01 | Camena Fitz

bauchge.fühl

ein haus
wohnt
in meinem bauch
in meinem bauch wohnt ein haus
ein haus mit 3 zimmern und 1 treppe
in einem raum gibt es ein rechteckiges
| fenster |
mit schwarzem rahmen
schwarz und aus eisen
allein
kann ich das | fenster | nicht öffnen.

als ich mich in dich
verliebe
beistrich
lad ich dich ein
in das haus
in meinem bauch.
du kommst und
bist ein guter
erster gast.
doch du willst nicht, dass ich
allein
in der dunklen ecke
sitz.
und dann
gehst du.

ich verschließ die tür 3 mal
und kontrollier 4 mal
ist sie ordentlich verschlossen?
und dann setz ich mich in meine
dunkle
ecke
in dem raum mit dem schwarzen
eisenfenster
in dem haus
in meinem bauch
in dem raum mit dem schwarzen
eisen | fenster |
in dem haus
in dem. in meinem bauch
und
allein
kann ich das | fenster | nicht öffnen.

ich bin
immer noch
verliebt
in dich,
als du vorsichtig an der tür
klopfst
ich stell mich schlafen
und du klopfst jetzt ans | fenster | .
ich schau hindurch und schüttle den kopf.
da gehst du wieder
doch vor der tür vor dem haus
in meinem bauch
steht
jetzt
ein sofa.
von meiner dunklen ecke aus
kann ich
es
nicht
sehen.

du bist
verliebt
in mich,
als ich dich mitnehm
auf den weg zu dem haus
in meinem bauch.
wir setzen uns auf das sofa
vor dem haus
in meinem bauch
dort bleiben wir die ganze
nacht
und den halben mond
lang
dir wird kalt, du willst ins haus.
wir sollten
das sofa
mit hinein nehmen,
schlägst du vor...
ich geh hinein in das haus
in meinem bauch
und schick dich raus

schlaf gesellt sich zu mir
zu mir
in meine dunkle
ecke
er stiehlt das licht
aus
meinen augen
und du sitzt auf dem sofa
vor dem haus
in meinem bauch.
am nächsten morgen
als der tau nicht
länger
glitzert,
nimmst du das sofa
und du gehst.

ich blick durch
das schwarzeisenfenster
allein
kann ich das | fenster | nicht öffnen.
dort wo das sofa stand, ist
jetzt
ein dunkles loch in der grünen wiese
vor dem haus
in meinem bauch
ich will dort blumen säen
oder lieber einen baum pflanzen?
ich will dich
um deine meinung
fragen
als ich dich endlich wiederfind,
sind wir verliebt
ineinander.
wir gehen zu dem haus
in meinem bauch
gemeinsam
lange stehen wir vor dem dunklen loch
vor dem haus
in meinem bauch
und halten händchen.
du wirfst einen kirschkern
gegen das schwarzgerahmte eisenfenster
wir gehen rein und
streiten

als du gehst, wart ich
in meiner dunklen
ecke
ich wart vergeblich auf schlaf
die erde hat sich halb verdreht
und noch immer
sitz ich
in dem schwarzeisenfenstergerahmten
zimmer
dunkler noch, ist jetzt meine ecke.
im ganzen raum
scheint kaum mehr sonne, noch licht.
es klopft
an der tür

ich öffne die tür
von dem haus
in meinem bauch
dort stehst du
nicht
nur das sofa, nicht du
und vor dem haus
in meinem bauch
steht
jetzt
ein kleiner baum

seine äste stoßen an das | fenster |
allein
kann ich das | fenster | nicht öffnen.
jeden abend wünsch ich mir, dass du
in das haus
in meinem bauch
kommst.
ich bring das sofa rein und
schlaf

Camena Fitz

Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen.


freiTEXT | Marina Büttner

Welt am Ende

Die Welt fährt in großen Panzern
davon, die Luft wird dünn
Heckenschützen zielen stumm
Nägel mit Köpfen fliegen herum.

Ein Schrei, ein Kind fällt entzwei,
tosende Stille, betäubender Lärm
keine Gesichter mehr zu erkennen,
Ochs und Esel im Stall brennen.

Am Himmel ein dunkles Rauschen
stotternde Salven, Menschen wie
Dominosteine, zersiebte Gemäuer
heraus ragen blutrote Beine. 

Fernab treffen Waffenwünsche ein,
rasch produziert, abgestimmt
von hohem Hause, wer
mit welcher wen masakriert.

