17 | Verena Dolovai

lebkuchen im sonnenbad

die glasur glänzt wie
regennasses gras
tropft vom tisch

du wischst
die schokolade weg

verwirrt
irren wir durch die jahreszeiten
war schon winter?
fragt das kind

die katze im sommerkleid
schnappt nach insekten
die zu dicht
in der luft tanzen

wir atmen ein
blasen unsichtbaren hauch aus

das frühe dunkel
hüllt den tag ein

drinnen
glühen unsere wangen nicht

.

Verena Dolovai

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Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen:

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16 | POEDU: Ari

Ein Maoam

Ein Maoam
klebt vorwärts oder rückwärts
dir die Zähne zusammen und dann
hängts am Gaumen und trotzdem
schmeckts lecker, egal
in welchem Türchen es steckt,
es klebt!

.

Ari (8 Jahre alt)

 

POEDU | Poesie von Kindern für Kinder. Monatlich gibt ein*e Autor*in online einen poetischen Anstoß.

.

Die Aufgabe kam diesmal von Sabine Schiffner:

Erstelle ein Gedicht für ein Türchen von einem Adventskalender, den Du Deiner/m besten Freund:in schenken willst. Mach ihr/ihm also ein Geschenk aus süßen Worten. Schreibe über Deine Lieblingssüßigkeit, oder denk Dir doch einfach eine neue Süßigkeit aus, eine lustige, eklige, oder eine Zaubersüßigkeit.

 

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.

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13 | Georg Großmann

Mühlkreisberechnung

die Landschaft hier ist
mehrgeschossig
fiebrig, unstet
wechselt ständig
ihr Niveau
ist überall
und nirgendwo
ist Senke, Hang und
Kuppe an einem
Fleck

die Landschaft hier ist
durchstockwerkt
ist mit Wald bestockt
ist mit Wiesen bespannt
mit Häusern getupft
in denen sich weitere
Stockwerke anfügen
kleinteilig, feiner
abgestuft, filigran
erschlossener Raum
wie

eine winzige Schublade
die man aus einem Möbel-
gebirge zieht
ein Mikrokosmos
ein Setzkasten im
leuchtenden Moos
in dem wir
versteckt – in der
Nähe der Wälder, die
auch durchstockwerkt
vom

Wurzelkeller bis
zur Kronendach-
terrasse
alles verschachtelt sich
in die Höhe, dreht
sich, kippt seitwärts
kriecht in die Kerben
springt aus den Leiten
wie Erker hervor
wölbt sich den
Wolken entgegen

.

Georg Großmann

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12 | Mario Thunert

Gleiszeit

Regen fällt
und gefriert
auf der Stelle
auf der Schwelle
spiegelt schlicht
das künstlich grelle
Neonlicht
beleuchtet
künstlich schnelle
Abschiedspflicht
Blicke wagen
nicht mehr viele
nutzen den vom Markt wehenden
Nelkenduft
für ein Lächeln
ist keine Zeit
der Zug
kommt wieder
aus dem Takt

.

Mario Thunert

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10 | Sigune Schnabel

Ich habe eine Schneehaut bekommen

 

Ich weiß noch, wie sie zum ersten Mal überfror
und mich die Erde widerwillig trug.
Ich ging auf ihr spazieren.
Frostblumen blühten grau.

Als ich die Felder erreichte,
knackte die Stille
vor Kälte. Ich legte ihr die Hand
auf den Rücken,
aber sie schob mich fort.

Ob sie alleine weiterzieht,
fragte ich sie.
Ihr Körper nickte.
Ihr Gesicht war weiß.

.

Sigune Schnabel

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8 | Gundula Schiffer

Wippende Feuer-Seiten

 

Und die zwei Kerzen schauen
mich so traurig an
kleine schluchzende Feuer-Augen
„Du wirst es schon noch schaffen
ganz, den Schabbat zu halten“, klagen
sie zum Trost mich zärtlich an

Die zwei Kerzen sind gütig, stehen
auf dem Holztisch im Flur, zwei Engel
die leicht schwankende Glut eines natürlichen Lichts
das bereits Kulturtechnik, darum ebenfalls verboten ist
ab jetzt, taucht mein Haus in die wundersame Stimmung
eines Fests, in ein Dunkelgold, das immer freitags, das
ganze Jahr, gegen Abend bei uns einzieht – der Schabbat
schlägt selbst dem schrillen Sommer ein Schnippchen.

