freiTEXT | Dijana Dreznjak

freiTEXT_Illus14

ENTSCHLOSSEN...

Sie blickt aus dem Zugabteil -

ihr Blick starr und leer.

Am Bahnsteig wartend - links der neue graue Koffer, rechts die Lieblingshandtasche. Heute benutzt sie den Lift - statt der üblichen Treppen.

Als sie das Ticket kauft -

steigen Tränen in ihre Augen - sie hasst Abschiede.

Nur das Nötigste wird mit dem Taxifahrer gesprochen. Bevor sie einsteigt, atmet sie noch einmal tief durch -

noch ein kurzer Gedanke.

Mit zittrigen Finger wählt sie die Nummer des Taxiunternehmens. Der letzte prüfende Blick, ob sie das Nötigste eingepackt hat.

Entschlossen und doch irgendwie verunsichert schreibt sie auf das Blatt...

Ich bin weg und komme nicht wieder!

 

 Dijana Dreznjak

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Die freiTEXTe machen erstmal Pause. Ab 1.12. übernimmt das advent-mosaik. freiTEXTE gibt es wieder ab Jänner 2015.


freiTEXT | Madlin Kupko

freiTEXT_Illus8

Ein Neuanfang auf ewig

Salzburg, Salzburg, Salzburg.
Du versprachst so viel.
In all’ deiner Ruh, in all’ deinem Frieden.
Du hast mich geblendet, du hast mich gegeißelt,
du hast dir alles genommen, wie es dir beliebt.

Hoffnungen keimten, Hoffnungen vergingen.
Klopfende Herzen im Einklang, unendliche Freiheit.
Hand in Hand die Salzach entlang, Tränen vor Freude, Lachen aus Lust.
Neue Menschen, neue Erfahrungen, neuer Lebensmut.

Plötzliches Vergehen, ein klopfendes Herz das bleibt.
Vergessen, vergessen, vergessen.
Ein anhaltendes Flehen sich umzudrehen.
Ein anhaltendes Flehen endlich zu gehen.

Salzburg, Salzburg, Salzburg.
Ein letzter Abschied.
Endlich in Ruh, endlich in Frieden.
Neue Kraft, neue Erinnerungen,
verdrängend den Rest.

Madlin Kupko

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freiTEXT | Andreas Haider

freiTEXT_Illus7

Zu wos?

Da Astronaut hod sein Steiaknüppi gaunz fest in di Händt koidn. Nem eam schwebt di Termosfloschn mitn Kaffee vorbei, in da Schwerelosigkeit. Ea greift sis und trinkt amoi owa, dass a ned schlofat wiad, do, in da Finstan, mittn im gaunz großn Nix. Di Stean, di a siagt, san olle so weit weg. Und di Wöd, wo a gschart is, vor sovü Joahr, is schau sowos vo laung hinta eam.

Wia laung a do hiazt schau in dera Raumkapsl sitzt? Ea üwalegt. Des miassn sicha schau fünf Joahr sei, mindestns. Und ea wiad nu fost zehn Joahr so weidafliagn, bis a zu dem Palnetn kimmt, wos na higschickt haum. Daun soid a dort den Planetn fünf Joahr erforschn, und daun fliagt a wieda hoam. Wieda fuchzen Joahr in da Raumkapsl, bis a wieda zruck kimmt.

Daun wird a fünfadreißg Joahr im Wödraum gwesn sei. Fünfadreißg Joahr! A hoiwats Lebm. Netta in dera Raumkapsl. In dem Blechküwi.

Er nippt nu amoi owa vom Kaffee, daun gibt a da Termosfloschn an Schubs, dass wieda wegaschwebt in da Kapsl. Owa er is jo eh ned aloa, es sand jo nu nei aundare Astronautn und Astronautinnen an Bord. De san owa oiwai obwechslnd im Tiafschlof. Netta waun ona aufwocht und eam olöst, so olle Monat, daun hod a amoi a Aunsproch, zumindast fia an Tog oda an hoibn, bis a si a in des elektrische Tiafschlofbett legn muas. Und daun schloft a nei Monat, bis eam da Computa wieda aufweckt, wei a wieda des Raumschiff steian muas. Nei Monat schlofn, oa Monat munta, fuchzehn Joahr laung. Er schüttlt in Kopf. „Warum hob i mi nua gmödt“, denkt a si.

