freiVERS | blume (michael johann bauer)

always adapt to your latest li(f)es

das hochhaus erhaelt sehr fragile seitenfluegel du ziehst ungestuetzt
um in den elften stock deine wohnung besteht aus vielen scherben
& querfeldein gesammelten naturrelikten die in neukombinationen
spannende eigenleben zu entwickeln scheinen sowie wurzelfaeden
brachliegende verbindungsmoeglichkeiten hoechstens in traeumen
flieszen fluessigkeiten durch diese dann stark vergroeszerten rohre
& versorgen dich mit allerlei daten deren volumen nicht chronisch
im widerspruch zu deinem fassungsvermoegen steht das bedeutet
dir hilft die zeit deine impulse zu verarbeiten & hin & wieder gar
nach kritischer selektion umzusetzen was du fuer sinnvoll haeltst

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blume (michael johann bauer)

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mosaik34 - aufrecht und verloren

mosaik34 - aufrecht und verloren

Intro

„Wir schreiben ja gar nicht mehr, wir Schriftsteller*innen: Wir produzieren, statt zu kreieren.“ – So hat es Lisa-Viktoria Niederberger in einem Kommentar in der mosaik31 pointiert zusammengefasst. Viel ist im letzten Jahr passiert, viele Fragen haben sich aufgetan – eine, die uns immer wieder beschäftigt: Muss das so sein, dass das Schöpferische hinter das Ständig-Produzierende tritt? Und wenn diese Getriebenheit nicht nachhaltig ist, was ist nachhaltige Literatur?

„eppas, des nåchå bleiba dat“, definiert es Siljarosa Schletterer dialektal – und: „als sprachlich fixiertes Zeugnis ist sie in diesem Sinne nachhaltig. Aber reicht das?“ Stefanie de Velasco (S. 64) führt uns auf eine spannende Fährte: Nicht das Studierzimmer, sondern die Straße ist das Zuhause des ‚Nachhaltigen Erzählens‘.“ Ist es der Realitätsbezug, z.B. die Integration marginalisierter Gruppen, der Literatur nachhaltig macht? Kann so etwas nur noch mit Idealismus funktionieren, weil man sich ja dem ‘Markt’ entzieht?

Das Literaturblatt, das POEDU und das Literaturschiff wären Beispiele dafür. Darf man mit einem solchen Projekt auch marktwirtschaftlich erfolgreich sein? Oder produziert man dann erst wieder nur einen neuen, vergehenden Trend? Alles keine neuen Fragen, schon klar. Aber Fragen, die uns in ihrer Vielschichtigkeit seit langem beschäftigen (vgl. Kostenoffenlegung unten) und zu denen ständig neue hinzukommen. Auch wenn wir
keine Antworten liefern können: Wir können Fragen stellen.

euer mosaik

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Inhalt

störfunkstöbern
  • Ruta Dreyer – Am Himmel durchbrechen Vögel die Wolkendecke
  • Franziska Ostermann – Usus Wurf
  • Jan David Zimmermann – Das Gängige
  • Florian Neuner – Lola vers la mer
ungelesen abgelehnt
  • Jürgen Artmann – Café au lit
  • Lisa Roy – Geliebter Kilian
  • (blume) michael johann bauer – krokodilwaechtertraenen
  • Anne Büttner – Kleine Lichter
  • Eric Ahrens – Die Tragik einer unerwiderten Liebe
  • Johanna Klahn – Ok, Google: Katze, tot.
lieber allein
  • Lisa Gollubich – Öffnung
  • Carlo Maximilian Engeländer – Wofür sonst?
  • Tara Meister – Neben den Zikaden
  • Paul Jennerjahn – birkenstämme vor innenhof
  • Katharina Angus – Gischt
Kunststrecke von Sayne One MYB
BABEL - Übersetzungen

