freiVERS | Stefan Heyer

Der Papierkorb

Unter dem Schreibtisch
manchmal steht er auch etwas weiter
entfernt
wartet der Papierkorb

gefüllt will er werden
bekritzelte Zeitungen
vertippte Seiten auf der Schreibmaschine
Fehldrucke

schlechte Texte, falsche Wörter
die Spuren des Bleistifts
durchgestrichene, zerrissene Seiten
mit Wut geworfene Papierbälle

Flieger voller Langeweile
mitunter auch Bleistiftanspitzreste
leere Patronen
doch hier und da nimmt

eine Hand ein Stück Papier
wieder heraus, streicht es glatt
liest noch einmal und

findet Gefallen an den Worten
den Sätzen, ein Lächeln
fährt über das Gesicht

Stefan Heyer

freiVERS ist unser Wort zum Sonntag.
Du hast auch einen freiVERS für uns?
schreib@mosaikzeitschrift.at


freiTEXT | Dmitrij Gawrisch

Man nehme einen Korb und fahre mit der Rolltreppe ins Untergeschoss. Am Gemüsestand ertaste man eine reife Avocado und eine knackige Gurke, dann halte man auf Zutaten aus aller Welt zu. Man vollführe kranartige Verschiebungen: raus aus dem Regal, rein in den Korb, raus, rein, und so weiter, und so fort, bis im Korb neben Avocado und Gurke, Reis, Reisessig, Reiswein, Algenblätter, grüner Meerrettich und marinierter Ingwer liegen. Am Regal mit den Gummibärchen, die Zähne bereits ins Plastik gebohrt, finde und fange man das Kind wieder ein, bevor ein Kinderschänder es tut oder das Jugendamt. Man schimpfe das Kind aus, bis es die Unterlippe verzieht, und akzeptiere, dass es richtig laut wird, wenn es auch noch kein Feuerwehrauto bekommt. Fisch, murmelt das Kind durch Tränen hindurch, es habe Hunger und wolle jetzt sofort Fisch essen, wo könne es Fisch essen jetzt sofort? Man setze ihm den Helm auf und schnalle es an, dann schwinge man das Bein über die Stange und trete los, durch dreißiggrädige Sommerhitze oder so. Wo sei Fisch, haucht das Kind, bevor es seinen Kopf sinken lässt und man stattdessen das Daheim ansteuern muss, damit es Mittagsschlaf halten kann und man selbst dazu: die Sonne steht in dieser Jahreszeit früh auf und nicht nur sie. Man telefoniere, erkläre, bitte, bitte abermals, werde ungehalten, danke schließlich, entschuldige sich, lege auf, atme aus. Man wasche den Reis so lange, bis das Wasser klar bleibe. Dann koche man den Reis eine Viertelstunde lang mit der doppelten Menge Wasser, entgräte und portioniere in dieser Zeit den wortlos auf die Tischplatte geknallten Lachs und schnipple das Gemüse, begieße den Reis mit Essig und mische gut durch. Man bestreiche mit dem Reis ein Algenblatt, lege Fisch oder Gemüse hinein, rolle auf, klebe zu, schneide in mundgerechte Stücke und richte sorgfältig auf einer Platte an. Man mache die Tür auf, drücke fest zurück, frage, wie es gehe, schon ewig her. Das Kind spuckt die Fischrolle wieder aus und will lieber Pizza, dann schlägt es Purzelbäume, bis es einschläft. Die Stimmung hellt der Reiswein nicht auf, man schweige sich an am Tisch, bis der Gast gehe, beteuernd, wie lecker das Essen geschmeckt habe und dass es trotz allem ein schöner, sehr schöner Abend gewesen sei, danke. Um weitere Gespräche zu vermeiden, lege man sich im Wohnzimmer aufs Sofa und schließe die Augen. Die Nächte sind kurz in dieser Jahreszeit und nicht nur sie.

