freiVERS | Matthias Engels
durch die wand
du sagst: Herrgottnochmal
der sommer war sehr klein
und der herbst nicht mehr
lassen wir den winter nicht rein
und hoffen dass er draußen
nichts anstellt
du sagst man sieht
der dunkelheit nicht ihr alter an
und keiner kennt den namen
den der schwarze vogel gerade tanzt
du knipst den raum aus
um uns
die bäume die häuser
das rauschen
du sagst: ich bin ein freies land
klickst den wässrigen mond weg
und jeden einzelnen
immer wieder aufpoppenden stern
wir kippen das mondtrübe wasser weg
und trinken schwarzen wein
blinkenden blickes steht
mein sehkrankes auge
auf stand by
du sagst:
dein traum muss durch die wand
durch das loch das geformt ist
wie die wirklichkeit du sagst:
die besten gedichte sind immer jene
die man sofort wieder vergessen kann
Matthias Engels
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freiTEXT | Slata Roschal
Ich dachte, dass ich die Stadt verschlingen werde, sie austrinken werde, all ihre Geschäfte, riesige Werbeplakate, endlose, ineinander verwickelte Straßen, das Wirrwarr bunter Gesichter, das Chaos von Babylon, aber sie war es, die Stadt, die mich verschlang. Ich reiste mit einer Tasche an und kehrte mit dreien zurück, ich wollte auf dem Bahnhof Unterwäsche, Pralinendosen, Sushi kaufen, und trug stattdessen sieben antiquarische Bücher und reduzierte Schokolade zweiter Wahl davon. Am ersten Tag nahm ich zwei Kopfschmerztabletten und überlebte bis zum Abend, am zweiten Tag brach ich auf der Straße samt meiner Taschen zusammen und übergab mich. Dann lag ich auf dem Bett eines Bekannten, der mich aufnahm, wälzte mich hin und her und überlegte, was ich falsch gemacht haben könnte, warum mein Körper die Stadt nicht annahm, meine Blutgefäße, meine Schläfen, mein Magen, meine zitternden Hände, sie protestierten gegen die Stadt. Die Stadt war nicht für Menschen wie mich geschaffen, sie war von Menschen gemacht, die kräftige Mägen, starke Hände und breite Schädel hatten, ich war ein Fremder, ein Ausstädter, eine kurzsichtige verwirrte Person vor dem Anzeigentableau der Bahnhofshalle. Ich freute mich zunächst auf die Stadt, wie Rotkäppchen auf ihre Großmutter, ein kleiner Ausflug, eine willkommene Abwechslung, aber der Weg wird lang und immer länger und anstelle der Großmutter liegt ein böser Wolf im Bett und Rotkäppchen läuft wieder zurück nach Hause. Der Wolf ist spannend, eine willkommene Abwechslung, mit ihm könnte man so viel Spannendes machen, sich zu ihm ins Bett legen, den Wein öffnen, seinen Geschichten vom Leben im Wald lauschen, aber Rotkäppchen und der Wolf, das kann nicht gut gehen. So stehe ich auf dem Bürgersteig einer kilometerlangen Straße, stelle mich mit dem Gesicht zur Wand eines Wohnhauses und übergebe mich. Eine phantastische Stadt, die altmodischen Vitrinen, antiquarische Läden, alternative Cafes, vegane Pizzas, türkische Obstläden, vietnamesische Schneidereien, verhüllte Frauen, ich möchte ihnen hinterherrennen und in ihr Gesicht schauen, so schöne Gesichter, so schöne Augen, diese schwarze Ungewissheit über ihren Hüften, sie laufen ihren Männern hinterher, ich laufe ihnen hinterher und verirre mich endgültig, was will ich von ihnen, wo bin ich, wohin will ich. Ich übergebe mich mit dem Gesicht zur Wand, die Stadt wirkt eigentümlich, kaum habe ich sie erfasst, presst sie mich aus und schlägt meinen Kopf gegen die Haustür. Mir ist schlecht, sage ich, mir ist übel, ich kann hier nicht schlafen, ich habe zwei Tage nicht geschlafen, wie soll ich weiterleben, wenn ich nicht schlafen kann, hier möchte ich begraben werden, genau hier, neben dieser Ampel.