Hoffnung – bekanntlich gibt es sie in unerschöpflichem Maße, nur nicht für den Menschen. Der Zufall ist genauso ein großes Wort, das in den Mund zu nehmen sich nur diejenigen trauen, denen die Angst vor großen Wörtern genommen wurde. Selbstverständlich könnte man dahinter Literatur vermuten, die immer einen Weg für ihre Großen findet – und zwar in jeder Sprache. Doch Hoffnung und Zufall nützen einem wenig, wenn sich im eigenen Leben plötzlich ein Konrad einfindet. Ihr wisst nicht, wovon wir reden? Dann schnell reinblättern bei BABEL und erfahren, was das alles zu bedeuten hat …

  • Mir-Hamid Omrani – / Hoffnung (Persisch)
  • Andro Robica – Velika slučajnost / Großer Zufall (Kroatisch)
  • June Caldwell – Natterbean / Konrad (Englisch)
  • Dragoslav Dedović – Švajcarski voz / Im Zug durch die Schweiz (Bosnisch)
[foejәtõ]

Was ist nachhaltige Literatur? Diese Frage ist Ausgangspunkt dieses [foejtõ]. Fallbeispiele für gemeinnützige, idealismusgetriebene und ungewöhnliche Projekte ergänzen sich mit essayistischen Annäherungen. Bereichert wird die mosaik erstmals mit Texten von Kindern für Kinder, organisiert vom POEDU.

Kreativraum mit Seda Tunç

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mosaik 33 - offene Rechnungen überall

mosaik33 - offene Rechnungen überall

ansonsten chronisch werden
  • Tom Jan Putz – Warum wir nie mehr Fahrrad fahren
  • Raoul Eisele – dabei die Worte abzuwägen
  • Liona Binaev – Eine Frau die schläft
wozu wir aufgebrochen waren
  • Nils Woitschach – naherholungsgebiet
  • Thassilo Hazod – Schön ist das Wetter am Land
  • Klaus Wieser – allerseelen
unter der falschen Sonne
  • Sigune Schnabel – Fünf sein / Sieben sein
  • Franziska Gänsler – Die Stare
  • Seda Tunç – garten angehalten
  • Andra Schwarz – Elephant in the room
Kunststrecke von euch: Postkarten-mosaik
BABEL – Übersetzungen

Schon immer stand der Mensch mit seinem Hang zur Übertreibung in der Weltgeschichte auf verlorenem Posten – und das Selbstmitleid, in dem er sich gut und gerne suhlt, kennt bisweilen keine Grenzen. Als gutes Mittel gegen Weltkrankheiten kann uns daher die Literatur dienen, speziell jene, die es aufs Vorzüglichste versteht, den Menschen als Schalk zu entlarven. So widmet sich unsere neueste Babel-Auswahl in ihrem ersten Beitrag einer ganz anderen Pandemie: der Dummheit nämlich. Diese ist bekanntlich unendlich. Genauso wie die Fülle an Sprachen und Promis, die diese Ausgabe schmücken: Griechisch, Russisch, Latein, Ungarisch stehen so neben Marcel Duchamp, Emily Dickinson, Eric Satie, Lew Tolstoi. Das Gegenteil von Dummheit machts möglich!

  • Francesco Filelfo – An Maemus (Odae 1, 2) (Latein)
  • Zoltán Lesi – Kedves Marcel Duchamp, / Lieber Marcel Duchamp, (Ungarisch)
  • Ioulita Iliopoulou – KENO / NICHTS (Griechisch)
  • Dimitry Strotsev – пчелы уверены […] / die bienen sind sicher […] (Russisch)
[foejәtõ]

„In Krisenzeiten denken wohl die meisten nicht zuallererst an Kultur, doch sollte sie nicht aus den Augen verloren werden.“ – Antonio Prokscha stellt fest, was eigentlich selbstverständlich sein sollte. Doch das letzte Jahr hat gezeigt, dass regional und international wenig selbstverständlich ist. Darum blicken wir in dieser Ausgabe in die Kulturszenen ausgewählter Länder, von den Niederlanden über Belarus bis China, von Osteuropa bis Zentralasien, um den Status der Kunst, Literatur und Zivilgesellschaft zu erfragen.