Dmitrij Gawrisch

 freiTEXT ist wöchentliche Kurzprosa. Freitags gibts freiTEXT.
Du hast auch einen freiTEXT für uns? schreib@mosaikzeitschrift.at

<< mehr Prosa | mehr Lyrik >>

freiVERS | Benjamin Löber

Nachtfahrt

Ruhe und
Geschwindigkeit
Schwarze Scheiben
Spiegelzeit
Heißer Kaffee
kaltes Licht
Störe meine Gleise nicht
Benjamin Löber

freiVERS ist unser Wort zum Sonntag.
Du hast auch einen freiVERS für uns?
schreib@mosaikzeitschrift.at

 


freiTEXT | Flamingo

Wörthersee

vor zwanzig jahren, auf der fahrt zum wörthersee, kippte ein jeep in den straßengraben, unten lagen, eingequetscht, mehrere junge menschen, einer, blutüberströmt mit einer platzwunde, stand hektisch in der mitte der straße, schreiend, dass sein freund verbluten würde, unser weißer ford escort mit den blauen sportstreifen brauchte nicht superverbleit, aber fiel bei 160 schon fast auseinander, obwohl er gar nicht so alt war, wir riefen den sanker und fuhren weiter, es heißt, jim morrison hätte einmal einen sterbenden indianer vom auto seiner eltern aus gesehen und war seitdem der eidechsenkönig, was ich seitdem bin, weiß ich nicht, aber ich komme zurecht, so schlecht geht es mir nicht, wie alle immer meinen, wenn sie lesen was ich schreibe, was ich zu sein scheine und was ich so mache.

Flamingo

 freiTEXT ist wöchentliche Kurzprosa. Freitags gibts freiTEXT.
Du hast auch einen freiTEXT für uns? schreib@mosaikzeitschrift.at

<< mehr Prosa | mehr Lyrik >>

freiVERS | Raoul Eisele

petrified kisses
of mythic aesthetes
enchains us
in bondage
with passion
---------of pain
lies alice’s incarnation in cellar
of mad hatter’s abysmal hat
where you don’t speak of eden’s garden
or the endlessness of moons
with their shadows
in the marrow of your own
are giraffes placed
---------in the first floor
with their heads over the roof
into the clouds
decorated with girdle of flours
run rabbits knots in their heads
and seamen sail through the bosphorus
of your heartstrings
sings sirens of hope
that never will fulfill
is the sun the only ray
that will stay
---------in the world
of tomorrow’s us

Raoul Eisele

freiVERS ist unser Wort zum Sonntag.
Du hast auch einen freiVERS für uns?
schreib@mosaikzeitschrift.at


freiTEXT | Sophie Sumburane

Und der Mann vor mir raucht

Ich sitze im Zug und der Mann vor mir raucht. Ich sehe nicht seine Haare, keine Hand oder die Farbe seiner Jacke, nur den grau blauen Rauch seiner Zigarette, der erst wie ein Faden, jetzt als Wolke in der Luft hängt.

Doch ich weiß, dass ich ihn liebe.

Ich liebe diesen Mann, weil er im Zug raucht, es ist verboten im Zug zu rauchen, er tut es trotzdem, ich könnte das nicht.

Ich kenne auch seine Stimme nicht, habe sie noch nie gehört, zwischen all den Stimmen im Zug. Seine könnte darunter sein. Ist es ganz sicher, ich suche mir die sonorste aus und ordne sie ihm zu, stelle mir vor, wie er zwischen den Zügen an seiner Zigarette ein paar Worte spricht, wieder zieht, die Kippe glüht, die Asche fällt. Es kümmert ihn nicht.

Wie sieht er wohl aus dieser Mann, den ich jetzt liebe, der vor mir sitzt im Zug und raucht? Ganz und gar nicht wie ich, da bin ich mir sicher. Instinktiv ziehe ich meine Bluse über dem Bauch glatt und streiche einen Krümel von der bügelgefalteten Hose. So eine Hose würde er nicht tragen, er trägt sicher eine Jeans mit Löchern. Ein Shirt mit Aufdruck, eine Sonnenbrille in den Kragen gehängt. Ich versuche, sein Bild gespiegelt im Fenster neben mir zu sehen, doch da ist nichts. Meine Jacke hängt im Weg, das ärgert mich. Doch ich will sie nicht wegnehmen, ihn nicht stören, nichts Falsches tun und lasse sie hängen. Vor meinem inneren Auge will kein Bild von seinem Gesicht entstehen, es ist mir jetzt auch egal, ganz egal.

