Nachts gehen die Lichter aus
Ein Auto fährt vorbei und wir drehen uns zu den Feldern in die Dunkelheit. David steckt die Kappe wieder auf den Filzstift. Er grinst und klopft auf das Metallschild mit dem Ortsnamen darauf. Sofie und ich legen den Kopf schief. Nee. Was nee, fragt David. Ja das funktioniert nicht. Noch ein Auto kommt und wir wenden uns wieder ab. Das ist halt nicht witzig, sage ich. Hanna hat Recht, mit Möckmühl geht das nicht so richtig. Aber man muss doch nur das c streichen, sagt David. Und das k. Und ein s einfügen. Und ein e. Oh. Merkste selbst? David nickt und Sofie steckt sich eine Zigarette in den Mund. In ihrer hohlen Hand explodieren kleine Funken.
David kommt in den Laden und trägt eine Kiste Kartoffeln. Ich nicke und er stellt sie auf die Theke. Ich krame unter dem Tresen herum, nehme eine Rolle Münzgeld und schlage sie in die Kassenschale. Tick, Trick und Track haben was geschickt, sagt Hannes und zieht einen Zettel aus dem Blaumann hervor, war heute Morgen am Fendt. Ich hebe den Kopf und lese: Wir sehen uns am Freitag beim Rettichfest – Chrissi, Simon, Lukas. Ich sehe David an. Das ganze Dorf geht zum Fest, natürlich sehen wir uns da. Was soll denn das für eine Drohung sein? David zuckt mit den Schultern.
Sofie und ich hängen unsere Badeanzüge an einen der Haken unter der Ablage. Die Dusche ist warm und ich tauche mit dem Gesicht unter. Die Frau vom Hins kommt rein und stellt sich unter die andere Brause. Grüß Gott. Ich verdrehe die Augen. Hallo, sagt Sofie. Tut schon gut, gell? Was, frage ich und blinzle durch den Schaum. Tut gut! Sofie nimmt ihr Handtuch und trocknet sich ab. Mädlen? Sofie und ich tauschen einen Blick und ich nehme mein Handtuch. Reist euch am Freitag mal zusammen, sagt die Hins, wir wollen nicht so einen Ärger wie letztes Mal. Sofie salutiert und wir gehen.
Wir liegen auf dem warmen Feldweg und sehen uns die Sterne an. Der Mais steht hoch und das Land ist knochentrocken. Ab und zu explodiert ein Korn im Kolben. Warum eigentlich, frage ich. Was, fragt Sofie. Das mit Tick, Trick und Track. Ist bestimmt so ein Familienfehdeding, sagt David, bestimmt haben sich schon unsere Ureltern gehasst. Ich hasse die nicht, sage ich. Vielleicht sind wir mit denen sogar verwandt, sagt Sofie. David richtet sich auf. Auf gar keinen Fall! Keiner von uns ist so ein scheiß Angeber, oh ich bin es, der Lukas, ich habe einen neuen Rasenmäher bla bla. Ich sehe Sofie an und wir grinsen.
Es trommelt an den Rollladen vor meinem Fenster und ich fahre im Bett hoch. Ich ziehe den Laden nach oben und mir schlägt Blaulicht ins Gesicht. Ich muss die Augen schließen. Mein Cousin rückt die Uniform zu Recht und nickt auf den Wagen hinter sich. Was dieses Mal, frage ich und winke David und Sofie zu. Einbruch, Diebstahl eines Aufsitzmähers, Zerstörung eines Aufsitzmähers. Ich ziehe die Augenbrauen nach oben. Du kannst froh sein, dass ich Dienst habe. Ich nicke und hole die beiden aus dem Wagen.
Der Löhneberger trägt sogar seinen Feuerwehrhut und der Dachser sieht sich um. Die beiden stehen auf dem Platz vom Rettichfest. Das Gras, das ist viel zu trocken, sagt der Löhneberger und schrubbt mit dem Schuh auf der Erde herum. Das muss man bewässern. Spinnst du? Das kostet einen Arsch voll Geld. Der Löhneberger fasst sich an den Hut und der Dachser verdreht die Augen. Und wenn es morgen noch regnet, fragt der Dachser. Dann muss man nicht bewässern. Der Dachser zieht ein paar Scheine aus seiner Hosentasche und steckt sie dem Löhneberger vorne an den Hut.
Chrissi, Simon und Lukas schieben sich zwischen den Bierbänken hindurch zu uns. Das ist unser Bierstand, sagt Chrissi. Sei nicht albern. Es gibt hier nur einen, sage ich. Und das ist unserer. Und das steht wo, sagt Sofie und lässt ihre Gabel sinken. Simon tritt an sie heran und ihre Nasenspitzen berühren sich beinahe. Sofie schmiert Simon den Rettich ins Gesicht und stößt ihn weg. Luka zieht nochmal an seiner Zigarette, schnippt sie weg und verpasst David eine. Ich packe Chrissi. Er packt mich an den Haaren, lässt aber sofort wieder los. Es riecht nach Gas. Ein Schlag ist zu hören und das Wellblechdach der Bierbude fliegt hoch in die Luft.
Der Bierstand ist komplett ausgebrannt. Das Gras zieht einen Kreis aus Feuer um die Bierbänke. Ein Funke hat das Dach des Grillhäuschens entzündet und ein paar Männer zerren die Gasflaschen heraus. Eine Stichflamme schießt brennende Fettpfützen auf die Bierbänke davor. Die Leuchtgirlande darüber brennt durch, schwingt wie eine Liane herunter und setzt den Baum in Brand. Es surrt und aus dem Stromkasten sprühen Funken. Die Preise der Schießbude schmelzen in sich zusammen. Plastik und Bratwurst liegt in der Luft.
Stefanie Schweizer
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