Die zwei Kerzen sind gütig, sie schauen still
zu, wie ich weiterschreibe, feiern glimmend ihre
Genugtuung, dass es in mir zu arbeiten beginnt:
das grelle Flutlicht des Bildschirms, der starre
Blick der Salzsäule, meiner Schreibtischlampe
beflecken mein Gewissen, sie erscheinen mir
wie Einbrecher. Liebste Sätze, die ich zu Kabbalat
Jedid Nefesch erschaffe, sind mir Tränen worden
schaue ich zu den Kerzen: Slicha, ich lerne es noch
wie man einen Text notiert im Kopf, so schlägt es
der Rabbiner vor. Eine Nacht lang euch zuschauen
wie ihr herunterbrennt, zwei schöne Königskinder
die Schechina selbst hat euch geboren. Wirklich
füllen zwei Kerzen, deren wippende Zungen uns
Poeme andeuten, die leeren Seiten des Schabbats.

.

Gundula Schiffer

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7 | Susanne Gurschler

Wegskizze

 

Eigentlich sollte der Vollherbst
Hagebutten und Schafgarben
In meinen Stoffbeutel schieben

Doch da mauern an aufgesetzter Stelle
Ahnen- und Familienforschung eine Kapelle
zu protokollieren im Verein mehr oder weniger
Verwurzelung, internationale Treffen
Gedenkbuch und Kerzendienst

Zum ewigen Licht plätschert
namenlos kaltes Wasser
in den Brunnen Elisabeths

Wenig später ein Stöckl mit Holzdach gelichtet
in Kiefern und Fichten, erbaut 1946
im Sommer von Anton und Josef
zum Dank für die gesunde Heimkehr, die gesunde
des Vaters und der Söhne [deren fünf ohne Josef]

Sonnseitig Stall um Stall im Rücken und
Steilhang: Hof um Hof und viel trockenes Holz
schob der Berg, spuckte Geröll oder röchelte
Schneemassen, war immer erst das Vieh
zuschanden, Glocken läuten trotzdem seit immer

Balkenreiche Nester über Tal
gestellt, und nur von unten
scheint der Himmel weit

Schattseitig brüchiger Kalkstein geschichtet
unter Etagenmoos, von schweren Händen geschlichtet
tagaus tagein, nachtaus nachtein zu Mehl verglüht
und da nun – wie bestellt: ein bis in den Kern mürber
Knochen gebettet auf feuchtem Holz

Gegenüber bleiche Wurzelstöcke auf
fast nacktem Rücken, Bäume gefallen wie Soldaten
im Sturm, herausgeschält und weggebracht
nur einige der stumpfen Stangen quergelegt
damit nichts nachrutschen kann von oben

Kein Andachtsfeuer zündete der Brandmeister
auf dem Holztisch überm Felsvorsprung, wo
längst faltige Stämme die Sicht verstellen
wo Schmugglergeschichten geronnen zum Pfad
und gierige Finger suchen eine andere Gefahr

Rechter Hand bewegte Erde, halb gekegelt
überm Bachlauf und unter diesem Betanien, das derzeit
zum Grabtuch von Turin in seinen Vorraum holt
aber immer noch das Kruckenkreuz an der Hauswand trägt
nur an der Panoramatafel ist der Ort ein weißer Fleck

In Marmor gelistet die Priester der Expositur, verewigt auch
die Saga des von Gewehrkugeln Getroffenen, unter frischen Blumen
wie alle die in 14-fach geweihter Erde, trägt diese dennoch weniger Namen
wichtiger seit je eh die Vulgonamen
wer sie nicht kennt, ist nicht von hier

