir
Der Koch läuft vom öffentlichen WC
An uns vorbei
Und zurück in den Kiosk
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freiVERS | Enno Ahrens
Mit ihm kam die Sonne
in die schattige Einkaufszone
sommers überstrahlte er
die matten Gesichter
der Passanten mit seinem
unermesslichen Lächeln
unangemessen meinten einige
Es gab keinen vernünftigen Grund
derart glücklich zu sein
zu arglos wäre so einer
brächte es fertig übers Wasser
laufen zu wollen und würde
selbst beim Absaufen noch lächeln
Man sperrte ihn weg
in Sicherheitsverwahrung
drei glanzlose Sommer
erlebte die Einkaufszone
Dann sah ich ihn wieder
an seinem alten Platz hocken
hatte ihn fast übersehen
im Heer der Passanten mit
seiner glanzlosen Miene
.
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