gehöft

1

du hast einen schädel im garten liegen sehen und konntest es nicht lassen du hast
die finger durch die augenhöhlen gesteckt
die risse an der kühlen oberfläche gefühlt
ihn schließlich aufgehoben
dabei feine wurzeln mit aus dem moosigen boden gerissen
als du gesehen hast dass unten noch ein wurm dranhängt
hast du dich unheimlich erschreckt den schädel fallengelassen bist weggerannt
hinein ins haus
um schokoladenkuchen mit marmelade drauf zu essen den die großmutter gerade
aus dem ofen geholt hat
iss nur iss
hat sie gesagt und ist dir mit der hand durch die haare gefahren

2

du hast gesehen wie sich das gesicht des zynischen mannes im stahl seiner maschinen
gespiegelt hat du hast
die weißen haare in seinem nacken gezählt siebzehn achtzehn
bis er sich umgedreht und dich davon geschickt hat
du konntest seine falten aber noch von weitem sehen elf zwölf
abends ist der zynische mann hinein ins haus gegangen
hat sich schmieröl von den händen gewaschen und mit einem scharfen messer speck
und dunkles brot geschnitten
du hast schokoladenkuchen mit marmelade drauf gegessen und ihn beobachtet
zu seinen nackten füßen ist der kater gelegen
iss nur iss
hat der mann gesagt

3

du hast gehört wie sich der stumme gärtner vor dem haus die erde von seinen stiefeln
geklopft hat du hast
als er dann in der küchentüre gestanden ist mit dem luftzug von draußen
den waldboden gerochen
die großmutter hat ihm vom holzofen aus zugenickt da ist er in die stube getreten
hat in seine taschen gegriffen ein bündel zwiebeln herausgezogen
von denen die erde leise auf den küchenboden gerieselt ist
du hast schokoladenkuchen mit marmelade drauf gegessen
während die großmutter weinend die zwiebeln geschnitten und sie dem stummen gärtner
zum brot gereicht hat
iss nur iss
hat sie gesagt und sich tränen und rotz in die schürze gewischt

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Anna Draxl

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