Herr Gräber

es riecht muffig, abgestanden
frische Luft – kein Gegner für
diesen Dunst das Zimmer darin
eingehüllt wie in einen alten
Mantel gekleidet ihn stört es nicht

er bemerkt es wohl nicht einmal
um ihn herum passiert der Alltag
Jalousien hoch Fenster geöffnet
Frühstück gebracht die Tür geöffnet
die Tür geschlossen er reagiert nicht

„Herr Gräber…“

wie Regentropfen an einer Scheibe
perlen die Buchstaben an ihm herab
die Augen stumpf zwei Fenster in
sein leeres Inneres sein Körper ein
beinahe verlassenes Gebäude

„Ich soll Sie von Rosalie grüßen!“
Rosalie!

hinter den Fenstern taucht seine Seele
auf der Blick flackert ein feiner
Schimmer darin eine einsame Träne
löst sich, rollt hinab über die runzelige
Pergamenthaut tropft lautlos zu Boden
„Rosalie“, flüstert er mit krächzender Stimme

Nie
habe ich mehr Liebe in einem
einzigen Wort gehört!

 

 

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Jutta Schüttelhöfer

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