freiTEXT | Simone Alber

Sinnlosigkeitsprobleme wirksam bekämpfen

Wenn man von einem Sinnlosigkeitsproblem befallen ist, sollte man nicht am Samstagvormittag zum Edeka gehen.

Ein Sinnlosigkeitsproblem krallt sich grau und schwer im Gehirn fest und wabert einem neblig trüb ums Gesicht herum. Es ernährt sich von der Lebensfreude seines Wirts und saugt ihm den Elan aus den Gliedern. „Wozu das alles.“, flüstert es. „Macht doch eh keinen Sinn.“ Ein Sinnlosigkeitsproblem ist in keiner Lebenslage förderlich, aber es gibt doch Tätigkeiten, die kann man trotz akutem Befall einigermaßen ausüben.

Putzen zum Beispiel ist auch mit Sinnlosigkeitsproblem möglich. Das Sinnlosigkeitsproblem motzt dann zwar: „Wird doch eh wieder dreckig!“, aber wenn es die frisch geschaffene Sauberkeit sieht, wird es ein wenig kleinlaut, und das Gemotze wird leiser.

Keller aufräumen, Steuererklärung machen, einen Pulli kaufen: alles Dinge, die sich trotz Sinnlosigkeitsproblem einigermaßen bewerkstelligen lassen.

Man kann mit einem Sinnlosigkeitsproblem auch relativ entspannt vor dem Fernseher sitzen. Das Sinnlosigkeitsproblem hockt daneben und mault vielleicht leise vor sich hin, aber durch die Fernsehberieselung wird es eingelullt und drängt sich nicht in den Vordergrund.

Richtig empfehlenswert ist Kino. Wenn man einen guten Film erwischt, kann es sein, dass das Sinnlosigkeitsproblem gar nicht erst mit rein kommt. Es wartet draußen, oder es geht schon mal nach Hause, und wenn man Glück hat, findet es den Heimweg nicht, und man ist es für eine Weile los.

 

Auch Joggen ist eine Möglichkeit, um es loszuwerden. Das Sinnlosigkeitsproblem ist eher unsportlich. Wenn man einigermaßen trainiert ist, kann man ihm davonlaufen.

Wäsche aufhängen dagegen ist nicht empfehlenswert bei akutem Sinnlosigkeitsproblem-Befall. Bei dieser Tätigkeit hockt es einem schwer im Nacken, so, und es flüstert einem ins Ohr: „Schon wieder diese Socken, schon wieder diese Unterhosen. Die hast du letzte Woche auch schon aufgehängt. Und morgen wirst du sie wieder abhängen. Und nächste Woche wieder aufhängen. Und dann wieder abhängen.“

Ja, beim Wäsche aufhängen fühlt sich das Sinnlosigkeitsproblem bestätigt.

Aber samstags beim Edeka, da entfaltet es sich zu seiner ganzen Größe. Da trumpft es richtig auf.

Schon die Tiefgarage ist seine Welt. Es schmiegt sich an die grauen Betonpfeiler, und man atmet es ein mit der kalt-feuchten Luft. Es suhlt sich im schmutzigen Wasser der Pfützen. Im Scheppern der Einkaufswagenräder hört man seine Stimme: „Wozu, wozu, wozu.“ Es quetscht sich mit hinein in den Aufzug. Neben die Aufzugknöpfe hat es einen alten Kaugummi geklebt, der seine Botschaft verbreitet: Hoffnungslos. Trostlos. Sinnlos.

Am Pfandflaschenautomat glotzt es einem aus dem Rohr entgegen, in dem die Plastikflaschen verschwinden und sofort geschreddert werden. Aus den überquellenden Süßigkeitenregalen höhnt es: „Auspacken, fressen, wegwerfen. Plastikschwemme. Karies.“

So richtig wohl fühlt es sich in den Gesichtern der Menschen, die einem auf dem Rollband auf dem Weg nach unten entgegenkommen. Müde, graue Sinnlosigkeitsgesichter mit bitteren Kerben um den Mund. „Und ich, und ich?“, fragen die Gesichter. „Wann bin ich dran? Und wer liebt mich?“ Das Sinnlosigkeitsproblem lässt ihre Leben jämmerlich und klein erscheinen.

Das Sinnlosigkeitsproblem klebt in den ungewaschenen Haaren der jogginghosigen Schlurfeinkäufer und ruft zur Resignation auf: „Wozu die mühevolle Prozedur mit dem Shampoo auf sich nehmen! Übermorgen sind sie eh wieder fettig.“

Kartoffeln, Bananen, Haferflocken, Nutella, Mehl, Spaghetti, Salami, Milch, Eier, Joghurt, Emmentaler. Ja, ja, und dann zum Schluss das Klopapier. Das Sinnlosigkeitsproblem nickt sinnig vor sich hin.

Der Wagen voll, das Überleben wieder für eine Woche gesichert. „So viel Mühe!“, sagt das Sinnlosigkeitsproblem. „Und wozu? Arbeiten, Geld verdienen, Einkaufen, Ausräumen, Einräumen, Kochen, Essen, Spülen. Ein ewiger Kreislauf. Und wozu? Alt werden. Sterben.“

Das Sinnlosigkeitsproblem ist kein angenehmer Zeitgenosse. Und Menschen, die von ihm befallen sind, sind ebenfalls unangenehm. Sie sind meist griesgrämig und schlecht gelaunt. Wenn man etwas von ihnen will, werden sie pampig. Und wenn man nett zu ihnen ist, fangen sie an zu heulen.

Wer ein Sinnlosigkeitsproblem hat, sollte möglichst nicht samstags zum Edeka gehen. Besser ist es, darüber zu schreiben. Schreiben findet das Sinnlosigkeitsproblem langweilig. Das gleichmäßige Flüstergeräusch des Stifts auf dem Papier macht es müde. Und in einem aktiven Gehirn kann es sich so schlecht festkrallen. Irgendwann schläft es ein und fällt ab. Da liegt es dann in seiner ganzen aufdringlichen grauen Hässlichkeit und schnarcht vor sich hin. Dann sollte man ganz leise den Stift aus der Hand legen und sich vorsichtig aus dem Zimmer schleichen. Pssssst! Tür zu!

 

Simone Alber

 

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