Slata Roschal
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freiVERS | Marlene Gölz
es fließt
alles zusammen
genommen
sind die
archive des selbst
eine inbesitznahme
einzelner aspekte
von punk
Marlene Gölz
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freiTEXT | Maria Hengge
Geflüstertes Paar
„Treffen wir uns an der Ecke?“ bittet er sie und da stehen sie im Regen unter der Laterne mit Wackelkontakt. Sie leuchten auf und sind wieder im Dunkeln. „Du meine“ flüstert er und wischt sich einen Tropfen von der Nase. Sie nimmt seine Hand: „Lass uns irgendwo reingehen.“ - „Nein, nein!“ Er versteckt seine Hände tief in die Manteltaschen. Im Licht sucht sie seine Augen. Er senkt den Blick. Im Dunkeln umarmt sie ihn. Er löst sich von ihr. Sein Atem schwer. „Was ist denn los?“ - „Nichts, nichts.“ Er raschelt in seinen Manteltaschen. Ihr frieren die Zehen. Sie stehen in einer Pfütze. „Komm, wir gehen ins Trockene.“ Er rührt sich nicht. Eine fremde Stimme murmelt aus ihm: “Wir geben das Haus auf!“ - `Und ich bin schuld` fährt ihr durch den Sinn und setzt sich in ihr Gesicht. Er sucht ihre Wange: “Nein. Das hat mit Dir nichts zu tun.“ Das Licht erlischt. Raschelnd taucht er seine Hände in seine Taschen. „Was hast du da?“ Sein Atem stockt. „Sag mir doch!“ Schwer wiegt er seinen Kopf und seine Augen fliehen „Du meiner!“ flüstert sie und umschlingt ihn zum Kuss. Lange stehen sie so. Aus seinem Mantel zieht sie Briefe heraus. „Sie hat sie gefunden.“ murmelt es aus ihm. Im Dunkeln wird ihr Atem ganz still. „Du musst Geduld haben“ fleht er, doch seine frierende Hand weckt eine Flut in ihr und schwemmt ihn fort. Eine ganze Weile kniet sie in der Pfütze und wäscht Papier. „Hallo“ ruft eine Stimme über ihr. „Hal-lo“ ahmt sie nach und wendet sich müde einem jungen Mann zu. Er reicht ihr die Hand. „Zaza“ stellt er sich vor und seine Geste macht sie lachen. Sie will sich lösen, doch er nennt sie „Sonze“ und zieht sie zu sich heran. `Russisch wie meine Seele` fällt ihr ein. Sie setzen sich auf eine Bank im Park, der längst verlassen ist und blicken auf die schwarzen Bäume. Der Zeit verloren erinnert sie sich an eine Reise. Zazas lange Beine fliegen über den Abgrund. Im Treppenhaus riecht es nach Kirche und er trägt sie hoch bis in ihr Bett. „Du meine“ hört sie ein Echo letzter Nacht. „Komm“ flüstert sie und als Zaza kommt, klingelt ihr Telefon. Nein. Sie ruht an einer anderen Brust. Schwach schlägt sein Herz und ihre Arme knicken um den jungen Mann. Er reißt sie nicht an sich in stürmischer ja flehender Umarmung: „Meine, du meine, verlass mich nie!“ Sein fremder Geruch treibt sie an den Rand ihres Bettes. Morgens birgt Zaza seine Augen hinter einer Sonnenbrille und sucht jemand zu sein, der finster blicken muss. „Peng-peng!“ schießt sie ihn ab. Seine Lippen flüchten über ihre und seine Schritte klatschen im Treppenhaus wie Ohrfeigen. Sie schließt die Tür, das Telefon schweigt und die Buchstaben schwimmen in der Pfütze.