Marina Büttner

freiTEXT ist wöchentliche Kurzprosa. Freitags gibts freiTEXT.
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freiTEXT | Hendrik Bloem

Im Laufe des Mais

Ich arbeite im Laufe des Mais die Gebrauchsspuren heraus.
„Davor, wie das klingt, was ich sage, habe ich einfach keine Angst,“
ist so glatt gelogen, wie ungeleckt.
„Man kann nicht dies, das und jenes tun und dann ist man glücklich.“
Das hab ich erst spät verstanden, weil ich spreche kein Phrasisch.
Ich installier ne App fürs Wetter, weil ich den Himmel hier nicht seh.
Was heute für mich Beton ist, war für meine Großeltern
die blickdichte Gardine und die vielen Orchideen.

„Wie soll man das verstehen, wie soll man das verstehn?“
Das Leben ist eine Kunst, die gepflegt werden muss.
„Wie soll man das verstehen, wie soll man das verstehn?“
Was das Leben nicht kann, schafft die Kunst.

Stil ist keine Frage des Alters, sondern des Geschmacks.
Im Laufe des Mais erkennen wir das große Ganze nur noch im Detail.
Tshirtslogan falls sich mal jemand beschwert: Fahr da hin und hau die.
Ich denk nur noch in Tshirtslogans á la 'Fahr da hin und hau die'.
Oder wenn dich etwas stört, einen Sampleknopf zu haben,
mit nur einem Satz: „Fahr da hin und hau die.“

„Wie soll man das verstehen, wie soll man das verstehn?“
Das Leben ist eine Kunst, die gepflegt werden muss.
„Wie soll man das verstehen, wie soll man das verstehn?“
Was das Leben nicht kann, schafft die Kunst.

Das Neue entsteht immer vor dem Hintergrund der Geschichte.
Ein ebenerdiger Balkon ist auch nur ne Mauer vorm Fenster.
Und wenn ich krank bin, geh ich in Geschäfte die ich nicht mag.
In München Stamperl, am Niederrhein Pinneken und in Bielefeld Pinnchen.
Im Laufe des Mais heißt es Schnaps- oder Kurzenglas.
In gewachsenen Labyrinthen verdurste ich erst auf dem Rückweg, also gib Gas.
Vor Lampedusa ertrinken Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa, kein Spaß.

„Wie soll man das verstehen, wie soll man das verstehn?“
Das Leben ist eine Kunst, die gepflegt werden muss.
„Wie soll man das verstehen, wie soll man das verstehn?“
Was das Leben nicht kann, schafft die Kunst.

Hendrik Bloem

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freiTEXT 2014-15 als eBook

freiTEXT14-15

Ein Jahr freiTEXT ist vergangen - es wird Zeit für die große Nachlese. Die Anthologie mit allen Texten aus 52 Wochen freiTEXT ist ab sofort als kostenloser eBook-Download erhältlich.

mit Texten von Thomas Mulitzer, Tobias Roth, Andrea Weiss, Sabine F., Magdalena Ecker, Claudia Kraml, Eva Löchli, Andreas Haider, Madlin Kupko, Dijana Dreznjak, Ingeborg Kraschl, Fabian Bönte, Simone Scharbert, Renate Katzer, Jacqueline Krenka, Karin Seidner, Nico Feiden, Sabine Roidl, Sven Heuchert, Veronika Aschenbrenner, Sarah Krennbauer, Philipp Feman, Matthias Engels, Clemens Schittko, Eva Wimmer, Gerhard Steinlechner, Matthias Dietrich, Christine Gnahn, Eva Weissensteiner, Marie Gamillscheg, Satie Gaia, Lina Mairinger, Jonis Hartmann, Philipp Böhm, Lütfiye Güzel, Kerstin Fischer, André Patten, Katrin Theiner, Daniel Ableev, Marina Büttner und Martin Piekar.


freiTEXT | Simone Scharbert

MIMOSEN
unsere stirn ein neigen
wir atmen entwegt
nähe also konzentrierte haut
nervenzweige rastern die luft
wir hören spüren wir lauschen
sind staunen sind halt sind
lose nastisches gewebe warten
auf reiz gegebene bewegung
legen schulterblätter sacht
auf falten einander
wehen im arm