Kreativraum mit Katharina J. Ferner

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15 | blume (michael johann bauer)

placebo=effekt

an manchen tagen findet der streit kein ende
ihr akkumuliert stress ohne sinnvolles ventil
fuehrt beinahe jede begegnung zur explosion
eurer unter der haut abgelagerten miniminen
keine letalen folgen & dennoch zermuerbend
die regelmaeszigkeit mangels fluchtraum esc-
taste die man einfach mal schnell betaetigen
koennte seid ihr euch ja absolut ausgeliefert
zu dritt in dieser viel zu winzigen wohnung
& vor lauter auf & ab & hin & her vergesst
ihr in diesem jahr sogar nikolaus zu feiern
waehrend weihnachten stur naeherrueckt
peinigen euch ploetzlich gewissensbisse
& ihr blickt euch endlich wieder richtig
an mit zuneigung liebkost euch & lacht
ueber die borniertheit in euren herzen
macht sich eine wohlige waerme breit

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blume (michael johann bauer)

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Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen:

advent.mosaikzeitschrift.at

freiVERS | blume (michael johann bauer)

auf der leisen faehrte des schreis

um nicht zu fallen traegst du die maske des laerms
zum beispiel auf um im jubel & trubel unterzugehen
treibst du vorbei an bevoelkerten ruinen mahnmaelern
weil alle straszen fluesse sind tosend irre ihre kreisel
& kreuzungen wirbel wo du dich fast zu tode drehst
potenziell zumindest findest du es nicht sehr leicht
dich zu orientieren & dabei sehnst du dich nach gleich
klang also stille synchronizitaet von innen & auszen
willst sie hinter dir lassen die tuecken die huerden
dieser voellig konfusen stadt in der du gestrandet
deine vergangenheit verlierst oder schon verloren
gegeben hast denn beim besten willen glaubst du
dich nicht mehr daran erinnern zu koennen wie
es einst zustande kam dein wesentlichstes wesen

blume (michael johann Bauer)

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freiVERS | blume (Michael Johann Bauer)

verdunstet

reifenkollern weht der wind die bruestung der duenen
hinab im hauruckverfahren verfrachtet dich ins abseits
ja jeder plan ist eine wueste blaupause eines scheiterns
auf raten oasen suchen wie viel prozent reichen wohl
aus um ausreichend versorgt zu sein wenn manche gern
behaupten gewisse dinge seien unteilbar & verlieren
ihren sinn ihre bedeutung sobald jemand mal versucht
sie zu dividieren was nicht ablenken soll vom sand
der zwischen den zaehnen & zehen & gelenken & & &
knirscht das getriebe blockiert selbstverstaendlich erst
ab einer gewissen menge & nun geraetst du erst recht
in den wirbel in den strudel in den sturm eines sich im
mer weiter um sich selbst drehenden gedankens & irrst
solange dahin bis dein knochentrockener leib verdorrt
daliegt unter der guten uralten & gnadenlosen sonne

 

 

blume (Michael Johann Bauer)

 

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mosaik30 - heute wird gegrillt

mosaik30 - heute wird gegrillt

Verlassene Körperhüllen
  • Johanna Hühn – Ich könnte mich entscheiden,
    die Wiese als Bibliothek zu betrachten
  • Lisa James – Schläfrig satt
  • Marianna Lanz – nackt
  • Luisa Nöllke – 34 tote Rehe
  • Andreas Hippert – Walden
  • David Misch – Waldläufer
  • Manfred Kern – Zum Kuckuck
Keine Tischmanieren
  • Stephan Pfalzgraf – die allegorien
  • Roman Markus – Wurst im Glas
  • Viktoria Edler – inbetween
  • Barbara Rieger – Binge Loving
  • Christine Steindorfer – Als der Schreiber Hans mit dem Traktor
    fuhr und ins Nachdenken kam
Wie Fluchttiere
  • Anne Klapperstück – Die Unmöglichkeit einer Mutter
  • Luka Leben – Verirrt
  • Dorina Marlen Heller – Miniaturen eines Wunders
  • Anna Stadler – Wo die Katzen leuchten
  • blume (michael johann bauer) – auf dem trocken=nassen weg
  • Aline Wollmer – Hinter den Dünen in der Kuhle

