freiVERS | Lisa Spoeri
diese tage
ich wache
einem schlaf nach
trauernd
tausendjähriger einsamer
von dem wir träumten
es war
ein-, zweimal
zwischen rauschen und
schäumen
den salzkronen
zwischen sand
und zehen
spitzen deine träume
vor vielen jahren
hier verunglückt
vor vielen jahren
ich war
ein-, zweimal
zwischen toben und donner und
du warst
eine
idee in meiner magengrube
faustgroß dort
wo ich den uterus
versehentlich verortete
du warst
zwei
sich entfernende beine
zwischen dem zischen und flüstern
der sandkörner
und eine weitere
in wellen
kommen und gehende gelegenheit
für eine
verpasste heimat
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freiVERS | Nicole Prosser
Stundenlose Tage
Dein taunasser Blick:
die Pupille umzingelt
von Weltmeeren
Deine blinden Hände
übersehen das Eigentliche
ertasten die Leere
die entsteht
morgens neben dem Theatercafé
stolperst du rücklings –
Und die Möwen –
Der Sommer an der Drau
glänzt noch
in deinen Augen
während du
das Herbstlaub stapelst
wie ein Kind, das
die Stunden nicht zählt
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freiVERS | Sigune Schnabel
Geordnete Rechtecke sind die Zimmer
Ich stutze Gedanken
auf die gesellschaftsübliche Länge.
Herumtreiber bin ich
gewesen, an Träume gelehnt
bei Dunkelheit.
Gierig gieße ich Nachtworte ein
bis zum Mond
und leere sie leise.
Ich nehme mich zurück.
Wem habe ich mich gegeben.
Nebenan höre ich es:
das gekachelte Leben.
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freiVERS | Susanne Gurschler
Ein Abend
Für Iryna
Deine Worte bauen Brücken zu einem Kontinent
geschrumpft auf einen Streifen
Sätze fallen in meine Hände federleicht
verflüssigen sie sich wie Pinselstriche im Wasser
kritzle Wörter auf weiße Stellen
schnell krakelig
tags darauf kaum zu entziffern
wortlos eingeschrieben
Erinnerungen an einen lauen Abend
an klingende Gläser an Babycalamari
die Holzperlenkette zwischen deinen Fingern
das Lachen
trotz allem
von einem Punkt aus neue Felder erforschen
wäre ein Anfang
sagst du
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freiVERS | Anna Arning
stein bin ich
den du kaum anrühren kannst
ohne vor kälte zu verbrennen
schwarze wüste, totes land
darunter frost und feuer
ein salamander kriecht bei fuß
erstarrt in meinem schweigen
du kratzt daran es zischt
ein schwall aus toter glut
versengtes wort, ich schlucke es
und spucke trümmerteile
du hebst sie alle einzeln auf
füllst deine weiten taschen
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freiVERS | el menges
pool boy
erinnere
1. ein schwimmbad, das
weniger offensichtlich klafft
2. kontrolle, wenn schlaf
einen mund besitzt
3. wasser als himmel
aus zweiter hand
ein klumpen fleisch
in meinem mund pulsierend
mein mund
in einem klumpen fleisch pulsierend
wie wund meine kehle
dich benutzen lässt
am gaumen reißt
der himmel auf
vermissen, fast ein wort
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freiVERS | Tanna Künemund
Ich (zer)säge sie
Ich mag es
Dinge selbst zu machen
die nur ich mir zutraue
denn
oft weiß nur ich
dass ich kann
was ich kann
ohne es zu wissen
weil ich nicht darüber nachdenke
sondern beginne
zu tun
was ich tue
auch wenns kein Mensch mir zutraut
und dabei kann ich es
was ja klar ist
und mich weiterhin
nicht besonders
wundert
oder überrascht
wobei ich fühle
dass es schön ist
das zu tun
von dem vielleicht
auch ich denke
es sei fast nicht machbar
dann es aber doch zu tun
ohne zu hadern
oder zu verzagen
einfach zu starten
und weiterzumachen
step by step
et peu a peu
und mich nicht zu wundern
dass es klappt
weil ich es ja zuvor
auch nie und nicht
in Frage gestellt hatte
irgendwie doch wissend
dass ich es könnte
denn weshalb
sollte ich es nicht können
oder weshalb sollten Menschen
das nicht können?
