Untersuchung des Drogenvokabulars auf sein poetisches Potenzial:
Nur das kann ich, denn ich saß am See, als sie hinter mir tanzten, oder am Feuer saßen auf der befleckten Matratze, oder im Auto auf den zurückgelehnten Vordersitzen mit Ketamin im Gehirn und tauben Synapsen. Du existierst dann nicht mehr, sagte mir einer von ihnen, nicht du, als wir auf der Matratze am Lagerfeuer saßen und du, nicht er, dich im Rausch auf meinen Schoß legtest. Du bist einfach nicht mehr da oder nur noch ein ganz kleines bisschen und das ist manchmal sehr erleichternd, sagte er. Ich legte meine Flasche Billigwein in den Rasen und kraulte deinen nicht vorhandenen Kopf. Du löst dich auf und bist an einem Ort, wo sich deine Nicht-Existenz anfühlt wie Apfelmus mit Vanillesoße und du lachtest in meinen Schoß.
Meine Hand eckte nach unten, stieß den Finger zwischen kleine, kalte Halme und kratzte in den Boden; das Stroboskop zuckte blau und weiß und grün und warf mit kantigen Schatten. Ich hielt ihm stand mit weiten Pupillen, die pulsierten wie die Bässe in der Luft aus Regen und die Musik jagte das Licht und ich saß am Feuer auf der Matratze, kopfloser Schoß.
Warum ich da war?
Kein ich, kein wir, nur atmen in Baumkronen und selbst gefühlte Unwichtigkeit. Letztendlich ist es egal, ob ich unter Schwarzlichtlampen oder in Hörsälen sitze, es ist auch egal, wie Apfelmus mit Vanillesoße schmeckt und das ist gar nicht pessimistisch gemeint, sagte ich dir in meinem Schoß, ob du existieren willst oder nicht, ist egal. Irgendwas passiert zwischen Kreißsaal und Krematorium, da hätten wir sie wieder, die Wörter mit K. Kaum kein Kind mehr, arbeitest du an deiner Karriere, bildest Kompetenzen aus, stichst Konkurrenten aus, wirst letztendlich von jeder KI übertrumpft, im Kapitalismus ist die Freizeit für Konsum und Kurzurlaube, dass Krieg herrscht und dass es sowas gibt wie Klimaerwärmung, musst du noch irgendwie deinen Kindern erklären und du musst weiterarbeiten an deiner Karriere, denn wenn du aufhörst, dich abzukämpfen, verlierst du den Anschluss, fällst erst durch Klausuren und dann auf deine Knie und zu viel Kaffee ist auch schlecht, Saufen bis zum Kotzen, Selbstzerstörung, dein Körper braucht zwar Kalorien, aber auch nicht zu viele, jemand in deiner Familie stirbt an Krebs und mit der Zeit werden deine Knochen porös und deine Kraft schwindet…
Das ist gar nicht pessimistisch gemeint und im Prinzip ist das auch nichts Neues, aber trotzdem kochst du abends, und trotzdem kannst du tanzen, und trotzdem kämpfst du weiter, weil du ein Lebenskünstler bist.
Ich wäre gerne ein Gedicht – hermetisch abgeriegelt, gegen Ks zum Beispiel, doch ich saß da unter der Schwarzlichtlampe und nahm keine Drogen, in ein paar Stunden werde ich wieder im Hörsaal sitzen und keine Notizen machen.
Den Schotterweg zu uns entlang stach das Scheinwerferlicht und dienstmüde Augen schweiften über Gesichter, bitte nur noch mit 30 bis 40 Dezibel und neben dem Deck lag was Buntes und ein bisschen Gras. Nicht-Existenzen sind lauter, als das Lärmschutzgesetz erlaubt, aber man konsumiert leise. Die Scheinwerfer stocherten durch die Dunkelheit zurück und still saß ich wieder am Feuer und dort in der Baumkrone hing das Licht.