Maria Hengge
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freiVERS | Caroline Danneil
die jungen mädchen blühen wieder
kämmend eine der anderen haar.
in langen strichen,
bekränzend den hals mit tüchern,
mit nachdruck, mit wippen.
fransen wie blätter, oder zünglein
von gestern, nachtropfend -
gerede der schwester.
in einer Eingangshalle - hockeyschläger,
lauschend. haltend die wände
statt sträuße von jungen männern.
arme sich umarmend sorglich
ihrer selbst. halbsicher des wegs.
wie federn im fallen aus höhe
gezogen - halb so gewolltes.
zur sonne reckt sich stunden später
ihr fleisch. die jeans in kniegegend
aufgeplatzt wie behütete knospen.
was erzählen sie der neuen wärme vom winter?
was vom alleinsein? in einer whatsapp im vertrauen.
meine erinnerung - überwinternd &
gierig zu platzen, schickt sich als erste zum züngeln.
Caroline Danneil
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freiTEXT | Laurel Eberle
Der Zuckervogel
Eine alte Schaukel hängt an dem Mangobaum draußen vor dem Fenster. Sie erinnert sich, wie sie stundenlang dort saß und das zerschlissene Seil hielt. Der Himmel spannte sich zu einem Dunst aus Lila und Blau. Und aus der Höhe sties ein Zuckervogel auf eine der Früchte, oder er flog zu wild blühenden Allamanden neben dem Haus. Saug den Nektar.
Mädchen spielen in den Vorgärten. Sie kann hören, wie sie klatschen und singen zu "Down Down, Babyâ". Sie kann das Knirschen der Autorreifen auf dem steinigen Asphalt der Uferstraße ausmachen. Sie lauscht dem Zuckervogel.
Down Down Baby, Down by the river side
Sweet Sweet Baby, I'll never let you go...
Vögel fliegen über die singenden Kinder, hienüber zu dem Fenster, wo sie sitzt und wartet. Er kommt zur selben Zeit, tagaus, tagein. Sein Rücken ist schwarz, sein Schnabel gebogen; mit ihm hämmert er wild gegen den Fenstersims. Sie stellt ihm eine Schale Zuckerwasser hin, die er meidet. Viel lieber trinkt er aus ihrer Hand.
Sie schüttet ein wenig Süße in ihre Hand, und das Wasser verrinnt in ihren Lebenslinien. Immer wenn sich ihm zu entziehen beginnt, schreitet der schwarze Vogel mit der gelben Brust ihr frech entgegen.
Er nippt.
Er schluckt.
Schnell verschwindet das Zuckerwasser von ihrer Haut, doch er trinkt weiter. Sie spürt die sich eingrabende Schnabelspitze und versucht ihre Hand wegzuziehen. Heute trägt sie die Bluse, die ihr Tita genäht hat, die mit den Lagenärmeln. Ein davon hat sich verhakt im Fensterrahmen, dessen sonnengetrocknetes Holz leicht brüchig geworden ist. Sie versucht, ihn freizumachen. Plötzlich reißt der Zuckervogel ihre Haut, seinen Schnabel in die Innenseite ihrer Hand bohrend. Schreie. Blut. Es fließt über ihre Hand, rinnt zwischen ihre Finger. Sie bewegt sich nicht mehr. Sie sitzt fest.
Er trinkt.
Er schluckt.
Als er genug hat, fliegt der Zuckervogel davon, sein Magen voll mit Hautfetzen, ihrem Blut; zerschlissen lässt er Hand und Ärmel zurück. Draußen spielen noch immer die Mädchen. Sie wechseln sich ab beim Schaukeln unter dem Mangobaum, aber jetzt singen sie ein neues Lied, eines, dass sie nicht kennt.