Und der Mann vor mir raucht noch immer, im Zug. Niemand kommt, kein Schaffner, keine Schwangere, Mutter mit Kind, oder korrekter Anzugträger, um ihn zu bitten, die Zigarette auszumachen. Er raucht einfach weiter, meine Augen tränen und brennen, weil ich schon so lange nicht mehr gezwinkert habe. Ich will keine Millisekunde verpassen, vom Tanz des Rauches. Will sehen, wie er sich immer weiter an der Decke des Wagons verbreitet, an der Glaswand vor ihm hängen bleibt, um nur Augenblicke später die Ritzen der Tür zu finden und in das nächste Abteil zu wabern. Ich will sehen, wie der Rauch die Nasen der anderen Fahrgäste erreicht, sie reglos sitzen bleiben. Tatenlos. Vollkommen desinteressiert. Nur mein Interesse hat der Mann vor mir, den ich nicht sehen kann, geweckt. Jetzt schließe ich die Augen, denn endlich ist der Rauch auch nach hinten gezogen, hat meine Nase erreicht und ich stelle mir vor, dass der Mann vor mir genau so riecht. Ein Geruch, der so abstoßend ist, dass er mich anzieht, so schädlich, dass er mir gut tut. Ich stelle mir vor, wie er sich über seine Lehne nach hinten beugt, wie sein Gesicht voller Bart ist und das Lächeln der Lippen so kaum zu sehen.

Bärte finde ich furchtbar, sie kratzen beim Küssen, die Haare stehen wild durcheinander, selbst wenn sie gekämmt wurden. In Bärten bleiben Krümel hängen, oft den ganzen Tag, so läuft der Mann herum, mit Essen im Gesicht, merkt es nicht, fühlt sich toll, hip, Hipster und ist doch nur ein Mann mit Essen im Gesicht. Doch bei dem Mann vor mir finde ich den Bart plötzlich wunderschön. Er hat ganz sicher einen Bart, und wenn er sich zu mir umdreht und lächelt, wird er mich mit seiner sonoren Stimme fragen, ob ich auch mal ziehen möchte, ich werde schüchtern verneinen und er wird sich auch in mich verlieben.

Ich stelle mir auch das jetzt vor, wie sich seine Lippen bei der Frage bewegen, wie seine Augen feucht werden, als ich nein sage, wie er aufsteht und sich neben mich setzt. Ich stelle mir vor, wie er, mit der Zigarette zwischen Ring- und Zeigefinger neben mir sitzt und wir uns plötzlich küssen, ich seine Zunge schmecke, seinen Atem rieche, wie ich nicht genug von all dem kriegen kann. Ich stelle mir vor, wie der Mann, der im Zug vor mir sitzt und raucht, mit seiner Hand unter meine Bluse fährt, hier, mitten im Zug, wie keiner guckt, als wären wir gar nicht da, wie es mir aber auch total egal ist, ob einer guckt. Ich fühle, wie seine Hand an meinem Bauch hinauf wandert, wie sich seine Finger rau auf meiner Haut anfühlen, wie ich diese Situation liebe, in der ich bei jedem anderen Mann vor Scham im Boden hätte versinken wollen.

Ich stelle mir vor, wie er mir seinen Namen sagen will, dieser Mann, der Dinge tut, die verboten sind, der aussieht wie einer, dem alle Regeln egal sind, der küsst, wie jemand, der nur dafür und nur für mich auf der Welt ist, als der Zug plötzlich hält und ich die Augen wieder öffne.

Weg ist der Rauch, verflogen. Weg ist die Stimme, die sonorste von allen. Ich sehe eine ältere Frau durch den schmalen Gang im Zug auf mich zu kommen, sie schaut sich um, ihr Blick bleibt an dem Mann vor mir hängen, sie schiebt sich in seine Reihe und setzt sich auf den Platz, genau vor mir. Weg ist der Mann, der vor mir saß und rauchte. Weg der Rauch, der Geruch, die Liebe.