Willst du auch?
Weiße Linie auf schwarzem Display. Später ging einer kotzen – nur wer fliegt, kann abstürzen. Ich schwenkte meine Flasche Billigwein gegen Lichtgezucke, fast leer. Auch Alkohol betäubt Synapsen. Alkohol trinke ich kaum, sagtest du, nicht mehr in meinem Schoß, sondern halb liegend neben mir. Der letzte, nachtkalte Schluck rann meine Kehle hinab und ich wendete meinen Kopf halb zu dir: wann legst du eigentlich auf, dann suchte ich mit dem Handytaschenlampenlicht einen Ort zum Pinkeln.
Solche Musik imprägniert die Seele, ich weiß nicht, ob ich tanzte, ich bewegte meinen Körper, aber vielleicht bewegte mich die Musik, Arme eckten um meinen Rumpf und meine Beine stießen in den Boden und da schoss eine Ratte zwischen zehn bis zwölf Fußpaare hindurch, oder war das nur so ein gejagter Schatten?
Weißt du, und du lehntest dich zu mir rüber, ich wäre mit meiner Musik gern wie ein Pilz, der sein Netz im Untergrund entfaltet und mit seinen Sporen ein Umdenken bewirkt, wartetest kurz nur auf meine Reaktion und gingst dann rüber zum Deck und auf dem kurzen Weg dorthin verschlangen das Bild psilocybinbedingte Muster. Ich weiß nicht, was du sahst, aber genau das sah ich.
Den Stoff, aus dem Träume gemacht sind,
stellte ich mir selber her. Beim Tanzen zu deiner Musik meditierte ich, Visuals hatte ich nicht, aber ich visualisierte und stell dir vor, traumeigene Bilder mit DMT zu kombinieren… Weder romantisiere ich, noch verpflichte ich mich zur Moral und ich muss mich nicht erst zum Dessert bekennen, um die Möglichkeiten einer Nicht-Existenz in Klammern poetisch auszuschöpfen und nicht mal lyrisch muss ich sein, wenn Prosa bunt genug ist und irgendwo im Damals und Dort tanzte ich auf Träumen…
Und dann – sah ich – am Horizont – die Sonne.
Stell den Sturm auf stumm und unmute die Musik.
Es war nach sechs, das Lärmschutzgesetz schob die Regler hoch und mit der steigenden Sonne verblasste das Schwarzlampenlicht und Gold befleckte meine Wangen. Deine Hand lag kühl auf meiner Hüfte und ich war erleichtert, kein Gedicht zu sein. Meine selbstgemachten Visuals waberten hinter verschlossenen Augen noch auf den Wellen meines Unterbewusstseins, dann und wann ein Schaumkamm, Steilküste, Blick in die Ferne, ein Schritt und du fällst in die Sehnsucht. Warst du mit deiner Musik wie ein Pilz, fragte ich dich und entnahm deinem Schweigen eine Erinnerungslücke. Nur wer schreiben will, muss sich erinnern, also: hier sind deine Gedanken, ich schenke sie dir zurück.
Der Stoff, aus dem Träume gemacht sind,
glitzerte noch im Sonnenlicht. Meine imprägnierte Seele
atmete wieder und du lehntest dich zu mir rüber, einfach so, ohne was zu sagen, wartetest auf keine Reaktion und ich weiß nicht, was du sahst, aber ich sah dort hinten auf dem Feld im Nebel einen Kranich stehen.
Willst du auch
einen heißen Tee? Du holtest die Thermoskanne aus dem Auto, während ich sitzen blieb am See, hinter mir saßen sie an der Glut auf der befleckten Matratze und als du wiederkamst, waren wir hier und meine Existenz fühlte sich an, wie Apfelmus mit Vanillesoße. Meine Hand glitt durch kleine, kalte Halme und ich blickte der Sonne entgegen mit kleinen Pupillen.
Warum ich da war?
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