wo sie doch noch nicht einmal
und noch nie nicht
ausprobiert hatten
ob es klappen
oder gehen könnte
ganz einfach
nur so
beginnen
und Schritt für Schritt dranbleiben
dabeibleiben
sich ran wagen
und es durchziehen
und auch an ihre
scheinbare Selbstsicherheit
über die ich doch gar nicht
nachgedacht hatte
und auch nicht darüber
ob ich zweifeln sollte
oder verzweifeln
an mir
oder meiner Schwäche
die ich gar nicht habe
außer für Dich
und die Kunst
und Erdbeeren und so
und mir so sehr
meiner Stärke sicher zu sein
als würde ich mich schon
mein Leben lang kennen
und mir vertrauen können
so ganz und gar
vertrauen
weil ich weiß
ich würde das
gemeinsam mit mir
durchziehen
und mich nicht sitzen lassen
oder im Stich lassen
sondern richtig ranklotzen
und voll powern
und mit aller Kraft
dieses Ding
durchziehen
ganz ohne
oder nein
nur mit
Vertrauensvorschuss
und ohne Handschlag
oder Vertragsabschluss
nur ganz locker geplant
starten
und dann so richtig
zu arbeiten
wie Sau
volle Pulle
und alle Muskeln zu spüren
und meinen Atem wahrzunehmen
und zu wissen
falls es Muskelkater gäbe
fänd ichs schön
doch zu rechnen
war damit
wahrscheinlich nicht
weil sich
Muskelkatzen
nur selten
bei mir einstellten
oder vor
und genau so ungeplant
starte ich
am liebsten
minimal durchdacht
und nur wenig geplant
eher spontan
und impulsiv
mag ichs
loszulegen
und die Welt zu bewegen
ohne Schutzkleidung
oder Versicherung
aber dennoch vorsichtig
und Unfälle antizipierend
nur durch meine
Aufmerksamkeit
verhütend
klettere ich
wagemutig
und kühn
ohne Leiter
die acht Meter hohe Weide hinauf
und zücke
meine kleine feine
Handsäge
und starte damit
von oben nach unten
den dicken Baum
zu stutzen
und
es klappt natürlich
und macht Spaß
obwohl sie mir leidtut
doch sie ist krank
und würde aufs Dach fallen
früher oder später
und nur so
kann ich sie retten
indem ich sie
runtersäge
was Männer mir angeboten hatten
mit Nennung ihres Stundenlohnes
doch so
wie ich säge,
kann ich sie in Stille
sägen
ohne dass Motorsägen
den Spätsommer zerschrillen
und alles zu schnell geht
wobei auch ich schnell bin
denn die kleine Säge arbeitet gut
in meiner Hand
an der sogar die Ringe glitzern
was nie sein darf
beim Arbeiten mit Werkzeug
sägen wir zusammen
dreidimensionale Keile ins Holz
die die Fallrichtung
der baumgroßen Äste
vorskizzieren
der dann das Knacken folgt
und anschließend der Fall,
wobei ich zuvor
die 8 Meter langen Weinranken
voller Trauben befreie
sodass sie die fallenden Äste
loslassen müssen
damit sie fallen können
und zu Brennholz werden
das ich auch mit Hand säge
mich fragend
warum es so sehr Spaß macht
sich anzustrengen
oder die Muskeln spielen zu lassen.
ich säge sie
und zersäge sie.
alleine.
ohne Männer.
mit mir zusammen.
mit meinen kleinen Händen
meinen zarten Armen
meiner Balance
Kraft
Ausdauer
Hingabe.
oder ich schwimme durch den See
der ein Meer ist
weil Möwen über mir fliegen.
All dies geht ja nicht immer.
Manchmal kann dieser Körper nichts starten.
Dann wiederum
bewegt er Berge.
„Er“ sollte „sie“ sein.
Sie ist kräftig
wenn sie kann.
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freiVERS | Sonja Kuzmics
die rehe sitzen in den gräben und warten
wenn du vorbei gehst springen sie heraus und erschrecken dich
ihre grünen augen leuchten
ihre leuchtenden grünen punkte erinnern dich an
a) den voll aufgeladenen akku deiner bohrmaschine
b) den spind in der therme bevor du ihn zusperrst
c) den spind in der therme wenn du ihn öffnest
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freiVERS | Felix Reinhuber
die dunkelheit wird, schleichend, tinte
zwei füchse streifen dünn
erinnerte straßen, die
sich nach und nach formieren
an die arbeit gehen
nachtgeparkte lieferwägen
warten. im winkel
der vogel, schwarz. zerhackt
ein stück säugetier
aufgestellte härchen
gräser auf brachen
zittern
flaum, pfirsichlicht
das fußballfeld empfängt, weit, den tag
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freiVERS | Eline Menke
Auf der Autobahn
Im Fahrtenbuch meiner Sätze
fehlt Geschwindigkeit.
Kein Wort ist meinem Weg voraus.
Es ist laut. Du vertraust Geräuschen,
die sich gegenseitig zerfleischen,
leckst Leere von den Lippen,
sprichst von Verdunklungsgefahr
im Freigang der Gedanken.
Ich schweige die Landschaft an,
rausche in sie hinein.
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