freiTEXT | Susanne Pernkopf
Wird schon nichts gewesen sein
Es ärgerte ihn, dass er nicht mehr Tourist in seiner Stadt war. Deshalb spazierte er dieses Mal nicht über die Spabersbachgasse, sondern bog über die Albersgasse in die Morellenfeldgasse ein. Bei den Häusern kamen ihm keine Betrachtungen, er schaute nur. Als er aber zu den Fahrradständern von Haus Nummer 9 schaute, zog er seine Zigarette ganz schnell aus dem Mund. Seine linke Hand hörte auf mit der Fisherman‘s Friend Packung in der Hosentasche zu spielen und er blieb stehen. An dem Fahrradständer lehnten sieben Räder, eines ganz vorne. Es hatte keine Kotflügel, keinen Gepäcksträger und kein Licht.
Ein altes KTM Fahrrad.
Er schaute sich um und dämpfte seine Zigarette an einem Mistkübel aus. Das Fahrrad wurde vor allen anderen, ganz vorne platziert. Er steckte beide Hände in die Hosentaschen und betrachtete es. Beide Reifen hatten keine Luft. Ihm wurde warm. Die Lenkgriffe aus weißem Plastik. Der Griff für die Gangschaltung zeigte nach oben. Er drehte die Gangschaltung runter. Im Stand, das geht doch nicht. Er schaute sich um. Kein Mensch in der Morellenfeldgasse.
Er schaute auf die Fassade der Nummer 9, ein sanierter Altbau, ließ die Schultern hängen und ging weiter.
Hmmm, dachte er. Er zündete eine Zigarette an und ging stadtauswärts.
Aber warum war das Rad nicht abgesperrt?, sagte er, als er zuhause die Tür aufsperrte. Seine Freundin saß auf der Couch und las Wilhelm Tell. Wurde dein Fahrrad gestohlen?, fragte sie. Er stand vor ihr mit Jacke und Schuhen. Nein, nicht meins aber vielleicht ein anderes, sagte er. Ein Schönes?, fragte sie. Ein KTM, das war vor fünf Stunden, sagte er. Sie legte das Buch weg und zog sich die Schuhe an. Auf der Straße bot er ihr ein Fisherman’s Friend an. Es hatte nicht einmal Katzenaugen, sagte er.
Sie schaute sich das sanierte Haus an. Im ersten Stock waren neue Fenster, etwas verstaubt mit Wischspuren. Ein Porsche und drei Audis parkten vor dem Haus. Das KTM stand noch da. Sie legte ihre Hand auf den Sitz, der wackelte. Wer fährt mit einem wackeligen Sitz herum?, dachte sie und sagte er. Vielleicht hat es jemand kurz geparkt und das Schloss vergessen, sagte sie. Er schüttelte den Kopf. Wenn das Kettenblech nicht so gepflegt aussehen würde, dann hätte ich es sofort mit genommen, sagte er. Aber schau mal, sagte sie, die Geschichte geht so: Das Haus hat neue Mieter, hier der Porsche und die Audis zum Beispiel. Die haben Elektrofahrräder, die im Innenhof stehen. Der Hausmeister hat ausgemistet und im Vergleich zu den neuen Rädern kam es ihm alt und rostig vor. Deshalb hat er es einfach rausgestellt.
Er lächelte und ging um eine Birke herum, aber, sagt er, wenn die Geschichte nicht so war und jemand sein Fahrrad sucht? Dann, sagte sie, werden wir erwischt und jemand kann uns diese Geschichte endlich erklären.
Susanne Pernkopf
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mosaik23 – du bist fad.
mosaik23 – du bist fad.
Intro
Wer ist fad?