Da die Gewissheit, er war nie hier.

Sophie Somburane

 freiTEXT ist wöchentliche Kurzprosa. Freitags gibts freiTEXT.
Du hast auch einen freiTEXT für uns? schreib@mosaikzeitschrift.at

<< mehr Prosa | mehr Lyrik >>

freiVERS | Niels-Johannes Günther

Fackel der Demokratie

Wo ist die
leuchtende Fackel geblieben?

Die Fackel der Freiheit,
das leuchtende Licht der Liebe,
das europäische Feuer des Friedens,
die stille Kerze der Vernunft?

Nationale poltern,
Monarchen rüsten,
die Angst schnürt Seelen zu,
alte Türen werden fest verschlossen.

Die Wahrheit wurde schon
auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Die blinde Justitia schon
gefesselt und geknebelt.

Die Stimmen der Gefolterten,
Verschleppten, Versklavten - verstummt.

Wo ist in dieser Dunkelheit
die leuchtende Fackel geblieben?

Niels-Johannes Günther

freiVERS ist unser Wort zum Sonntag.
Du hast auch einen freiVERS für uns?
schreib@mosaikzeitschrift.at


freiTEXT | Barbara Zoschke

Die Liebesunwahrscheinlichkeit

-

marokko, london 116

Die Liebenden saßen unter dem bisschen Hoffnungsgrün links im Bild. Sie hatten den Ort gewählt, weil er ihr ein wenig Schatten bot, während er mit dem Gesicht halb in der Abendsonne auf einem breiten Sims Platz finden konnte. Sie empfanden Glücksstille. Gleich würden sie die Lesung eines von ihnen beiden verehrten Autors besuchen.

Als das Handy des Geliebten klingelte. Der Geliebte zuckte zusammen und sagte: „Das ist meine Familie.“ Dabei sah er seine Geliebte mit Unvermeidbarkeitsbedauern an, das schwer auf seine Schultern drückte. Der Geliebte stemmte sich gegen sein eigenes Gewicht und stand auf. Er entfernte sich mit Rücksicht auf die Familie und auf die Geliebte von der Geliebten, obwohl er sich durch seine heimliche Verabredung zur Lesung mit Rücksicht auf die Geliebte und seine Familie gerade erst von der Familie entfernt hatte. Die Geliebte erkannte darin auf Anhieb die vertrauten zwei halben Wahrheiten, die allerdings jetzt, da sie allein im Innenhof war, plötzlich und unerwartet in weitere, immer kleiner werdende Wahrheitsanteile zerfielen, die die Geliebte proportional zur Dauer des Wegbleibens ihres Geliebten immer schlechter zu einem Wahrheitsganzen zusammenkratzen konnte. Schon erschien es ihr nur noch zu einem Viertel wahr, dass es sie selbst überhaupt gab. Und das Viertel wiederum schmolz in der Abendsonne auf die Größe eines Achtels Butter. Die Geliebte trank gegen den Wahrheitszerfall an und leerte das Weinglas, das ihr der Geliebte im Weggehen überlassen hatte, in einem Zug. Doch es nützte nichts. Die Wahrheit zerfiel weiter bis sie schließlich unwahrscheinlich war und überschwemmte die Geliebte dergestalt von innen.

„Ach, käme er nur schnell zurück“, dachte die Geliebte. Die Unwahrscheinlichkeitsschwemme hatte ihre Gedanken längst geflutet. „Und was, wenn er hat nach Hause fahren müssen, weil der Junge sich verletzt hatte?“ Er würde ihn verbinden müssen, vielleicht sogar ins Krankenhaus fahren, ihm versprechen müssen, ihn nie wieder allein zu lassen. Die Geliebte suchte nach einem Ausweg, der es ihr erlaubte, ihre Existenz über die Zeit des Telefonats, über die Zeit des Wegfahrens, über die Zeit des Verbindens und über die Zeit des Versprechens an das Kind hinaus zu retten.

Versuchsweise löste sie die Feststellbremse und rollte aus dem Bild.