Waun a wenigstns wos gscheids zun doa häd. Owa ea braucht jo ned amoi fliagn, des mocht eh oiß da Computa. Ea muas netta aufpassn, ob da Computa si eh net varrechnt hod. Und waun a Komet oda a Asteroid daherkimmt, den da Computa üwasegn hod, daun muas a ausweichn. Owa des passiert eh so guat wia nia. Dass do amoi a Komet kimmt, des ist fost ausgschlossn, und söbst waun, daun wiad a meistns eh vo de Computasensorn entdeckt und da Computa programmiert an neichn Kuas, dass net zaumstessn. Netta waun des ned funktinoniert, daun muas a eigreifn.

Des is jo des schlimme, dass ma sovü Zeit zan nochdenga hod, in dem Raumschiff. Und oiwei muas a an des Söwi denga, dass a do hiazt insgesaumt fünfadreißg Joahr im Wödraum sei wiad. Dass a sei hoiwats Lebm do in dera Kapsel vabringt. Wia in an Häfn, aus demst ned ausbrecha kaunst. Und ständig de Frog, wos des eigentli füa an Sinn hobn soid, des gaunze. Ea hoits nimma aus.

Dawai hod a se des oiwai so schee voagschöt, des Wödraumfliagn. De große Freiheit, schwebn in da Unendlichkeit, wegakuma vo da Erd und ihre Probleme, wos segn, wos nu nia zuvor a Mensch gseng hod, wo geh, wo nu nia zuvor a aundara Mensch gaunga is, und wo möglichaweise a ni mehr a aundara Mensch geh wiad. De Freiheit woas, de eam außi tribm hod, ins Wödall. Owa hiazt, hiazt is a eigspeat in dera deppadn Kapsl.

Do hod a a Idee: Ea schreibt an Zedl und legtn auf den Sitz in da Raumkapsl. Daun geht a zu dem Kleidaschraung, wo de Raumanzüge drinnen san, nimmt se oan aussa und ziagt sin au. Ea geht zua Ausstiegsluke. Wir as aufmocht, do blinkn de gaunzn Woanliachta rot, und a Computastimm sogt eam, dass a de Lukn jo ned aufmocha deaf, owa des is eam in dem Moment wuascht. Ea wü nimma eigschpeat sei in dem deppaden Blecküwi, der duachs Wödall fliagt, ea wü frei sei. Frei! Um an jedn Preis!

A poa Wocha späda weckt da Computa den nextn auf, der drau is mitn aufpassn. Ea sucht üwaroi noch dem Astronautn, owa ea findt nua den Zedl aufn Sitz. Er nimmtn und liest. Während a des glesen hod, do woa unsa Astronaut schau Millionen Kilometa weit weg, irgendwo im Wödall, valoan in dem gaunz großn schwoazn Nix. Valoan, owa frei.

Andreas Haider

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freiTEXT | Simone Lettner

freiTEXT_Illus-2

Gefangen im Zwiespalt zweier Welten

Es ist wahr, ich lebe zwischen solchen Welten,
Dass, was in der einen zählt, nicht kann auch für die andre gelten.
Ich kann's nicht und muss es doch - mich selber spalten,
Fühle mich wie von verschied'nen zwei Gewalten festgehalten.
Doch ist dies nur mein ganz eig'nes - mein Vergehen,
Hier kann nicht gesprochen werden von nur einem Urversehen.
Denn ich selber wollte diese zweite Welt ja -
Konnte nicht erahnen, ahnte nicht, dass damit erst're fällt – ahh!
Dieser Zwiespalt, doch nichts will ich jetzt aufgeben,
Denn das eine nur, das and're nicht - das wäre nicht mein Leben.

