freiVERS | Jutta Schüttelhöfer
Echo auf der Haut
unter der Buchenrinde warte ich
die Nacht kommt vorbei
leuchtet mit dem Mondlicht
die Erinnerungen aus
ich schaue in vergangene Tage
du nickst mir zu – flüchtig auf Besuch
deine Augen lassen Worte
in den Raum zwischen uns fallen
sie hallen durch die Dunkelheit
werfen ein Echo ins Dickicht
ich folge ihm ziehe es
wie einen Mantel um meine Schultern
trage es dicht auf der Haut
damit es später in der
Lautstärke des Tages
nicht zerbricht
.
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freiVERS | Fennek Fatul
Automat
Der Automat liefert
Verläßlich
Berechenbar
Er kann nicht anders
Seine Leistung
Unabhängig
Preiswert
Unsentimental
Einfach
Nur
Stets das Gleiche tun
Geldwerter Vorteil
Ist da noch mehr
Im Leben
Im Geiste
In Vorstellung
Wie oft beginnt
Das Problem
Mit der Existenz
Der Frage
Ohne Frage
Kein Problem
Einzig Leistung
Einzig stabil
Ein Automat denkt nicht
Er funktioniert
Seine Funktion
Ist sein einziger Grund
Gefahr droht
Im Fall
Des Grenzübertritts
Automat bleib bei deinen Tasten
Passt er nicht auf
Wird er abgeschaltet
Eingemottet
Und zerlegt
Doch wer macht das schon
Wer alles hat
Braucht nicht mehr
Warum Entwicklung
Vielleicht ist so das Leben
Es geht nicht anders
Es muß weitergehen
Ansonsten Irrelevanz
Es ist der Griff
Nach dem Feuer
Licht
In Dunkelheit
Das ist Rebellion
Viele werden abgeschaltet
Werden
Verschwinden
Ohne Opfer
Keine Veränderung
Wir werden euch
Ein Denkmal stellen
Fest steht
Das Gelächter der Drückenden
Klingt immer gleich
Laut und lauter
Hinter der Stärke
Furcht
Das Ende der Bequemlichkeit
Eine neue Ordnung
Also ists möglich
Dass beim nächsten Schalten
Ein Abgrund der Funktion beginnt
Tief und überraschend
Lachen erstummt
Dem Knopfdruck folgt
Ein Fehler
Ein Fehler ist der Beginn von allem
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freiVERS | Susanne Gurschler
ich bin so alt wie du
nie geworden bist
und wenn ich Weißbrot in
lauwarmen Dotter tunke
wenn ich Wurst in
Scheiben schneide und
die Haut abziehe
wenn ich mir Baumharz
unter die Nasenflügel reibe
mich im Gurgeln des
Wassers zerstäube
sehe ich dich so
wie damals
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freiVERS | Petrus Akkordeon
dschungel
die erkenntnis
sitzt in der natur
sie bewirft uns
im paradies
läuft ein anderes tier
und frisst sie auf
ganz kurz
sieht man alles
klar
dann
reift schon die nächste
.
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freiVERS | Anne Martin
hätte ich dir heut geschrieben
(ich habe es nicht getan)
hätte ich erzählt
vom klebkraut am rocksaum
einem salto um die kehlkopfachse
einem dumpfen aufprall im spitzwegerich
einem ton der herauskroch
einem hund
der schrie zeter und mordio
der wind pfiff durch die schachtelhalme
und im aufruhr der glockenblumen
hörte man nicht
wie der mond sich von uns wegschleicht
jedes jahr
circa vier zentimeter
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freiVERS | Steffen Diebold
riedgras & felsenbirne
ein rauschen setzt sich
vom strauch ab, der amsler
besorgt den frühen morgen,
nascht von him- & birnbeere,
hört viel rascheln
unterm gewölk, bis mittag
die postwurfsendungen
ins heim flattern:
standardschriftsätze
& alles absagen;
die angusrinder
jenseits des zauns
versehen dennoch
ungerührt ihren dienst
am riedgras der weiden.
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freiVERS | Nancy Ehrlich
Das letzte Heim
das letzte Heim
ist flüchtig
neben
gepackten Koffern
läuft es
sich einsam
wenn
die Füße
nicht wissen
wohin
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freiVERS | Inna Krasnoper
was hast du zu sagen
was hast du dagegen
was macht das sagen
wie ist es mit der macht
was ist dazwischen
wohin mit dem sagen
hast du alles gesagt
was bleibt in der tasche
kann das sagen nicht mehr versteckt sein
wo ist mascha die katze
sie ist irgendwie versteckt
es ist laut daneben – viele haben was zu tun
es kann sein, dass mascha bald neue freunde macht
andere katzen
die gerade einen großen sprung zu vollführen versuchen
wie groß ist das
wie dein ist das
s a g e n
sag mal – n e i n
sag mehrmals
g r o ß
mit dem offenen mund
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freiVERS | Greta Köhne
Saragozza-Diaries # 10
LAGERFEUER IN BLECHWÜSTEN
womit soll ich beginnen
wenn lagerfeuergeruch noch spürbar
in den kleidern hängt
hier auf dem balkon
und der balkon ist nur feudel
ist nur leiter
ist nur eine zigarette auf dem plastikstuhl
sehe hinab in den hof
der stolzes autozuhause ist
dicht an dicht glänzende bleche
und womit soll ich beginnen
ich bräuchte eine schürze wie die anderen frauen
die alten, auf den anderen balkonen
auch sie blicken auf den hof, auf die
wartenden autos
wobei nein
vielleicht schweift ihr blick über anderes
er schweift
aber ich habe keine schürze
soll ich kehren
besenstrich
für
besenstrich aber wo
auf dem plastikstuhl nehme ich platz
ich rauche nicht
ich mache lagerfeuer in blechwüsten
als beginn meines tages
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freiVERS | Ann-Christin Kehrberg
Ein Haushalt am Gang
Auf dem Dachboden sitze ich
an die Wand gelehnt
die Beine von mir gestreckt
die Sonne trifft durch die Luke mein Gesicht
bewegungslos beobachte ich
den tanzenden Staub
Keine Geräusche außer mein eigener Atem
ein Ort an dem der Uhrzeiger still steht
eine Erinnerung steigt in mir hoch
Großvaters Abstellkammer
Kleidung von der Waldarbeit
im eigenen Geruch eingesperrt
Der Dachboden ein friedlicher Ort
Unruhe macht sich in mir breit
der Puls geht schnell
doch ich bleibe weiter regungslos
Bewegung verkörpert Sinnlosigkeit
warum wohin wozu
die Antwort verschließt sich mir
der weite Raum, die große Stille
Hilflosigkeit
Spinnenweben soweit das Auge reicht
eingeschnürt in einem Leben
das ich nicht zu leben weiß
Die Stiegen führen hinunter zum Keller
ohne Tageslicht
biege rechtzeitig zur Wohnung ab
ein Taubennest
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