mosaik23 – du bist fad.

mosaik23 – du bist fad.

Intro

Wer ist fad?

Wenn das mosaik auf der Titelseite eine so provokante Behauptung aufstellt, dann fragst du dich wohl, wer denn nun fad sein soll. Nun, entweder ist dies eine selbstbezogene Behauptung vom mosaik, vielleicht eine neue, etwas fragwürdige, PR-Masche. Ein kurzer Blick ins Archiv, genauer gesagt, in mosaik13, hilft weiter:

„Keine Literaturzeitschrift kann jemals so langweilig sein wie die letzten Bücher von Peter Handke.“ – Marko Dinic

Puh, aus dem Schneider. Aber das würde ja bedeuten, das Du bezieht sich auf dich, werte Leserin bzw. werter Leser, sofern Sie nicht schon von der Titelseitenduzerei abgeschreckt oder gar beleidigt worden sind. Sehr kühn von uns, sind wir doch eigentlich ganz lieb und freundlich. Und was sagt eigentlich Frau Pernkopf auf Seite 8 dazu?

Aber wo waren wir. Genau. Die Literaturzeitschriften. Dass die nicht fad sind, haben wir (und du sicher auch) nicht erst mit mosaik13 rausgefunden. Was die aber wirklich können, das dürfen sie selbst unter Beweis stellen. Zum einen beim ersten Treffen unabhängiger, zeitgenössischer Literaturzeitschriften, das im Mai 2017 in Salzburg stattfindet – klein und laut präsentieren sich bereits jetzt einige dieser Zeitschriften ab Seite 53.

Dennoch: Wenn man zum dreiundzwanzigsten Mal etwas macht, dann muss man sich dem Fadessevorwurf stellen. Intern möchten wir dafür sorgen, dass wir eben dies nicht werden, arbeiten an neuen Formaten, Inhalten, Themen. Doch dafür brauchen wir dich, der du grade im Zug/auf der Wiese/am Klo sitzt und zufällig oder ganz bewusst diese Zeiten liest. Wer liest eigentlich noch Vorwörter? Ach, ist eh ein Intro. Und als solches darf es ruhig auch konfus und wirr sein.

Weiterhin: Wir brauchen dich. Wenn du dich fragst, was wir so machen, dann lies einfach mal weiter und schau dich online um. Wenn du das, was wir (außerhalb dieses Intros) so machen, gar nicht mal so schlecht findest, dann werde doch ein Teil von uns! Noch nie war es so einfach, ein Mitglied der mosaik-Familie zu werden. Schau einfach mal auf wir.mosaikzeitschrift.at vorbei.

Der Vorteil daran: Wir sind nicht fad.

Unser Mosaik.

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mit Texten von:
  • Ulrike Anna Bleier
  • Daniela Chana
  • Sagal Comafai
  • Fabian Lenthe
  • Christian Lorenz Müller
  • Susanne Pernkopf
  • Andreas Reichelsdorfer
  • Kathrin Schadt
  • Sigune Schnabel
  • Katja Schraml
  • Jan Seibert
  • Leon Skottnik
  • Elisa Weinkötz
  • Phillip Zechner
klein&laut – Literaturzeitschriften-Spezial mit Vorstellung von:
  • Politisch Schreiben
  • &radieschen
  • Richtungsding
  • Sachen mit Woertern
  • Seitenstechen
  • Zeitblatt Prisma
  • STILL
Übersetzungen von Texten von:
  • Katja Plut (aus dem Slowenischen)
  • Natasa Velikonja (aus dem Slowenischen)
  • Karlo Hmeljak (aus dem Slowenischen)
  • Florin Iaru (aus dem Rumänischen)
  • Aleksandr Baslacev (aus dem Russischen)
  • Nicoletta Grillo (aus dem Italienischen)
Mit Auszügen aus:
  • KulturKeule XXIII – Texte von
    • Fiona Sironic
    • Nora Zapf
    • Daniel Bayerstorfer
Buchbesprechung:
  • Marko Dinic – Lyrikkiez: Wald aus Krätze (hochroth)  und BAIAE (Verlagshaus Berlin) von Tobias Roth
Interview:
  • Sibylle Ciarloni mit Joanna Lisaik
Kolumne
  • Peter.W. – Hanuschplatz
eine Grafik von:
  • Flamingo
Kreativraum mit Veronika Aschenbrenner

06 | Sigune Schnabel

Eingemachtes

In Einmachgläsern
ruhen die Sommer.
Nur kleine Schüsseln
füllst du
mit Erinnerungen,
damit wir durch den Winter kommen.