Simone Lettner

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Sonntag ist Werktag

Es nahm alles seinen Anfang mit einem Lachanfall auf der Piazza del Michelangelo in Florenz...


freiTEXT | Eva Löchli

freiTEXT_Illus10

 

maradana neujahr

der mann steht am strand
seine beine sind weich und
sein kopf ist leer
herausgebrannt sind die namen
verschollen die worte

im dunkel jetzt hört er
das rauschen des wassers
das klingt wie sein leben
und das leben war schwer
vor der flut
in den booten
im sand
ein jahr
noch ein jahr noch ein jahr
und vorbei
und dies jahr wäre jung
und es kann nicht beginnen
ertrunken der anfang

die augen des mannes sind fort
das feuer von schmerz und angst
ist in den höhlen
erloschen
und es ist nicht schwer
sein leben
denn es ist nicht
verloren sein boot
das kind weggeschwemmt
ein riss im sand
in ihm

der mann steht am strand
hat in den ohren das rauschen
und ist nicht
da

Eva Löchli

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freiTEXT | Claudia Kraml

freiTEXT_Illus9

Tintenzeichen

“Einfach schreiben, Zeile um Zeile, nur nicht nachdenken, immer weitermachen. Das Blatt füllen, sodass das Weiß zurückweicht, die beängstigende Leere, die Anforderungen stellt, nach perfekten Sätzen und den richtigen Worten an der richtigen Stelle verlangt. Sobald man über sie zu reflektieren beginnt, ist es aus, denn das Zögern verhindert jede weitere ehrliche Aussage. Die Buchstaben werden zu Teilen trügerischer Kartenhäuser, die durch den leisesten Windhauch zerstört werden können. Wieder einmal verstecke ich mich hinter ihrer Fassade, verschlungene Gedanken und unablässiges Hinterfragen haben mich meiner Sicherheit beraubt. Daher auch die Angst vor allzu kurzen Sätzen, denn: Was kommt nach dem Punkt?
Was du hier siehst, ist nur ein kleiner Teil von mir. Doch wenigstens zweifeln darf ich nicht, nicht an der Rechtmäßigkeit, dir das hier zu schicken, nicht an meiner Macht über die hundert Worte, die mir gleichzeitig in den Sinn kommen und und sich so schwer bändigen lassen, nicht an deiner Bereitschaft, den Umschlag zu öffnen und dir Zeit für mich zu nehmen. Für die wenigen schwarzen Tintentropfen, aus denen diese Sätze entstanden sind. Vorausgesetzt, ich bringe tatsächlich den Mut auf, dir den Brief zu schicken. Der Weg zum Postamt ist ein sehr weiter, wenn man sich selbst nicht einmal sicher ist, ob man das Recht hat, ihn zu beschreiten.
Erneut habe ich eine Pause eingelegt, nicht gewusst, wie viel von meinen derzeitigen Erlebnissen ich dir tatsächlich preisgeben soll. Genau den Fehler habe ich schließlich schon einmal begangen, mich bedingungslos und voller Zuversicht anvertraut, mit all meinen Schwächen und Unzulänglichkeiten, dem naiven Optimismus und all der Einzigartigkeit, die jedem Menschen eigen ist. Die Strafe kam nicht abrupt, doch umso gnadenloser, ich rannte gegen selbst erbaute Mauern und versuchte doch immer wieder, sie zu überwinden, weil nicht ich ihr Schöpfer war. Irgendwann muss ich mir dabei etwas gebrochen haben, denn ich konnte mich nicht mehr weiterbewegen, sank erschöpft zu Boden, deprimiert und am Ende meiner Kräfte. Ich glaube, ich liege dort bis heute.
Was ich dir sagen will, wozu mein Kopf meine Hand drängt, es aufzuschreiben, was meine Gedanken wiederum verhindern wollen, die mich bremsen, die meine Worte für nicht gut genug halten, die alles zensieren, was eigentlich längst auf diesem Blatt Papier stehen sollte… Es ist eigentlich nicht viel. Ja, ich weiß, das sage ich immer, wenn dann wieder ein Redeschwall kommt, wenn ich dich zutexte, egal ob in gesprochener oder schriftlicher Weise.
Wie gern würde ich dir gegenübersitzen, oder, noch besser, neben dir, reden und lachen und nicht darüber nachdenken, wer wir sind, was es bedeutet und wohin uns die Zukunft führen wird. Nur im Moment leben, für ein paar Augenblicke. Den Sommer in deinen Augen sehen, egal, was für ein Tag es ist.”