Laurel Eberle
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freiVERS | Anne Büttner
legitimierter Ungehorsam
Lass uns das Weil sein - und das Trotzdem auch.
Lass uns das Aber sein und alles danach.
Lass uns vom Plusquamperfekt nur perfekt gewesen sein. Jederzeit, immerzu - einfach nur perfekt.
Lass uns unser Präsens auch in Futur denken: und zwar in Futur II, dem Futurum exactum. Futurum simplex ist zu vage für uns.
Lass uns all uns're Konjunktive im Indikativ buchstabieren.
Lass uns nichts zwischen uns akzeptieren -
außer einem Und.
Lass uns nicht Hyperbel sein - sondern ganz selbstverständlich die Steigerung von Superlativ.
Lass uns einsilbig bleiben - und damit trennungssicher.
Lass uns das Leerzeichen streichen und uns in Klammern wohnen.
Lass uns beweisen, dass lieben kein schwaches Verb sein kann!
Anne Büttner
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freiTEXT | Sara Hauser
Der Springer
Ein Mann zog sich einen Spezialanzug an, stieg in einen Heißluftballon und fuhr damit in den Himmel hinauf bis er die Erde nur noch als kleine Kugel sehen konnte.
Dann bekam er Heimweh und sprang aus dem Korb.
Er verfehlte die Erde nur knapp.
Sara Hauser
bereits erschienen in ]trash[pool Nr.6
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freiVERS | Kerstin Fischer
Weiße Gedichte
Die Krise ist eine Metropole. In ihre Berechnung fällt blauer Schnee.
Zurück bleibt das Tauwasser auf den Gleisen. Die Schimmel der Ängste trinken davon. Zeitnah. Dann fliehen sie mondsüchtig über die Weiden.
Ich kämme den Rest der Stadt mit meinen Blicken. Durch ihn läuft mein Tropfen Zeit,
bevor er sein Meer erreicht.
Die gläsernen Fassaden der Bürohäuser spiegeln dazu die vertanen Möglichkeiten.
Menschensilhouetten bespielen den Raum. In den Händen Jahrgangssekt.
Ich bleibe in Ufernähe, bei den jungen Hunden.
Sie schlagen ihre Zähne in die Wolken. Die Gedichte sind weiß an diesem Morgen.
Kerstin Fischer
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Kerstin Fischer
freiTEXT | Peter Berg
Spieglein, Spieglein
Weshalb ich jenes Foto gelöscht habe, wollte mein Freund Christian wissen, eines der Bilder von unserem letzten Auftritt. Und ich wusste nicht so Recht, was ich darauf antworten sollte. Außer dass, mit zunehmendem Alter, sich der Sinn für Ästhetik weiterentwickelt. Anderenfalls nämlich müsste ich zugeben, dass ich wohl immer hässlicher werde.
Erst neulich habe ich mein Spiegelbild dabei ertappt, wie es näher und näher rückte, so als würde es mich kaum erkennen, als würde es sich wünschen, wir hätten nicht viel gemeinsam. Diese Falten, und diese Augenringe! Und Peter? Wieso hast du eigentlich so eine große Nase? Na weil… Damit ich besser… Nee, keine Ahnung. Ich bin olfaktorisch blind!
„Quatsch,“ sagte mein Freund Christian, „du bist überhaupt nicht hässlich. Jedenfalls nicht direkt. Du bist nur eitel!“
Ich hoffe, er hat Recht. Ich hoffe, ich bin niemand, den nicht mal eine Mutter lieben kann. Der Vorteil der Eitelkeit ist jedoch: Man sucht die Fehler nicht bei anderen.
Deshalb dachte ich vor einiger Zeit, es läge vor allem an meiner Figur. Da mein Sinn für Ästhetik mir jedoch den Kauf einer Jogginghose verbietet, hatte ich stattdessen eine Personenwaage gekauft. Extra große Ziffern und ausgelegt für 180 Kilo. Das sollte genügen, selbst in schweren Zeiten, meint man doch. Allerdings: Die Waage erzielte kaum einen Effekt, ich wurde nicht dünner. Nicht, bis ich die Hauslatschen weg ließ, …nur wenig erniedrigend. Später dann Sweatshirt, Hose, Unterwäsche.
