freiVERS | Max Rauser

nur was zerbrochen ist, ist sichtbar

das halbe haupt gehoben
nur was zerbrochen ist, ist sichtbar
vom stamm die rinde weggeschoben
das licht in fahlen dunst zerstoben
die splitter hoch erhoben
nur was zerbrochen ist, ist sichtbar

das glas geworfen an die wand
nur was nicht nutzbar ist, ist sichtbar
ein siegel auf dem lockren land
ein haken in der flachen hand
ein becher liegt im feinen sand
nur was nicht nutzbar ist, ist sichtbar

im trommelfell ein leichter riss
nur was verwundet ist, ist sichtbar
hinterm ohr ein tiefer biss
im gesicht ein alter schmiss
auf dem thron ein fliegenschiss
nur was verwundet ist, ist sichtbar

 

Max Rauser

 

freiVERS ist unser Wort zum Sonntag.
Du hast auch einen freiVERS für uns?
schreib@mosaikzeitschrift.at

<< mehr Prosa | mehr Lyrik >>

 


freiVERS | Max Rauser

Das sanfte Klicken,
mit dem sich Bilder überlagern,
(Ich höre es im Kopf) übereinander
einrasten. Zum Beispiel:
Wie wir hintereinanderher
durch den Wald laufen. Wir
sind zu diesem Zeitpunkt sicher
schon einen Monat lang ein Paar.
Das heißt, es muss mindestens
im Juni sein, der Sommer steigt,
der Wald ist grün und dicht,
der Vormittag noch klar.
Und gleichzeitig fürchte ich
deinen Vater, du Atalante, fürchte,
dass ich die Äpfel zuhause
vergessen habe. Es ist ja auch nicht ihre Jahreszeit.
Oder: Die ständige Flucht
meiner Gedanken aus der Zeit
(Ist es eine Flucht?), wie
als ich die breite Treppe
eines U-Bahnhofs heraufsteig,
die bewohnt ist von Kot und
Müll. Und mir kommt die Treppe
vor, wie zum herrlichsten Tempel führend:
Man war so müde, wenn man endlich
oben stand.

 

Max Rauser

 

freiVERS ist unser Wort zum Sonntag.
Du hast auch einen freiVERS für uns?
schreib@mosaikzeitschrift.at

<< mehr Prosa | mehr Lyrik >>