Barbara Zoschke

 freiTEXT ist wöchentliche Kurzprosa. Freitags gibts freiTEXT.
Du hast auch einen freiTEXT für uns? schreib@mosaikzeitschrift.at

<< mehr Prosa | mehr Lyrik >>

 


freiVERS | Christa Issinger

Notting Hill Gate

aufgerollt wie ein faden
die vergangenheit
der geruch und die wärme
windstoß der u-bahn
das viktorianische haus mit der roten tür

du warst nicht mehr da
nur die lüge
du würdest auf mich warten
tausend jahre und mehr

nun stehe ich da und
drehe mich um
Erinnerung

Christa Issinger

freiVERS ist unser Wort zum Sonntag.
Du hast auch einen freiVERS für uns?
schreib@mosaikzeitschrift.at


freiTEXT | Katja Bohnet

Unsichtbare Dritte

Seit du mit ihm geschlafen hast, sehe ich dich mit anderen Augen. Wir haben seitdem nicht mehr viel miteinander gesprochen. Als ich das Autoradio anmachte, hast du es leiser gestellt. Du fährst zu schnell.  Ich frage mich, wohin. „Halt an!“, höre ich mich sagen.

Du ignorierst mich.

„Halt sofort an!“ Diesmal schreie ich.

Ich merke, wie du die Geschwindigkeit drosselst und scharf bremst. Die Landschaft wird langsamer, die Felder halten an.

„Was?“

Ich öffne die Tür und steige aus. Ich stehe einfach nur da. Du lehnst dich über den Beifahrersitz und ziehst die Tür zu. Der Wagen zieht an, beschleunigt, eine Staubwolke weht hinter dir her. Auf dem Asphalt klebt ein Stück Fell. Jetzt ist das Auto nur noch ein verwaschener Punkt am Horizont.

„Hau ab, Arschloch!“ Meine Stimme klingt fest.

Hier am Straßenrand fühle ich mich seltsam banal. Ich gehe nicht zurück. Die Hitze lädt mich auf. Ich schreite voran. Felder, unermesslich weit. Irgendwann höre ich ein leises Rauschen. Hinter mir. Ich sehe mich um. In der gleißenden Hitze glänzt etwas metallisch. Es kommt auf mich zu.
Der Güterzug ist endlos. Wir ziehen nebeneinander her. Ich schwitze. Meine Füße brennen. Als der letzte Waggon vorüber rollt, fühle ich mich verlassen. Meine Beine müssen weitergehen. Mit dem Handrücken wische ich mir den Schweiß von der Stirn. Eine Kreuzung.

Die unsichtbare Dritte: Das bin ich.

Kein Flugzeug taucht auf. Nichts. Ich gehe weiter gerade aus, biege nicht ab. Nicht mehr. Meine Schritte werden kürzer. Ich ignoriere den Durst. Die Sonne brennt. Kein Auto kommt, kein Truck, kein Mensch, kein Tier.
In der wabernden Pfütze auf dem Asphalt erkenne ich sein Gesicht, seinen Leib, nackt. Du liegst auf ihm, hier mitten auf der Straße. Du siehst mich an. Eine Fata Morgana. Ganz real. Ich stolpere über eure Körper, falle, rappele mich wieder auf. Den Nachmittag halte ich noch durch. Meine Sohlen schleifen über den Asphalt. Die Straße trägt mich, ad infinitum. Ich blicke hinauf ins Weiße. Ich bin frei.

Ein kleiner Punkt kommt näher. Ich habe Schwierigkeiten, ihn im Auge zu behalten. Dann höre ich Motorengeräusche. Vielleicht lasse ich mich retten.  Der Wagen hält an. Du öffnest die Tür. „Steig ein!“, sagst du. Ich sehe dich an. Wenn ich dich anschaue, sehe ich auch ihn. „Hau ab, Arschloch!“

Du kneifst die Lippen zusammen. Schlägst die Tür zu, fährst an. Dein Blick hart. Dein Schwanz war es sicherlich auch.

Katja Bohnet

 freiTEXT ist wöchentliche Kurzprosa. Freitags gibts freiTEXT.
Du hast auch einen freiTEXT für uns? schreib@mosaikzeitschrift.at

<< mehr Prosa | mehr Lyrik >>