freiVERS | Steffen Diebold

riedgras & felsenbirne

ein rauschen setzt sich
vom strauch ab, der amsler
besorgt den frühen morgen,

nascht von him- & birnbeere,
hört viel rascheln
unterm gewölk, bis mittag

die postwurfsendungen
ins heim flattern:
standardschriftsätze

& alles absagen;
die angusrinder
jenseits des zauns

versehen dennoch
ungerührt ihren dienst
am riedgras der weiden.

.

Steffen Diebold

.

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freiVERS | Nancy Ehrlich

Das letzte Heim

das letzte Heim
ist flüchtig
neben
gepackten Koffern
läuft es
sich einsam
wenn
die Füße
nicht wissen
wohin

.

Nancy Ehrlich

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freiVERS | Inna Krasnoper

was hast du zu sagen
was hast du dagegen
was macht das sagen
wie ist es mit der macht
was ist dazwischen
wohin mit dem sagen
hast du alles gesagt
was bleibt in der tasche
kann das sagen nicht mehr versteckt sein
wo ist mascha die katze
sie ist irgendwie versteckt
es ist laut daneben – viele haben was zu tun
es kann sein, dass mascha bald neue freunde macht
andere katzen
die gerade einen großen sprung zu vollführen versuchen
wie groß ist das
wie dein ist das
s    a    g    e    n
sag mal – n e i n
sag mehrmals
g    r    o    ß
mit dem offenen mund

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Inna Krasnoper

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freiVERS | Karl Johann Müller

an deiner Seite

unsere Zärtlichkeit
gefaltet
mit Sorge hingelegt
ganz nach deinem Erinnern
auf einen Stuhl an deiner Seite
deine Aufgeräumtheit
in meinem Geschenkpapier
wie ein Malbuch aus Kindertagen
ohne Farben
daneben ausgelaufene Stifte
an der Hosennaht
die Taschen mit versprochenen Bonbons
sie hängen wie Knospen an Zweigen
alter Bäume
die Kerben waren einmal frisch
wir waren geschmeidig
mit dünner Haut
die wir behutsam aneinander legten
wie ein Kuss
jetzt rinnt Harz durch dein Haar
ich schaue dir beim Liegen zu
und
bleibe

.

Karl Johann Müller

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freiVERS | Greta Köhne

Saragozza-Diaries # 10

LAGERFEUER IN BLECHWÜSTEN

womit soll ich beginnen
wenn lagerfeuergeruch noch spürbar
in den kleidern hängt
hier auf dem balkon

und der balkon ist nur feudel
ist nur leiter
ist nur eine zigarette auf dem plastikstuhl

sehe hinab in den hof
der stolzes autozuhause ist
dicht an dicht glänzende bleche

und womit soll ich beginnen

ich bräuchte eine schürze wie die anderen frauen
die alten, auf den anderen balkonen
auch sie blicken auf den hof, auf die
wartenden autos
wobei nein
vielleicht schweift ihr blick über anderes
er schweift

aber ich habe keine schürze
soll ich kehren

besenstrich
für
besenstrich aber wo

auf dem plastikstuhl nehme ich platz
ich rauche nicht

ich mache lagerfeuer in blechwüsten
als beginn meines tages

.

Greta Köhne

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freiVERS | Ann-Christin Kehrberg

Ein Haushalt am Gang

Auf dem Dachboden sitze ich
an die Wand gelehnt
die Beine von mir gestreckt
die Sonne trifft durch die Luke mein Gesicht
bewegungslos beobachte ich
den tanzenden Staub

Keine Geräusche außer mein eigener Atem
ein Ort an dem der Uhrzeiger still steht
eine Erinnerung steigt in mir hoch
Großvaters Abstellkammer
Kleidung von der Waldarbeit
im eigenen Geruch eingesperrt

Der Dachboden ein friedlicher Ort
Unruhe macht sich in mir breit
der Puls geht schnell
doch ich bleibe weiter regungslos
Bewegung verkörpert Sinnlosigkeit
warum wohin wozu
die Antwort verschließt sich mir
der weite Raum, die große Stille
Hilflosigkeit
Spinnenweben soweit das Auge reicht
eingeschnürt in einem Leben
das ich nicht zu leben weiß

Die Stiegen führen hinunter zum Keller
ohne Tageslicht
biege rechtzeitig zur Wohnung ab
ein Taubennest

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Ann-Christin Kehrberg

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freiVERS | Lise Reingruber

was ich dir noch
schreiben wollte

als ich
rote rüben
kochte

sie noch
heiß dann
langsam schälte

und rot
meine hände
eine hielten

dacht ich:
so ists.

diese wärme
gestalt
und gewicht

dein herz.

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Lise Reingruber

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freiVERS | Charlotte Florack

bis in die glieder reicht der wald
ist ein feld aus senkrechten
inzwischen schläft der abend ein
atmen während die stuben sprechen
und aus den fenstern eingelöstes licht
das bekannte ist blind, wie sonst kann
man nicht unterscheiden, jahrelang
aus oder auf etwas schauen

hätten sie mich
hätte ich ihnen erzählt
es ist immer beides gemeint
dass es brüche im blau gibt
an denen entlang kann man verzeihen

.

Charlotte Florack

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freiVERS | Selin Erdogan

ruhige schreie

I.

meine beine
brechen
meine rippen, sie
brechen blau
sehnsüchtig die
freiheit fordernd
aber
haut
in kleidung so
sanft
der schein

II.

laufen mit gebrochenen beinen, du
siehst es nicht

III.

die innenseite wund
die rippe drängt vor
durchdringen möchte sie,
penetrieren und dann
deine hüfte nehmen –
gegen deinen willen
fühlst du nicht?

IV.

die haut ganz schroff aber
ein kleid aus samt
die hände im funkel
die rippe ganz laut
wie seide, sagst du und
sie
splittert

V.

ruhige schreie oder
bist du taub?

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Selin Erdogan

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freiVERS | Natalia Sadovnik

Kiewer Konjunktiv

Mit gemischten Gefühlen tauschen wir
flüchtige Substanzen: Blicke, Luftschlösser, Frostschutzmittel.
Atmen die Zimmerluft ein — in diesem Land weiß man nichts von Stoßlüften.
Es lebt von Neinsagern & alter Freiheit.
Vom Himmel
r
......e
...g
.........n
......e
t
es
Butterblumen.
Sie suchen unsere Träume heim,
die Körper,
die erschlafften Häuser.

Lass uns ein Netz spannen,
von Ruhe zu Ruhe.
In leisen Momenten
einander entgegenblühen.

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Natalia Sadovnik

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