BABEL

  • Zoltán Lesi – Cipökereskedö/Schuhhändler (aus dem Ungarischen von György Buda und Xaver Bayer)
  • Dino Pešut – Gej Kultura 1-10/Gay Kultur 1-10 (aus dem Serbo-Kroatischen von Maša Dabic)
  • Sladana Simrak – Kada naide Naculjim uši/Wenn er vorbeikommt, spitze ich die Ohren (aus dem Serbo-Kroatischen von Jelena Dabic)
  • Ana Ristovic – U Prolazu/Im Vorübergehen (aus dem Serbo-Kroatischen von Marko Dinic)

Kunstbeilage von GRUPPE 19

[fœjətõ:] / Kulturszene

  • Interview mit Smashed to Pieces
  • Rezensionen: [kon]paper No. 5, moor magazin 6, Hafenlesung 18, ‚wo warn wir, ach ja:‘ (Robert Prosser, Christoph Szalay), ‚Kintsugi‘ (Miku Sophie Kühmel)
  • Bericht vom Vernetzungstreffen unabhängiger Literaturzeitschriften
  • Kommentare/Kolumnen von Raffael Hiden, Peter.W.

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freiTEXT | blume (michael johann bauer)

Das Meer

Scheppernd wellen sich wabernde Wolken, der Himmel kreischt, nachtschwarze Herrlichkeit glüht zerfurcht in blitzendem Sekundenbrand und unter dem bedingt zuverlässigen Schutzdach einer semipermeablen Blätterhaube drängen sich zwei Ratlose aneinander, befühlen, vielleicht nervös, die konkrete Hysterie ihrer rasenden Herzen durch klebrig feuchten Stoff, und taumeln schweigend – stehend, lauernd – über lechzend züngelnde Abgründe einer traumatisierenden Flut unverhofft greller Eindrücke, hier, in der relativen Verlassenheit eines schroff gezeichneten, felsenüberwuchernden Waldes, fernab von ihrem Zuhause, dem sie entflohen sind, gierend nach Freiheit, nach Glück. Furchtsam wispern abgewetzte Stimmen wie geborstenes Glas, unnatürlich das Trommelfell scheuernd, ätzende und ätherisch flüchtige Spuren trauernder Tropfen kondensierender Schwallwellen in den sensiblen Gehörgängen der in unmittelbarer Reichweite Lauschenden – welche im Prinzip auf die direkt Involvierten reduzierbar sind – hinterlassend und vergehen, letztendlich, nachdem der jeweils angesprochene Rezipient die, in ihren Modulationen ruhenden Botschaften dechiffriert hat, im kühlen Nirgendwo einer wüst plätschernden Regenhöhle. „Wir haben das Richtige getan.“ „Wir hatten keine Wahl.“ „Die Unerträglichkeit des Alltags hat unsere Flucht unvermeidlich gemacht.“ „Wir dürfen keinen einzigen Schritt bereuen, nachdem der Weg zurück einem waghalsig idiotischen Sturz in ein Meer aus dornigen Augen gleichzusetzen ist.“ „Unsere Lungen keuchen in Atemnot, doch ist der Preis nicht hoch genug, um auch nur eine zaghafte Melodie tosender Reue durch das Gerippe unserer Entscheidungen galoppieren zu lassen, während wir, stumm betend, die Endlosigkeit lebendiger Schmerzen inhalieren.“ „Was ist schon die Bürde sengender Angst verglichen mit dem berauschenden Jubel lustig würgender Selbstständigkeit in den gewaltig pulsierenden Armen einer archaisch anmutenden Natur!“

