An windstillen Tagen

Seit ich aufgehört habe zu rauchen, schlafe ich schlecht.

Ich finde keine Worte, nur einen toten Vogel vorm Haus.

Die Babykatzen der Nachbarin beginnen unsere Terrasse zu erkunden. Mein Kind versucht sie wieder zurückzutragen. Eine nach der anderen, immer wieder.

Mit dem Fahrrad überfahre ich oder überfahre ich fast eine Schlange. Als ich umdrehe und nachschaue, ist nichts mehr von ihr zu sehen.

Am See. Mein Kind und ich, im Hintergrund ein Schwan. Es ist nicht so idyllisch, wie es aussieht.

Das Kind öffnet die Haustür, um die Katze hereinzulassen und steigt in die Innereien eines Vogels.

Ich versuche zu verstehen, wie ein Gartenschlauch funktioniert.

Seit ich nichts mehr rieche, träume ich auch nicht mehr. Oder kann mich nicht an die Träume erinnern.

Auf der Terrasse zwischen den Babykatzen der Rest einer Schlange.

Ich fühle mich heimatlos und notiere: Ist der Tod ein sicherer Ort?

Am See mit Freundinnen. Die mit dem größten Rucksack und dem Kind bin ich.

Ich stelle mir vor, dass du aus dem Gebüsch kommst mit einer deiner Frauen und wir alle gemeinsam über das Wetter reden.

Eine Freundin filmt, wie eine der Babykatzen eine Schlange fängt und vollständig verzehrt.

Meine feministischen Freundinnen interessieren sich nur theoretisch für mein Kind. Praktisch versuchen sie es zu ignorieren.

Ich halte die Tränen zurück und notiere: Das ist Stoff!

No one fucks as hard as a writer.

Seit ich aufgehört habe zu masturbieren, weiß ich nicht mehr, wie du aussiehst.

Tut mir leid, mein Lieber. Das waren keine Metaphern.

Manchmal lese ich noch Bücher, die ich mit dir teilen möchte.

Seit ich am Land wohne, sehe ich keinen Sinn mehr darin, mich zu schminken.

Schau, da sitzt ein Vogel.
Der fliegt gar nicht.

Der Fluss führt so wenig Wasser wie noch nie. Ich notiere: Wenn alles früher austrocknet als gedacht.

Ich sage alles ab und nenne es Burnout-Prävention.

Der Vogel ist wieder da. Aus seinem Gefieder fallen Insekten. Er lässt sich fangen, wir halten ihn über eine Schüssel Wasser, er öffnet immer wieder den Schnabel. Wir bringen ihn in Sicherheit vor den Katzen.

Im Freibad. Mein Kind und ich im Wasser. Es ist so idyllisch, wie es scheint. Zuhause bemerke ich die durchgescheuerten Stellen an meinem Bikini.

Mein Mann würde eine Schaufel nehmen. Aber ich denke nicht, dass der Vogel die Nacht überleben wird.

Seit ich nicht mehr trinke, kann ich den Anblick von Trinkern nicht mehr ertragen.

Nur mich selbst kann ich nicht ad acta legen.

Wir begraben den Vogel im Wald.

Ich zähle die Traktoren, denen ich ausweichen muss.

Alle Amselweibchen sehen gleich aus.

Manchmal, an windstillen Tagen, vermisse ich dich.

 

Barbara Rieger

 

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