Du hast die Schale entfernt,
und Momente liegen weich
in meiner Kehle.

Auf meinen Lippen:
das letzte helle Wort

in einer fremden Sprache.

Sigune Schnabel

Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen:

advent.mosaikzeitschrift.at

freiVERS | Sigune Schnabel

Unter die Haut

Es gibt einen Raum unter deiner Haut,
in dem Legenden wohnen.
Dort rennt das Glück
die Adern entlang.
Manchmal,
wenn sich die Welt
voll gesogen hat
mit Regen,
dass sie sich an den Rändern einrollt;
wenn ich ihre Geschichte
glatt ziehen muss,
um sie zu lesen –
manchmal werden meine Schritte groß
und springen
aus den Umrissen
meiner Existenz
unter deine Haut.

Sigune Schnabel

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freiVERS Spezial | Lyrik zur Arbeit

Bundt ist der neuneue Pfau

Brothers and sisters, Jesus says
Leave your cars and offices
(The Servant – Jesus Says)

Color full collar
Fool colourful
Is the New
Do
Rien Graey

Lettuce-tarte
Building A
United Colors of
Peacock
ProcrastiNation

Even
More Beautiful
Cos We All
Know
Or Never

Gonna reach the Treasure
At the end of rainbows
And of your
Rope
I Want to

Shimmy-shimmy
Shimmy through
The break of
Dawn,
Yeah!

Shimmy-shimmy
Through Dawn
Break!
Y'all!
Yalla! #YALA

Nathan Sirch

freiTEXT_Illus16

-

Auf den Dächern

sitzen Spatzen,
lösen sich Ziegel aus Erinnerung.
Ich sehe Mutter am Bügelbrett,
wie sie den Tag glättet.
Draußen bist du Schneekönigin
mitten im Frühling,
hängt sie Wäsche
und alte Regeln an die Leine,
die mit den Worten der Nachbarn flattern.
Zwischen Unkraut lauern Nacktschnecken
und andere Feinde,
baust du Schlösser
und braust Mittel
für tote Fliegen.

Erst am Abend
stürzt dich Mutters Stimme
von den Zinnen
deiner Welt.

Sigune Schnabel

freiTEXT_Illus-1

-

Agnes

Sie fängt den Blick mit leeren Augen
ihr Körper bedeckt von milchiger Haut.
An Wunder darf sie nicht mehr glauben,
jeder Handstreich ist ihr schlicht vertraut.

Vom Alltag ist sie schon ganz mürbe
- ihr Glanz wie der, der Gläser stumpf
trotz alldem bewahrt sie ihre Würde
und umhängt mit Schürze ihren Rumpf.

Eiskalt erfühlt sie das Hochglanzbesteck,
lächerlich klappern unbarmherzig Tassen,
die Tischdecke entstellt vom Rotweinfleck,
das Essen wird sie sogleich bringen lassen.

Sie umfasst die Speiseteller ohne Liebe,
macht sich zu ihrem Kreuzweg wieder auf,
Glotzblicke verletzen wie Peitschenhiebe,
sie trotzt, wie täglich - und nimmt in Kauf.

Die tüchtigen Beine tragen sie zielgenau
nacheinander serviert sie all die Wünsche
lächelt gequält zu Kind, Mann und Frau
ihr Erfolg schier gewogen in barer Münze.

Sie bittet ihre Laufkundschaft zur Kasse
und wird zugleich auch selbst gebeten
ihren Tribut zollt sie nicht per Geldmasse,
denn sie gab bereits ihr verwirktes Leben.

