freiTEXT | Britta Badura

Liebesleben

Es ist Freitag, Donnerstag, Mittwoch, alles durcheinander. Meine Kopfhaut juckt. Der Kaffee am Morgen war bitter, doch zweckdienlich. Dazu ein bisschen vom Kameldung, was ich seit meinen französischen Jahren rauche. Da gab es einmal Blutwurst in Lyon, eine Fahrt mit dem TGV nach Paris und einen Liebeskummer, den ich zwei Ehen später immer noch nicht überwunden habe. Google bestätigte mir, dass er immer noch mit der Frau zusammen war, für die er mich damals verlassen hatte, zwei Söhne, in etwa so alt wie meine. Er gefällt mir auf den Bildern gar nicht mehr. Mein Handy hat einen unbeantworteten Anruf. Soll es sich doch selber darum kümmern. Eine Eidechse sonnt sich auf der Terrasse und mein linkes Bein schläft gerade ein, weil ich es hochgelagert habe, ansonsten würde es beim langen Sitzen anschwellen. Bei beiden Schwangerschaften hatte ich immer schlanke Fesseln und sogar der Primar sagte kurz vorm Kaiserschnitt, als ich halbnackt vor ihm stand und er eine externe Wendung versuchte, zu meinem damaligen Mann: „Sowas schwängert man gerne.“ Andere Männer meinten, ich hätte so tolle Beine, doch sie wüssten nicht, was sie im Bett damit anfangen sollten – als hätte ich ihnen irgendwelche Signale in diese Richtung gesendet. Einmal war ich bei einer Körpertherapeutin, die mir Karten auf den Körper legte, dabei sagte sie, die linke Seite repräsentiere die mütterliche Linie, die rechte die väterliche. Prompt schwoll mein linkes Bein so an wie die Beine meiner Mutter und Großmutter. Verwundert rief ich die Therapeutin an, die allerdings nur meinte, meine körperliche Verfassung sei ihr ein Rätsel – so etwas sei ihr noch nie untergekommen. Ich werde auch nicht schlau aus diesem Körper, der nur aus sehnsüchtigen Schichten besteht. Und all seine Schönheit habe ich an Männer verschwendet, die nur das Programm Schmachtblick, Schmusen und Schuss kannten. Immer wieder habe ich trotzdem einen mit nach Hause genommen, doch ich habe es mir abgewöhnt, deswegen traurig zu sein. Ich will wieder ein Wackelzahnherz. Ich wünschte, ich könnte lieben wie Kinder. Mit Geduld. Mit offenem Auge. Die Nacktschnecken und die Kaulquappen. Kind in der Liebe sein. Wo es reicht, einander verstohlen beim Spielen zu beobachten, ein Herz im Wachstum zu haben. Überhaupt: der Zufall der Zuneigung. Warum nicht irgendjemandes Geliebte sein, ein paar Dinge ausprobieren, sich bloß nicht verlieben, sich um Gottes willen nicht verlieben, sondern ganz im Körper und in der Zeit sein. Welch Wunschgulasch. Wir lieben doch eh nur die Bilder, die wir uns vom anderen machen. So schnell nützt man sich ab und die Jukebox spielt Lügen, versteckt hinter Koseworten und verstreuten Erinnerungen. Ein Mann hat mich ein paar Wochen lang nur gevögelt und eines Nachts merkte ich, dass die Liebe eingefahren war, weil er mich plötzlich aufmerksamer ansah. Als er eine andere Frau kennenlernte, nicht besser als ich, nur anders, brach kurz meine mühsam zusammengezimmerte Welt zusammen. In einer Bar mixte ich nächtelang Caipirinhas. Ein Typ aus Berlin fand meinen Akzent so bezaubernd, dass er bis zum Schluss meiner Schicht blieb, um mich, sein Rad nebenher schiebend, nach Hause zu begleiten, wo er mich zwar mit einem Kuss verabschiedete, doch ohne Nummer oder andere Anknüpfungspunkte. Ein paar Tage später sah ich sein Rad in der Innenstadt und steckte ihm eine Alpenmilchschokolade in den Gepäcksträger. Wir gingen dann tatsächlich miteinander ins Kino, irgendeinen seltsamen isländischen Film, doch nachdem ich bei ihm zuhause aufgewacht war, meinte er, er sei noch nicht über jemanden hinweg und er melde sich. Das E-Mail ein paar Tage später trug den Betreff „Pretty girls make graves“ und hatte sonst keinen relevanten Inhalt zu bieten. Ich verließ die Stadt. Vermutlich muss ich mir eingestehen, dass ich alle meine Lebensentscheidungen aus Liebeskummer getroffen habe. Deswegen kann ich meine Zukunft nicht planen, nicht in das Korsett von Vorstellungen zwängen, doch dieses Warten, dass einmal etwas Spannendes passiert, macht mich mürbe. Und währenddessen schreibe ich Einkaufslisten, erkundige mich über Versicherungen, zahle pünktlich alle Rechnungen, vergesse keine Geburtstage, und versuche, meinen verfallenden Körper instand zu halten. Die vergeblichen Verwobenheiten, die wir unser Leben nennen. Es ist Mittwoch, sehe ich im Kalender, und auf der Kaffeepackung steht: „Nichts für schwache Herzen.“

 

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Britta Badura

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