Mit spöttischem Grinsen legt sie das Blatt zur Seite, sieht auf die Uhr. Ganze zehn Minuten verbrachte sie nun mit dem dicht beschriebenen Stück Papier in der Hand. Vergeudete Zeit, mit Unmengen sinnvollerer Beschäftigungen nutzbar, einfach so verstrichen. Einzig und allein wegen ihrer Unfähigkeit, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Doch das wird sich jetzt ändern.
Ruckartig erhebt sie sich, wirft noch einen Blick auf den Umschlag mit den bemüht regelmäßig aussehenden Buchstaben, die in schwunghafter Kursivschrift Namen und Adresse ergeben. Beim Anblick des Absenders hätte sie das Schreiben sofort wegwerfen sollen, ungelesen, ignoriert. Warum sie sich überhaupt damit beschäftigt hat, darüber möchte sie nicht nachdenken – es gibt genug andere Dinge, die sie all die Tage, Wochen, Monate hindurch auf Trab halten. Wann das aufhören wird, weiß sie nicht, sie will es nicht einmal wissen, aber jedenfalls darf sie nie innehalten, keine Fehler eingestehen, sich nicht mit der Vergangenheit auseinandersetzen.
Und so segelt diese in hohem Bogen in den Papierkorb.
Dicht gefolgt vom Brief einer Möbelfirma, die einen Teil ihres Sortiments mit Rabatten bewirbt.
Der Preis wäre immer noch zu hoch gewesen, in beiden Fällen.

 Claudia Kraml

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TEXTart

Straßenkunst aus München und Texte von Veronika Aschenbrenner: eine Symbiose.


freiTEXT | Magdalena Ecker

freiTEXT_Illus-4

Der Seelenfänger

Die herbstlich bunten Wälder
tun Nebelkleider an
Es liegen leis die Felder
in magisch, düstrem Bann

Lautlos kreist ein Rabe
ruft schaurig „Nimmermehr!“
Durch seiner Augen Farbe
wird die Seele blass und leer

Er trägt auf seinen Schwingen
wie`s scheint die ganze Welt
Oh, trübsinniges Singen
dass die Nacht ringsum zerfällt

Der Morgensonne Strahlen
trinken sacht den kalten Tau
Träume, die die Schatten stahlen
Des Raben Lied klingt ach so rau

In seiner schmucken Schwärze
Im Geäst der Rabe thront
Und Glanz der teuren Erze
in seinen Federn wohnt

Des Raben Augen zeigen
einen weit entfernten Ort
Stets musst du die Blicke neigen
sonst nimmt er dich mit fort

Magdalena Ecker

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freiTEXT | Sabine F.

freiTEXT_Illus-5

Im Zug: Reise nach…

„Wohin geht die Reise?“ wollte das kleine, zierliche Mädchen wissen. „Ich weiß es nicht“, antwortete ich, „ist das denn so wichtig?“ Ratlose, aber neugierige Kinderaugen musterten mich: „Aber du musst doch wissen, wo du hinfährst!?“ Ich wusste es nicht. „Reist du ganz alleine?“ fragte das Mädchen mit mitleidigem Blick. „Ich bin doch nicht alleine. Du bist ja auch da!“ Die Kleine strich sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht. „Wie soll es dort sein, wo du hinreist?“ Gelassen antwortete ich: „Ich weiß es nicht. Aber eines weiß ich: Ich werde da sein. Ich werde mit allen Sinnen da sein. Ich werde an keinem anderen Ort sein wollen. Und ich werde wissen, dass ich angekommen bin.“ Meine Antwort schien das Mädchen zufrieden zu stellen. Es nickte mir wohlwollend zu und verschwand aus meinem Blickfeld.

Sabine F.

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