Habicht meint Sperber

Luise will eigentlich nur einen Ausreißer machen mit Paul. Christian will eigentlich nur Luise und Luise steigt dazu. Luise lässt ihrem Kater den halbvollen Napf, in the end bleibt Kater Kater, at the end fühlen sich eh beide bereits. Luises Kater wird morgen 14 und sie selbst: nicht happy.

Christian: will – wie gesagt – eigentlich nur Luise und damit meint er: sie an den Öhrchen ziehen und liebkosen, sie seinen Eltern vorstellen. Christian macht das Dach des Cabriolets auf.
Luise: Der Fahrtwind macht sie müde, flusig, es wellen sich ihr die Lippen, ganz prall gefüllte Wangenlappen links und rechts. Paul könnte seinen Fingernagel in ihren Lippenriss drücken, sie sieht sich schon mit erhobenen Armen, Gib mir all dein kriminelles Interesse, dass sich das Efeu an den Altbauten zusammenzieht, Luise will das alles.

Christian öffnet ihr jede Tür, Christian würde sie gern hinter verschlossenen Fensterläden auf sich sitzen haben. Aber Christian ist anständig und hat stattdessen wasserdichte Brotdosen und Laugengebäck dabei und Luise bleibt bloß scharf auf Radieschen. Christian macht das nichts aus, ihm fällt dazu eine Anekdote ein:
Ich habe dieses Fable für Kaninchen und Meerschweinchen, sagt er.
Zwölf Schlangen in deiner Umgebung sind interessiert, sagt Luise. Christian schmatzt und bevor er sich verschlucken kann, geht der Kaugummi zur Seite raus. Mehr macht Christian nicht.

Zwischendurch vergisst Luise kurz, dass es sich bei Paul und ihr um zwei verschiedene Körper handelt. Auf hoher See kratzt sie sich die Haut und wenn sie aus dem Hinterhalt die Flut überkommt, dann schluckt sie ihn gleich mit. Wenn Luise ganz ehrlich wäre: Sie würde sich mit ihm in einer Flasche drehen, er könne sie sogar platzen lassen, das wäre ihr nur recht, sie vertraut ihm da aufs Ganze. Luise würde den beiden ihren Rachen so schnell wieder schließen, Paul würde blind, so flott ginge das, das würde gar niemand mitbekommen, bevor nicht schon zu spät. Intriguing, denkt Luise da, und Christian: Der steht am nächsten Busch und über seiner Kimme Haare wie ein Büschel Gras, das Luise nicht nochmal hätte sehen wollen, hätte sie es sich nur überhaupt einmal überlegt.

Christian ist hier voll auf seiner Seite, Christian hat sogar Marshmallows für sie dabei und einen Holzanzünder, Luise hat ihr Teewasser. Christian hätte gern etwas Heißes, Luise hofft, dass er da nicht an sie denkt, Christian weiß das nicht, Luises Thermoskanne tropft. Christian detoxt, Luise auch, Luise und er halten sich an verschiedene Pläne, wenig später hat Christian eine Brandblase auf dem Handrücken. Luise merkt sich für Paul: Bin im Ernstfall so verlässlich wie dein Wasserkocher: 1 bis 2 Hände verbrühen. Christian merkt nichts.

Christian denkt darüber nach, wie Luise ihren Kater krault. Er sieht hier kein Tier, sondern eine Chance, legt seine Hand auf Luises Oberschenkel, Luise will, dass er beide Hände am Steuer lässt. In Christians Vorstellung ist Luises Kater morgen nicht 14, sondern verhungert.

Christian versucht einen weiteren Zugang, Luise würde den lieber von Paul gelegt bekommen: Christian zeigt auf einen Habicht, Christian meint einen Sperber. Eigentlich weiß Luise  länger schon ausreichend, sieht zum Beispiel Tauben von Freileitungen kippen. Luise weiß nicht weiter.

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Nele Ziemer

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