Die Brücke am Ostufer
Die Kinder spielen Fußball. Sie spielen ohne schreiende Väter neben dem Platz. Sie spielen ohne weiße Markierungen am Spielfeld. Sie spielen mit einem Plastikball auf einer Wiese.
Ich öffne das Fenster in der Küche.
Das Wetter am Wochenende bleibt beständig. Montags fällt die Temperatur unter 20°, aber die Stromleitungen sind intakt.
Wir wohnen in einem Einfamilienhaus am Stadtrand. Die Solarpanele wurden staatlich gefördert und vergangenen Sommer auf dem Dach montiert. Die Einfahrt ist mit hellgrauen Steinen gepflastert und eine schmale Mauer trennt sie an beiden Seiten vom Rasen. Das Gras ist kurz geschnitten und jeden Frühling freue ich mich über die ersten Triebe der Stockrosen.
Seitdem die Brücke gesperrt ist, brauche ich jeden Tag mehr als eine Stunde, um in die Arbeit zu kommen. Der Ausbau der Straßen wurde bereits vor Jahren versprochen, aber die Bauarbeiten haben erst vergangenen Mai begonnen. Ich denke, dass es noch mehrere Jahre dauern wird, bis die Umfahrungsstraße fertiggestellt sein wird.
Im Sommer erscheint mir der Berufsverkehr lauter als sonst. Es ist schon hell, wenn ich auf die Hauptstraße einbiege und ich bemerke, wie sich die Hitze allmählich über den Asphalt legt. Die Luft entfaltet sich langsam und schwer. Im Rückspiegel erkenne ich das Ausmaß der äußeren Bezirke. Sie wachsen stetig und orientieren sich an den Büros im Zentrum und den Fabriken im Süden der Stadt.
Im Sommer habe ich, wie alle anderen, die Fenster unten, während ich an der Ampel warte.
Der Regen zieht nach Südosten ab, von Norden her lockern die Wolken allmählich auf. Mäßiger bis lebhafter Westwind. Die Temperaturen erreichen 17° bis 22°.
Arbeitszeiterfassung:
Arbeitsbeginn: 09.00
Kaffeepause: 11.15
Arbeit: 11.30
Mittagspause: 13.00
Arbeit: 13.30
Kaffeepause: 16.00
Arbeit: 16.15
Arbeitsende: 18.00
Seit vermehrt über Einbrüche berichtet wurde, versperre ich das Garagentor und die Eingangstür hinter mir, wenn ich zu Hause ankomme. Es verursacht keinen Mehraufwand und verschafft Sicherheit.
Ich weiß, dass alle hören, wenn ich nach Hause komme. Trotzdem rufe ich immer nach ihnen, während ich mir die Schuhe ausziehe.
Vom Küchenfenster aus kann ich den ganzen Garten überblicken. Kommendes Wochenende werde ich den Rasen mähen und die Hecke schneiden. Die Stockrosen haben bereits zu blühen begonnen und die Tage sind lang.
Abends erzähle ich von der Arbeit. Wir sprechen über die Prognosen der bevorstehenden Wahlen. Ich schneide das Gemüse und wasche den Salat. Dann essen wir alle gemeinsam zu Abend.
Kühl, trüb, unbeständig. Im Süden sind leichte Regenschauer zu erwarten. Die Schneefallgrenze sinkt hier gegen 2000m Höhe. Ansonsten bleibt es größtenteils trocken. Leichter bis mäßiger Nordwestwind. 13° bis 18°. In 1500m Höhe um 5°.
Bevor ich schlafen gehe, sitze ich noch eine Weile im Wohnzimmer und lese in den Fachmagazinen.
In der darauffolgenden Nacht träume ich erneut:
Vom Ostufer aus sehe ich die Abschussrampen und Raketenfelder. Das Einfamilienhaus steht am Stadtrand.
Die Luftwaffe hat nach eigenen Angaben gestern drei Kampfflugzeuge im Süden des Landes abgeschossen;
oder
Drei Kampfflugzeuge seien mittags in der südlichen Einsatzzone abgeschossen worden.
Die Behörden machten bislang keine weiteren Angaben zu dem Vorfall. Die Zahlen können nicht unabhängig überprüft werden. Die Streitkräfte wehrten zuletzt weitere Angriffe im Süden ab. Dort spielen die Kinder Fußball. Sie spielen ohne schreiende Väter neben dem Platz. Sie spielen ohne weiße Markierungen am Spielfeld. Sie spielen mit einem Plastikball auf einer Wiese.
Das Advent-mosaik begleitet dich mit ausgewählt schönen Texten durch die Vorweihnachtszeit.
Jeden Tag kannst du ein neues Türchen öffnen: