Poetry from the far south. Unser Korrespondent in Südafrika, Sasa, hat erfreuliches zu berichten: An der Universität Stellenbosch bei Kapstadt versuchten sich Schüler*innen in einem Poetry Slam mit ersten literarischen Gehversuchen. Ausgehend vom German Department der Universität traten in zwei Runden die Deutsch-Lernenden gegeneinander an. Die Gewinnerin der Gruppe der SprachanfängerInnen, Kesia Abrahams, lernt seit einem halben Jahr Deutsch. In der Fortgeschrittenen-Gruppe haben Karen Rebeski und Paula Freers mit ihrer Performance gewonnen. Beide Siegertexte haben wir hier als Nachlese.
Der Poetry Slam fand heuer bereits zum fünften Mal statt und zum ersten Mal in Kooperation mit der Deutschen Schule Kapstadt. Erstmalig war auch ein Star-Gast anwesend: Fabian Navarro. Zweck des Slams ist es, den Studierenden die Möglichkeit zu bieten, ihren Gedanken und ihrem literarischen Talent Raum zu geben. Sie sollen einfach die Möglichkeit haben, das Spiel mit der Sprache mit anderen Menschen zu teilen. Es wurden auch zwei Schreibworkshops angeboten, an dem die Studierenden teilgenommen haben.
Hallo! Ich bin Kesia, aber jeder nennt mich Kee.
Ich bin fünf Jahre alt.
Ich wollte Karate machen, aber Papa sagte, ich muss Ballett machen.
Hallo! Ich bin Kesia, aber jeder nennt mich Kes.
Ich bin dreizehn Jahre alt.
Ich liebe Fußball, aber meine Schule hat kein Mädchen-Team.
Hallo! Ich bin Kesia, aber jeder nennt mich Kay.
Ich bin 17 Jahre alt.
Ich wollte der Armee beitreten, aber es ist keine Karriere für eine Dame.
Sie sagen zu mir, ich sollte ich selbst sein, aber wie kann ich, wenn sie diese Wände um mich stellen.
Kesia Abrahams
–
–
Bin ich?
Ich bin weiß…
warum?
Ich bin nicht auf die Welt gekommen und habe gesagt ich…bin…weiß
das hat sich jemand ausgedacht und sich nichts dabei gedacht.
und ich hab es akzeptiert, toleriert und…weitergegeben.
ich bin schwarz…
so nennt mich die Welt
mir wurde beigebracht mich schwarz zu nennen
und dir wurde beigebracht mich schwarz zu nennen
das ist meine…Marke, die hab ich nie hinterfragt…ich bin mit ihr geboren
ich bin anders und du bist anders und wir haben andere Marken als andere Menschen
wir haben diese…Marken so…hingenommen, angewendet und nie daran gezweifelt
…und das ist das Problem,
Marken sind nicht du und Marken sind nicht ich.
wer wir wirklich sind…liegt…unter der Haut,
…verdeckt…
Marken sind nur Marken.
Ich hab nur eine Frage:
wer würdest du sein, wenn man dir keine Marke gegeben hätte
wärst du schwarz…weiß…mexikanisch, amerikanisch, asiatisch…indisch?
nein, wir wären eins wir wären zusammen
wir würden nicht länger mit diesem…Fehler leben
Menschen schwarz und weiß zu nennen
Karen Rebeski und Paula Freers
“Unser Ziel ist es, mit unseren Gedichten Menschen zu erreichen und zum Nachdenken anzuregen. In unseren Gedichten sprechen wir hauptsächlich ernste Themen wie Rassismus oder Feminismus an. Wir wollen als gute Vorbilder voran gehen und zeigen, dass diese Themen keinesfalls Tabuthemen sind.” – Karen Rebeski und Paula Freers
–
Das Muss muss gar nichts müssen
Meine Noten müssen höher sein
Mein Gewicht muss niedriger sein
Mein Bauch flacher
Mein Portemonnaie dicker
Meine Haut dunkler
Meine Zähne weißer
Mein Herz stärker
Meine Emotionen schwächer
Meine Freunde hässlicher
Mein Gesicht schöner
Mein Erscheinungsbild makelloser
Meine Wahrnehmung fehlerhafter
Meine Haare länger
Mein Rock kürzer
WILLKOMMEN IN UNSERER GESELLSCHAFT!