Als ich dann noch zu diskutieren begann, jedes Mal, wenn ich nackt vom Klo kam, vielleicht war es auch schon mehr so eine Art Wimmern: „Komm schon, wenigstens eine Kommastelle!“, habe ich die Waage zurückgegeben.
Man merkt es wahrscheinlich kaum, doch einer der Nachteile der Eitelkeit ist ein leichter Hang zum Selbstmitleid. Ich glaube aber inzwischen auch nicht mehr, dass die Figur eine so große Rolle spielt. Ich meine: Vielleicht ist es ja weniger das Gewicht als das Gesicht. Nur um ganz sicher zu gehen, hatte ich vor einiger Zeit begonnen, mir einen Bart stehen zu lassen. Manche Frauen lieben das, habe ich gehört. Mutter offenbar nicht. Sie erschrak und wollte ihren Sohn nicht einmal umarmen. Wo meine Mutter jedoch nur Faulheit vermutet, fürchtete Vater eine Art Sinneswandel. Ob ich zum Islam konvertiert sei, wollte er wissen. Nun ja, wenigstens die Katze verhielt sich wie immer und fauchte mich an.
Tiere allerdings haben es in dieser Beziehung auch sehr einfach, denn egal ob sie nun pummelig sind oder ein wenig zerzaust: Sie sind eigentlich immer niedlich. Und auch fotogen! Zumindest, wenn es nach meinem Freund Christian geht, dessen Urlaubsbilder stets auch eine kleine Kollektion plattgefahrener Vögel enthalten.
Und ich bin überzeugt, dass Tiere ahnen, wie sie wirken. Vielleicht sind sie nicht unbedingt eitel, sie mögen sich aber selbst, so viel steht fest. Mein fetter Wellensittich etwa, zu albern: Sobald man ihm einen Spiegel vorhielt, begann er zu tänzeln und irgendwelchen Kauderwelsch zu brabbeln.
Beneidenswert, wenn man so unbefangen sein kann, wenn man keinen Sinn für Ästhetik zu haben braucht. Gelegentlich aber hat man selbst auch solche Tage. Das sind jene, an denen man sich zufällig in den Schaufensterscheiben bemerkt, und man sagt zu sich selbst: „He, siehst aber gut aus heute! Die Hose macht doch nicht so fett.“
Dabei wird man vielleicht auch ein wenig übermütig und probiert mal eine neue Gangart aus. Zu albern! Denn hinter einem dieser Schaufenster, an denen man gerade vorbei schlurft, ist ein Café. Gäste hören plötzlich auf, an ihren Getränken zu nippen: War das nicht eben Peter Berg? Sah aus als würde tänzeln und irgendwelchen Kauderwelsch brabbeln.
Wie auch immer. Mein Freund Christian hatte schon am nächsten Tag ein neues Foto hochgeladen. Eines, das mich mit einer pochenden Ader am Hals zeigt, mit Falten auf der Stirn und mit Augenringen. Aber Leute mochten es. Und vielleicht hat er Recht. Vielleicht bin ich ja nur eitel. Damit gleichwohl bin ich nicht allein.
Denn was passierte, als ich die Waage zurück bringen wollte? Zunächst nicht viel: „Umtausch ausgeschlossen!“ Aber die sei kaputt, behauptete ich vor den skeptischen Augen der Verkäuferin.
„Blödsinn.“
„Hier bitte,“ sagte ich, „testen Sie!“
Als dann die extra großen Ziffern zu leuchten und ihre beiden Kolleginnen zu kichern begannen, erhielt ich mein Geld zurück.
„Sie haben völlig Recht, die ist offenbar kaputt!“
Peter Berg
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