Unterm Gekreuzigten mit päpstlichem Segen ausgerollt
die Zutaten für vollkommene und unvollkommene Ablässe
hinter der Kirchentür dutzendfach: Maria hat geholfen
Nichts jedoch den 31, die MDCXXXIIII an der Pest
gestorben, die wallfahrend kam und sie begrub

So erodiert die Anschlagtafel
nicht seit heut
gibt die Zelle keinen Laut

Das Giatlahaus, wie alle ordentlich Holz um die Hütte
wenige Mist auf dem Haufen und eine Handvoll Vieh verteilt
auf der Weide, hinterm Haus wird die Betonwand hochgezogen
da und dort stapeln plastikfaulig Marshmallows in vanillegelb
und barbierosa, trauerschwarz und lindgrün

Nur kurz der Kran höher
als der Kirchturm, der Motor
lauter als die Glocke

Den Pestweg entlang, den Zeilen nach schon
Ernst Jandl ging, vorbei am holzumrandeten Marterl
mit Maria Mutter Gottes und Rosenkranz hinterm Draht
und immerzu Blühendem in Beton, verhängen sich Gedanken
in mehrfach offenen Wunden

Sicher, sagen sie, war der Boden
hier nie, sicher waren hier immer nur
die Wurzeln und das Amen im Gebet

.

Susanne Gurschler

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5 | Mariusz Lata

als du in einer frage wohntest
als es zeit wurde
als die sängerin während des konzerts stürzte
& nicht allzu lang danach verstarb
als eines sonntagmorgens der gemüseladen sperrangelweit
offen stand der verkaufsraum hell erleuchtet
als die zeit wurde

das war
das war
das war

als die ente zum sterben auf der wiese landete
als geschichten nicht notwendig waren
als es im september so richtig sommerlich wurde
als der winter einbrach
als du dein älterwerden bemerktest

das war
das war
das war

als die utopie da war
als der vogel phönix sich erhob doch nicht
fliegen konnte
als das werden noch war
als noch nicht alle alles wussten
als die eisblumen den farn grüßten

das war
das war
das war

als es zeit wurde
als die zeit wurde

das war
das war
das war

als für einen film das kino wieder lebte
als die sprache in gestalt des laubs auftrat
als die wiederholungen musik wurden
als es für dich & so manche & manchen erst
einmal aus war mit den antworten

das war
das war
das war

.

Mariusz Lata

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2 | POEDU: Emma

Türchen öffne dich

Meine Süßigkeit ist eine Maus
Die Maus isst Zucker
Und wird zum Pfau
Der Pfau geht durch die Straße
Auch
Die Frau
Sagt: Schau
Ein Pfau
Die Männer rufen an im Zoo
Die Wärter kommen angebraust
Der Pfau, der rennt und spuckt
Den Zucker aus
Zurück ist sie, die kleine Maus
Die huscht hinein ins
Türchen zu
Ruh

 

Emma (8 Jahre alt)

 

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freiVERS | Julo Drescowitz

5,0

Du liegst
neben mir
im Bett
und du
fährst dir
auf diese
Art durch die
Haare
wie du es
immer tust,
und deine Arme
sind wie
Äste
und deine
Hände
würde ich unter
Millionen
erkennen;
und ich spüre die
Hitze und
Nässe
unter unserer
Bettdecke
und wir trinken
dieses
Billigbier
aus Dosen
es heißt:
5,0
und die Dosen
sind eiskalt
mit
Kondenstropfen
am Blech;
und wir trinken
das kalte
Bier
und du
fährst dir
durch die
Haare
und
sagst
die eine
Hälfte
deiner Familie
tränke,
weil sie die
Welt
nicht verstehen
würde,
und die andere
Hälfte
deiner Familie
sei tot
weil sie
sie
irgendwann
von Grund auf
verstanden
hätte;
und dann
schweigen wir
einen Moment,
und es ist
dunkel
in meinem
Zimmer
und kühle
Herbstluft
zieht durchs
Fenster
herein
und ich rieche
unsere
Haut
deine
Haare,
und du
trinkst und
lachst und
sagst
du würdest
einfach
nicht
wissen
wohin
du
gehörst

.

Julo Drescowitz

.

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