Claudia Wallner

 freiTEXT_Illus18

-

Die Baustelle

Schon lange nun beschäftigt mich
Der Bau des Hauses mein
Die Mauern stehen, weiß der Strich
Sein Anblick ist gar fein

Und doch der Bau, er zieht sich hin
Schon fertig ist er nicht
Ideen kommen in den Sinn
Irrsinnig scheint Verzicht

So bau ich noch ein Stockwerk drauf
Drum hoch es ragen kann
Im Garten schnell ein Wasserlauf
Das Aug‘ dankt mir es dann

Ein Loch ich schlage in die Wand
Das Licht soll fluten hell
Das Fenster wie ein Festgewand
Ist individuell

Ein Schornstein hier, ein Pflänzchen dort
Es ist so groß und stark
Doch optimierbar ist der Ort
Ums Wasser noch ein Park.

Bloß einzigartig soll es sein
Voll Pracht, voll Glanz, das Hause mein
Verdrängt, erstickt der leise Hohn
Dass längst schon könnte drin ich wohn‘

Katie Grosser

freiTEXT_Illus13

 

ambiguitätstoleranz hast du
das genannt
beim schwimmen zwischen schreibtisch
sommer zweifelschieben
in abgeschriebenen zeitsymptomen
die gedanken ruhen lassen
in revolutionsplagiaten
welten retten
und bezugnehmend auf ihre ausschreibung
stromlinienförmig tättowiert
brummt horizont grün
hinter den ohren einer exzellenz
generation
mit den händen in den hosentaschen.

Annika Domainko

freiTEXT_Illus8

-

Wir haben ein Herz

Wir haben ein Herz. Wir haben ein großes Maul mit viel dahinter. Wir haben eine Meinung, wir müssen nicht immer urteilen. Wir sind links. Wir treiben es bunt, wir treiben es oft, wir treiben es gern. Wir brauchen Geld zum Leben, mehr davon nicht. Bei uns sind auch die Männer Emanzen. Wir brauchen keine Kirche, wir können selber denken. Wir sind viele. Wir studierten die Einsamkeit. Wir sind die Stillen. Wir können auch laut werden. Manchmal denken wir erst hinterher nach und vielleicht schämen wir uns dann. Niemand weint so schön wie du. Wir waren lange genug jung und hübsch. Wir sind schwach, wir sind mutig, wir sind stark, wir sind zart. Wir straucheln und jammern, wir kämpfen, wir gewinnen, wir scheitern: Wir sind unterwegs. Wir lieben, wir leben. Wir sind Helden. Wir machen weiter.

Sabine Roidl

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Advent-mosaik IV als eBook und PDF

Cover_ebook_adventmosaikDas Advent-mosaik IV gibt es jetzt auch als Anthologie. Die große Nachlese gibt es als PDF und eBook hier kostenlos zum Download.

Mit Texten von:

Camena Fitz, Claudia Kohlus, Martin Reiter, Ingeborg Kraschl, Luka Leben, Jonas Linnebank, Simona W., Eric Ahrens, Simone Lettner, Marina Büttner, Matthias Engels, Natalia Fastovski, Simone Scharbert, Katie Grosser, Claudia Maria Kraml, Maximilian Michl, Sophie Stroux, Sigune Schnabel, Andreas Schumacher, Gundula Maria von Traunsee, Claudia Wallner, Martin Piekar und Andreas Haider.

Illustrationen von Sarah Oswald.


18 | Sigune Schnabel

Tagschmelze

Du sagtest,
Erinnerungen wachsen im Schatten
zwischen Gesteinsbrocken.
Doch der Gipfel lag karg im Dunst,
die Luft so dünn,
dass sie von der Last der Vögel
zerbrach.

Als wir von Flüssen sprachen,
taute der Schnee in den Grund der Worte,
und deine Haare flatterten
wie Segel.

Ich pflückte das Moos
von deiner Stirn
und ließ es zwischen Felsen liegen.

Lange vor den ersten Flocken
trieben Silben
auf den Wegen
und zerfielen unter den Füßen.

Sigune Schnabel

Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen.