straßenkind
zwischen brandschutzmauer und garage,
umgeben von fassaden, die hundert lichter werfen
im winter, in meinem hof,
umgeben von fenstern, deine krone
ist efeuumwunden, deine zweige
grüngeflochten, dein laub wirfst du
später ab, als alle anderen: der thujabusch
an deinem fuß bleibt immer grün,
der flieder, die platane neben dir
sind längst nackt, ehe du dein kleid verlierst,
deine wurzeln streiten mit beton seit
vielen jahren, deine kindheit ist für mich
ein menschenleben, doch sehe ich dich an,
frage ich mich, ob du je erwachsen wirst.
im winter sitzen tauben
in deinem geäst, versunken
in sich selbst sinnieren sie vom sommer:
den großen schwärmen, würmern, korn,
sie harren der kälte, doch sind sie
zumindest zu zweit.
mit wem sprichst du, wenn dir der winter lang wird?
wer teilt mit dir den rhythmus der jahreszeiten?
vielleicht der thujabusch, vielleicht die platane.
ich beobachte dein treiben
im frühling, bin zeuge deiner knospen,
doch was weiß ich vom leben eines ahorns?
ich sitze vorm fenster am klavier,
was ich spiele geht nur dich und mich
und die tauben etwas an.
.
.
freiVERS ist unser Wort zum Sonntag.
Du hast auch einen freiVERS für uns?
schreib@mosaikzeitschrift.at
Lieber Carl,
in Marbach über Eich-Handschriften sitzend (neben mir Felix), muss ich an Sie denken. Nicht ziellos. Denn eventuell ergibt sich die Möglichkeit, in der Text+Kritik-Reihe ein neues Günter Eich-Heft zusammenzubasteln. Da kommt mir Ihre Bachelorarbeit in Erinnerung. Haben Sie zu Ihr noch ‘ein Verhältnis? Und könnten Sie sich vorstellen, aus ihr einen kleinen Text zu filtern, vielleicht sogar mit Abbildungen (da bin ich im Moment unsicher).
Aber vielleicht haben Sie ganz und gar Ihren eigenen literarischen Pfad eingeschlagen und schlagen andere aus.
Seien Sie herzlich gegrüßt,
Roland Berbig.