Du wirst verurteilt für das, was du trägst
Welche Musik du hörst
Wie du aussiehst
Wie du dich verhältst
Mit wem du zusammen bist
Und für eigentlich jede deiner anderen persönlichen Eigenschaften
Genieße dein Aufenthalt…
Wenn ein Mädchen “Ugg´´ Stiefel und Starbucks mag
ist sie klischeehaft und übertrieben
Wenn sie ein niedriges Selbst-wert Gefühl hat
sie muss lernen sich selbst zu lieben
Wenn sie Make-up trägt
ist sie falsch und unnatürlich
aber wenn sie kein Make-up trägt
ist sie für die Männer unwürdig
Wenn sie karierte Hemden, große Brillen und schwarzen Kaffee mag
ist sie ein Möchtegern hipster und unerträglich
wenn sie Sex mag
ist sie notgeil und billig
wenn sie keinen Sex mag
Dann ist sie nicht willig
Wenn sie Comics liest und Videospiele spielt
ist sie ein Außenseiter, für die Gesellschaft gestorben
Wenn sie ein zu hohes Selbstwertgefühl hat
ist sie eingebildet und von Überheblichkeit verdorben
Wenn sie an Politik interessiert ist
ist sie eine verrückte Selbst-Justiz Kämpferin
enthält sie sich politischen Themen
dann ist sie egoistische Anti-Aktivistin
Wir bringen Mädchen bei
unauffällig zu sein, nicht frei
wir sagen ihnen
Ihr dürft gut verdienen
aber nicht zu viel
Ihr müsst nach Erfolg streben
Aber nicht euer ganzes Leben
Sonst verdrängt ihr den Mann
Weil ich weiblich bin
wird von mir erwartet
nach ,,Glück‘‘ zu streben
Ein neues Leben zu erwägen
dieses mit Mann, Kind und Karriere zu prägen
Entscheidungen zu treffen , keine Möglichkeiten zu Umwegen
im Kopf behaltend dass das das Wichtigste ist
jetzt frag ich mich ob das wirklich richtig ist
ob das die Definition von modernem Feminismus ist
das wir dies Mädchen erzählen und Jungs nicht
Als Mädchen musst du schön sein und intelligent sein
du musst dich schminken aber natürlich bleiben
du musst bescheiden und selbstbewusst sein
du musst klassisch und schlicht sein, aber auffallen
Als Mädchen musst du emanzipiert, rasiert und weiblich sein
du musst abenteuerlustig und aufgeschlossen sein, aber bodenständig bleiben
du musst dich gesund ernähren und Sport treiben
du musst dich vom Mann beschützen lassen, aber selber Stärke erweisen
Als Mädchen musst zu elegant und vorzeigbar sein
du musst lustig und unterhaltsam sein, aber seriös bleiben
du musst emotional und erreichbar sein
du musst erfolgreich sein, aber nicht erfolgreicher als der Mann
Als Mädchen musst du unterwürfig und gehorsam sein
du musst zierlich sein, aber nicht zerbrechlich
du musst dünn sein aber Kurven haben
du musst klein sein aber nicht zu klein
du musst lachen und weinen aber bloß nicht zu oft
du musst, aber…du musst gar nichts!
An all die Mädchen und an all die Frauen
die uns heute zuschauen – habt Vertrauen
es ist an der Zeit, die Realität umzubauen
lasst ab vom utopischen Traum, perfekt zu sein
gebt auf, allen Erwartungen der Gesellschaft zu entsprechen
euch für tausend und aber tausende unbekannte Gesichter zu zerbrechen
zu verbiegen, dem aufgezwungenen Wunschbild zu erliegen, jemand anderes zu sein
bringt den Wahn nach dem Kleinkarierten vollends zum Erliegen
zeigt die vielen Seiten der Schönheit- von der ihr Teil seid
seid die Mädchen und die Frauen, die Töchter, Schwestern und Mütter
denn nichts ist stärker, als der Welt entschlossen eure wahren Gesichter zu zeigen
Karen Rebeski und Paula Freers
–
Beitragsbild: Kesia Abrahams
freiTEXT ist wöchentliche Kurzprosa. Freitags gibts freiTEXT.
Du hast auch einen freiTEXT für uns? sch
re**@mo***************.at