Wenn das mosaik auf der Titelseite eine so provokante Behauptung aufstellt, dann fragst du dich wohl, wer denn nun fad sein soll. Nun, entweder ist dies eine selbstbezogene Behauptung vom mosaik, vielleicht eine neue, etwas fragwürdige, PR-Masche. Ein kurzer Blick ins Archiv, genauer gesagt, in mosaik13, hilft weiter:
„Keine Literaturzeitschrift kann jemals so langweilig sein wie die letzten Bücher von Peter Handke.“ – Marko Dinic
Puh, aus dem Schneider. Aber das würde ja bedeuten, das Du bezieht sich auf dich, werte Leserin bzw. werter Leser, sofern Sie nicht schon von der Titelseitenduzerei abgeschreckt oder gar beleidigt worden sind. Sehr kühn von uns, sind wir doch eigentlich ganz lieb und freundlich. Und was sagt eigentlich Frau Pernkopf auf Seite 8 dazu?
Aber wo waren wir. Genau. Die Literaturzeitschriften. Dass die nicht fad sind, haben wir (und du sicher auch) nicht erst mit mosaik13 rausgefunden. Was die aber wirklich können, das dürfen sie selbst unter Beweis stellen. Zum einen beim ersten Treffen unabhängiger, zeitgenössischer Literaturzeitschriften, das im Mai 2017 in Salzburg stattfindet – klein und laut präsentieren sich bereits jetzt einige dieser Zeitschriften ab Seite 53.
Dennoch: Wenn man zum dreiundzwanzigsten Mal etwas macht, dann muss man sich dem Fadessevorwurf stellen. Intern möchten wir dafür sorgen, dass wir eben dies nicht werden, arbeiten an neuen Formaten, Inhalten, Themen. Doch dafür brauchen wir dich, der du grade im Zug/auf der Wiese/am Klo sitzt und zufällig oder ganz bewusst diese Zeiten liest. Wer liest eigentlich noch Vorwörter? Ach, ist eh ein Intro. Und als solches darf es ruhig auch konfus und wirr sein.
Weiterhin: Wir brauchen dich. Wenn du dich fragst, was wir so machen, dann lies einfach mal weiter und schau dich online um. Wenn du das, was wir (außerhalb dieses Intros) so machen, gar nicht mal so schlecht findest, dann werde doch ein Teil von uns! Noch nie war es so einfach, ein Mitglied der mosaik-Familie zu werden. Schau einfach mal auf wir.mosaikzeitschrift.at vorbei.
Der Vorteil daran: Wir sind nicht fad.
Unser Mosaik.
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mit Texten von:
- Ulrike Anna Bleier
- Daniela Chana
- Sagal Comafai
- Fabian Lenthe
- Christian Lorenz Müller
- Susanne Pernkopf
- Andreas Reichelsdorfer
- Kathrin Schadt
- Sigune Schnabel
- Katja Schraml
- Jan Seibert
- Leon Skottnik
- Elisa Weinkötz
- Phillip Zechner
klein&laut – Literaturzeitschriften-Spezial mit Vorstellung von:
- Politisch Schreiben
- &radieschen
- Richtungsding
- Sachen mit Woertern
- Seitenstechen
- Zeitblatt Prisma
- STILL
Übersetzungen von Texten von:
- Katja Plut (aus dem Slowenischen)
- Natasa Velikonja (aus dem Slowenischen)
- Karlo Hmeljak (aus dem Slowenischen)
- Florin Iaru (aus dem Rumänischen)
- Aleksandr Baslacev (aus dem Russischen)
- Nicoletta Grillo (aus dem Italienischen)
Mit Auszügen aus:
- KulturKeule XXIII – Texte von
- Fiona Sironic
- Nora Zapf
- Daniel Bayerstorfer
Buchbesprechung:
- Marko Dinic – Lyrikkiez: Wald aus Krätze (hochroth) und BAIAE (Verlagshaus Berlin) von Tobias Roth
Interview:
- Sibylle Ciarloni mit Joanna Lisaik
Kolumne
- Peter.W. – Hanuschplatz
eine Grafik von:
- Flamingo