Der Vorhang lüftet sich und eine sympathisch wärmende Morgensonne induziert, fröhlich strahlend, golden gelassen Zuversicht, beendet die Notwendigkeit, eine Maske verbaler Stärke über einen bitter stachelnden Kern aus sinnlos explodierenden Selbstzweifeln zu ziehen, beleuchtet das pittoreske Panorama einer bergig unterlegten, bildgewordenen Symphonie chronischer Veränderung und die beiden verharren, staunend, im köstlich lieblichen Widerhall eines heilig scheinenden Augenblicks. Erleichterung zaubert mit weit ausgebreitetem Gefieder schillernde Regenbogen sinnlicher Ekstase auf die jugendlich frischen Gesichter der sich angenehm Entspannenden, sodass schließlich, klirrend die finalen Ketten apathischen Erduldens zerspringen und sie sich, engumschlungen die Harmonie ihrer Zärtlichkeiten großzügig und gerne nicht bloß miteinander teilend, mit ungestümem Lächeln und seligem Lachen auf den magisch unschuldigen Lippen, aufmachen, die ihnen noch würzig fremde Schönheit einer sich tänzelnd vor ihnen entfaltenden Sommerlandschaft für sich zu gewinnen und diese, kunstfertig transformiert in einen süßlich flirrenden Reigen luftig schwebender Gemälde, in die empfänglichen Schalen ihrer zukünftigen Erinnerungen zu träufeln. Ausgelassenes Vogelgezwitscher und ein aus der geheimnisvollen Verborgenheit der mit Laub gefütterten Behausungen obskurer kleiner Tiere dringendes Rascheln begleitet den sanften Fluss ihrer Bewegungen akustisch, indes sie sich unaufhaltsam, ohne sich dieser verhältnismäßigen Tatsache bewusst zu sein, dem nahezu vollkommen von wild gedeihenden Ranken bedeckten Eingang eines teilweise verfallenen Steingartens, in dessen Zentrum eine einzigartige Herausforderung ihre baldige Ankunft erwartet, nähern.
Einst, als die Essenz absoluter Einheit alle Dinge durchdrang – eine fundamentale Gegebenheit, die, selbstverständlich, eine unveränderliche, jenseits von Raum und Zeit bestehende Konstante darstellt – und auch der Mensch, an sich, ihre sogar an der Oberfläche und in den verwinkeltsten Ausläufern der Materie erkennbare Omnipräsenz – mithilfe geistiger Leere – noch zu erfassen in der Lage war, lebte hier das erleuchtete Volk der Täler, welches keinen speziellen Namen für sich in Anspruch nehmen musste – kein Klammern an den Wahn einer von wirren Vorstellungen determinierten Identität –, um, ohne es wissen zu müssen, zu wissen, wer es war. Was aus ihm geworden ist, ist ohne Bedeutung, lediglich wenige sporadische, vom Lauf unzähliger Jahre entstellte Relikte eines gelegentlich erschaffenden Daseins bezeugen vage seinen Ruhm auf dem Gebiet bescheidener Weisheit ohne Zweck und ohne Ziel. Der Ort nimmt hierbei die Rolle einer beliebigen Hilfestellung ein, er ist unwesentlich, eine simple Zugangsoption, ein durch das Zusammentreffen gewisser gegenständlicher Umstände – Transkriptionen von Wahrheit in ein diskret anthropogenes Vokabular – zündender Funke, das vermeintlich erloschene Flammenmeer im Inneren der eigenen Verästelungen erneut zu entfachen – das Feuer vollendeter Klarheit spürbar zu machen –, das zu entdecken, was, immer und überall, ist.

