freiVERS | Lütfiye Güzel
man lebt nicht jeden tag
-
eine spinne mit den augen
verfolgt
mit gutem gewissen
ihr netz nicht zerstört
dann obst von den bäumen
geschüttelt
& drei runden geweint
Lütfiye Güzel
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freiVERS | Peter Paul Wiplinger
Nada und France
Über die teller
gebeugt essen wir
jeder unsere suppe
wie schmeckte sie
damals in Dachau
wie in Mauthausen
einen langen weg
seid ihr gemeinsam
im leben gegangen
jetzt seid ihr müde
aber ihr erzählt mir
von euren Erinnerungen
Nada bringt das fleisch
France schenkt wein ein
wir hören die Nachrichten
noch immer dieser krieg
dieses mal in eurem land
auch wenn er weit weg ist
das letzte sonnenlicht
leuchtet noch glutrot
in das zimmer herein
dieser verdammte krieg
sagt France verbittert
und Nada nickt stumm
Peter Paul Wiplinger
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freiVERS | Helmut Glatz
Meine Einsamkeit
Jetzt im Herbst hat die Einsamkeit
die Strickweste an und den langen geblümten Rock
Sie schlurft um das Haus und versucht
die Blätter zu dressieren
Sie rascheln schon und machen Männchen im Wind
Ich liebe Menschen die Schatten werfen
für die zwei mal zwei nicht vier ist
sondern fünf minus eins
denke ich während ich am Fenster stehe
und sie beobachte
Es ist meine Einsamkeit da unten jetzt legt sie
den Besen weg und geht die Straße hinunter
Ich hätte sie nicht gehen lassen sollen
jetzt im Spätherbst denke ich
auch zwanzig durch fünf hätte ich gelten lassen sollen
denke ich während sie die Straße hinunter schlurft
mit ihrem Schatten der immer länger wird
Helmut Glatz
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freiVERS | Martin Zaglmaier
Inkognito
Wir tauschen Gesichter
mit der Nacht
wir wollen nicht mehr
dieselbe dünne Luft
wie die Anderen atmen
niemand weiß wo
und wer wir sind
Martin Zaglmaier
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freiVERS | Nina Beer
Kohle, Glas
Nimm das Stück Kohle
und ziehe
eine Zäsur entlang der Stirn
teile mir Brauen und Augen,
die nicht mehr sehen ohne zu erinnern
teile den Mund,
der nicht mehr spricht ohne zu richten
teile die Schatten entlang feiner Linien
hinab, hinab;
Nimm das Stück Glas
Nina Beer
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freiVERS | Cornel Köppel
gucklöcher
Cornel Köppel
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freiVERS | Leontine Köhn
Komische Natur vom Ineinanderhineinfließen
Prächtig
schummerst Du
die Maske über den Kopf gestülpt.
Crescendo: Krawall,
sie entlarven Dich.
Improvisationsgewitter auf dem Lügenberg.
Es regnet in Dich hinein,
Du läufst über.
Kurzschluss,
Explosion von Wahrheit.
Bitterer Geschmack Deiner Selbstbeherrschung,
endloser Flur fehlender Aufmerksamkeit.
Deserteur Deiner Gefühle.
Leontine Köhn
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freiVERS | Enno Ahrens
Immer im Jetzt
verlegen über unseren Unverstand
ziehen wir Schlüsse ins Ungefähre
quer durch Streuobstwiesen
auf luftigen Planken schunkeln wir
durchs Öhr unserer Apfelträume
Gedanken mit Jojo-Effekt verrieseln
durch gläserne Tarnkappen-Uhren
verläuft unser Dasein im Sand
Enno Ahrens
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freiVERS | Martina Onyegbula
Nischen
In der Enge der Systeme
bleiben uns nur Nischen.
Du, wohl verankert
ziehst zielstrebig in die Zukunft
doch jetzt blickst du immer öfter
rechts und links nach mir.
Und wir schmiegen uns
in Wegkerben aneinander
und treffen uns flüchtig
auf Federkissen und versinken
hautwarm in Gruben
und füllen alle Lücken aus.
Wir zwängen hindurch uns
durch kleinste Spalten
unserer Tage und liegen beisammen
zwischen stillsten Fasern der Nacht
lagern in Rillen und Ritzen
in der Verdichtung der Zweisamkeit.
Wir finden uns zwischen Hemdsfalten
schlüpfen leise durch Knopflöcher
tauchen in sanften Hautmulden unter
flüsternd in unseren Nischen
und bleiben uns zärtlich hängen
in den Schlupfwinkeln unserer Lider.
Martina Onyegbula
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freiVERS | Julia Knaß
sein / stehen (eine irritation)
dieses Nichts zwischen uns scheint bedrohlich verschwommen : unumkehrbar schwimmen frei wie ?, während wir den staub der klassiker zwischen unseren zähnen zermahlen, lautet der current state of mind peripetie, das gefühl nahender finsternis verdrängen wir, indem wir über LEICHEN schreiben
sich mit tinder subkutan hyposensibilisieren : aber sie haben alle keine gesichter, sie haben alle keine gesichter! narrative miteinander, aber nie ineinander verweben – wie ein profi, du machst das schon wie ein profi!!! – seriell permutierend, „einzahl, mehrzahl, vielzahl, unzahl“ mit KÖRPERN nachspielen
unsere abgetreppten mauern schlussendlich doch bang hinuntersteigen : auf der suche nach etwas-zum-begehren; unter jeder unserer stufen befindet sich eine falltür und wir kippen hinein und kippen nach unten und kippen zurück hinauf und schließlich kippen wir nicht in-, sondern einander
Nichts steht
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Nichts ist
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zwischen uns
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Julia Knaß
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