Simone Scharbert

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freiTEXT | Jonas Linnebank

der baum ist sinnlos
gestorben der stift
ist sinnlos die schrift
sinnlos zerlaufende
tinte auf dem weißen tod

die form ist tot
verbraucht das ich
ist tot der nächste
vers ist tot
sinnlos verbrauchte zei-
len in schwarz
in den tod gesprungen

die melodie ist
zu ende dazwischen
ist leere zeit
der rhythmus ist
verloren ungewiss
tot vielleicht keiner
sucht niemand findet
etwas dahinter
die tür bleibt
verloren ungesucht
verschlossen der sinn
ist tot schlußendlich
vergessen die suche
verloren
vermessen
und tot

Jonas Linnebank

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freiTEXT | Martin Piekar - Teil 3

Wolkenformstationen

III

Weißes Blatt nebst grauer Wolke
Ich glaube, ich werde einen Papierflieger losschicken
Wohin ich sehe ist es eine Jahreszeit
Wohin ich sehe ist es grau
Wir sehen heut Abstellgleis aus
Ob das Grau sich auflösen lässt
Ich liege ganz stark auf dem Rücken
Ich liege ganz stark auf feuchter Erde
Der Papierflieger kann ein Loch reißen
Grau kann nur von weißem Papier
Zerklüftet werden. Ich reiße mich
Zusammen und liege ganz stark.
Ich will jetzt nicht aufstehen
Ciemno heißt polnisch dunkel oder finster
Ciemnota ist
Die Beschränktheit. Deckendes Dunkel
Ich fürchte
Auch im Rückwärts-
Oder Krebsgang könnte niemand
Erahnen wo das Himmelgrau anfängt
Oder aufhört. Deckgrau; so unlicht
Der Zustand, wenn man
keinen Schatten wirft
Wenn die Füße letzte Verbindung
Zur Welt sind
Wenn.

Martin Piekar

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freiTEXT | Martin Piekar - Teil 2

Wolkenformstationen

II

Kein Passwort erlaubt mir
Hier mehr oder weniger
Wohnen, wie du mich nimmst
An diesen Ort
Der unter anderen Wolken mein Bett war
Covern uns mit Decken
Weil wir das Lied vom Tempel kennen
Er stürzt schon noch ein. Keine Angst
Ein Schaf. Eine Ente. Ein Hase
Weil ich weiß, wie die Kehle verkieselt
Am morgen Schlucken, ein Schotterweg
Da wir erst zu viel tranken und
Dann gemeinsam zu wenig. Als wir schliefen
Wurden wir erst wir
Unter jenen Wolken
Gehaben sich
Kondensstreifen wie Lehren
Wir sind nightlos
Von der himmelweiten Immigration
Von einem Menschen
In den Andern
Als Wanderer raste ich bei dir und
Die Wolke vor unserem Morgen
In den wir starren (werden)
Sieht aus wie deine Fickpalme
In mir ist es willig
Dir endlich zu sagen
Dass deine Fickpalme Poesie ist.

Martin Piekar

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freiTEXT | Martin Piekar - Teil 1

Wolkenformstationen

I

Ich habe heute hochgeschaut
Häufig Eigenwarnung: könnte kitschig werden
Aber dort warst du
Du warst natürlich nicht da, aber es war du
Wir beide haben geschrieben, schreiben
Ins Blaue hinein. Du wirst so oft
Vom Himmel aufgelesen
Ich habe nur mein U-Boot-Bewusstsein
In den Wolken. Wo du nichts zurechthämmern
Kannst. Fatal den Formen
Fatal das Formen ausgeliefert
Als ich aufs Erwachsensein hinschrieb: Früher
Heute: fühle ich mich kleiner als
Seit du mir erzähltest
Wenn du in die Wolken
Schaust mit Celan –
Sich selbst regnend
Sich einsehen –
Und nicht nur an deinen Stern denkst
Sondern, dass unter seinem
Deine Dichtung auch mal ruhen darf.

Für Alexandru Bulucz

Martin Piekar

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freiTEXT | Marina Büttner

Tschador

Sie setzt sich auf den Platz direkt gegenüber
ganz in schwarz, ich sehe ihr Gesicht, ein junges
Mädchen, trotzig, eigentlich ein Jungengesicht -
wäre sie einer, säße sie breitbeinig.
So fällt ihr schwarzer undurchdringlicher Schleier
lose über den Körper, der schemenhaft bleibt,
behandschuhte Hände tippen unverwandt
Buchstaben - versehentlich berührt ihr Fuß
kurz den meinen - sie schaut erschrocken auf,
ihre Augen sehen traurig aus.

Marina Büttner

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