Und schon ist sie überschritten, jene imaginäre Grenze, die sich, trotzig, zusammensetzt aus Glaube und Phantasie – und plötzlich ist alles – wie – verwandelt – in der verblendeten Welt der Perzeption. Ein filigran geschuppter Reptilienboden saugt lüstern an den nackten Füßen der sich in ihrer spontan einsetzenden Orientierungslosigkeit verwirrt Ergänzenden, wölbt sich manisch auf, erbricht dunkle Stöße panisch exkrementöser Lava exzentrisch fragwürdiger Konsistenz, höhnisch die Beine der zu wehrlosen Opfern Auserkorenen mit der dumpfen Widerwärtigkeit seines abstoßenden Auswurfs besudelnd – und steht still, ganz so, als wäre nichts geschehen, überlässt die Zwei, in ihrer Vereinigung, dem frivol verzerrten Labyrinth makabrer Assoziationen, eine dämonisch blinzelnde Furcht, die – einen lächerlich stupiden Vergleich aufs Papier schleudernd – weitaus tiefer sitzt als das, in manchen Situationen, schier übermächtige Beben fleischlicher Lust, aus dem eiskalten Refugium ihrer Epilepsie lockend. Zitterndes, hilflos winselndes Elend – kaum haben sie sich von der zynisch durch die heimlichsten Nischen ihrer Psyche echoenden Erschütterung des ersten Schocks erholt, zur Linderung die honiggleiche Idylle des anbrechenden Tages auf ihren zerrüttet gereizten Synapsen verteilt, zerfetzt der gnadenlose Dolch unvorhergesehener Ereignisse die trügerisch behagliche Leinwand harmlosen Schlenderns durch eine milchig satte Köstlichkeit friedlich summender Momente und reißt die empfindlichen Gemüter unserer leidlich unerfahrenen Protagonisten ins blechern schallende Verderben giftig schäumender Poren ominöser Unbeständigkeit. Ehe es ihnen gelingt, auch nur tendenziell zur Ruhe zu kommen und die unangenehm knisternden, ihre zarten Leiber grob malträtierenden Wogen schrecklich intensiver Stimulanzien zu verdauen, sind sie bereits angelangt, im Reich des mystischen Jaguars, der, wie ein behutsam funkelnder Opal, grollend flüsternd, zu ihnen spricht. „Der Pfad der Mysterien ähnelt einer blutroten Orchidee – verziert mit der opulenten Erhabenheit flüssigen Rubins geleitet er die Suchenden hinab in eine Schatzkammer bizarr flatternder Euphorie! Betörende Düfte verbreitend, erblüht ein Mosaik aus adoleszenten Rosen über den kristallenen Kelchen taubenetzter Schläfen! Hinter dem Schleier der Wahrnehmung, jedoch, in der stoisch prahlenden Kluft fremdartiger Unerreichbarkeit, stagniert spröde das Wort, wartet flehend darauf, vernichtet zu werden, den Marmor, den es zornig durchwurzelt hat, zu zersprengen, um in amorpher Vergänglichkeit seine Bestimmung zu erfüllen – und wir, wir lesen, gebannt, im Buch seiner ewigen Manifestationen, aufgewühlt erahnend, dass alles längst ist. Düster, wie Zimt, tobt ein eitriger Scharlachsturm durch die Nichtigkeit unserer Existenz und gebiert wundervoll obszöne Anomalien – möge das Ritual der Trennung und Melange beginnen!“ Nichts. Kein verträumt splitternder Laut tönt fruchtbar hinein in die klebrig exzessiven Ergüsse fanatisch zirkulierender Obsessionen, keine exorbitant wallende, phänomenal farbenprächtige, von aufrichtig stolzen Initiierten flott inszenierte Zeremonie befleckt die keusche Jungfräulichkeit des ins Aberwitzige abgleitenden Szenarios mit dem geradezu göttlichen Ejakulat einer alle Anwesenden aufheiternden Offenbarung - nein, ganz und gar nicht – stattdessen martert eine subtil quälende Atmosphäre schwül erdrückender Erwartung, die, langsam aber sicher, in peinigende Ungeduld umschlägt, die blank liegenden Nerven der partiell unfreiwillig Beteiligten, bis sich, zu guter Letzt, sichtlich verlegen, der Jaguar, wieder, zu Wort meldet. „Eventuell ...“ „Schluss mit dem Rechtfertigungsgejammer, wir gehen jetzt ans Meer!“ Gesagt, getan!

blume (michael johann bauer)

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