freiTEXT | Nico Feiden
Tramperliebe
Ich ging stundenlang an einer Landstraße entlang, ohne das ein Auto anhielt, litt unter der Hitze dieser südlichen Sonne, während der Schweiß aus jeder Pore meines Körpers tropfte.
Als ich schon aufgeben wollte, hielt ein kleines Auto und eine junge Frau lächelte mir entgegen. Ein braun gebrannter Engel, der sich in diese südliche Dürre verirrt hatte.
Ich stieg ein und wir brausten los, während der Staub hinter uns in einem Wirbel aus Erregung zitterte.
Der Vorderreifen des Wagens schmiegte sich sanft an den Mittelstreifen der verlassenen Landstraße an und am Fenster zog die Wildheit der Natur wie ein verschwommenes Polaroid vorbei.
Es war eine wunderbare Fahrt, Clara so hieß sie, erzählte mir von ihren Reisen, von ihrer kleinen Modeboutique in Florenz. Sie redete und redete mit ihrer zarten Stimme und ich hörte Ihr gerne zu. Ich sah sie verlegen an, während das Licht sich auf ihrer braun gebrannten, verschwitzen Haut verlor.
Vielleicht war es, weil ich lange nicht mehr mit einer Frau gesprochen hatte, aber sie kam mir so unwirklich vor, so vollkommen, so wundervoll ...
Für ihr Lächeln wäre ich tausend Tode gestorben, Gott war sie schön.
Sie redete und ich hing gebannt an Ihren feurigen Lippen, hörte jeden Ton wie eine Symphonie des Himmels in meinen Ohren erklingen.
Sie fragte, ob ich einen Platz zum Schlafen hätte, und bot mir an bei ihr zu nächtigen. Ich lehnte dankend ab, denn der Ruf der Ferne lockte mich weiter Richtung Süden.
An einer Kreuzung verabschiedeten wir uns, sie gab mir einen Kuss; einen sanfteren und innigeren Kuss hatte ich nie bekommen und ich schwebte noch tagelang in dem zauberhaften Schleier der Verliebtheit über die staubigen Straßen Italiens, mit der tragisch schönen Erkenntnis, dass ich sie nie wieder sehen würde ...
Nico Feiden
freiTEXT ist eine Reihe literarischer Texte. Freitags gibts freiTEXT.
Du hast auch einen freiTEXT für uns? Sende ihn uns doch an mosaik@studlit.at
freiTEXT | Karin Seidner
Ahnungen
Der frühe Abend, an dem der Hochsommer in den Herbst überging, warf sie in die Heuwiese. Wolkentiere gaukelten kühle Ahnungen in die Ferne. Noch lagerte Hitze in allen Poren . Hufgeräusche schmolzen in sattgrünem Blätterrauschen. Die Geschmeidigkeit ihrer Glieder hatte das Firmament berührt und der Atem sich mit dem Goldglanz gepaart. Feuchtigkeit breitete sich unter ihre Sohlen.
Später würde der Vollmond das Übrige dazu tun.
Karin Seidner
freiTEXT ist eine Reihe literarischer Texte. Freitags gibts freiTEXT.
Du hast auch einen freiTEXT für uns? Sende ihn uns doch an mosaik@studlit.at
freiTEXT | Jacqueline Krenka
Der Punkt
Das ist er also. Dieser eine Punkt, dessen Existenz du weder jemals bedacht noch für möglich gehalten hast. Ob erreicht oder überschritten spielt hier keine Rolle. Dieser eine Punkt, an dem dein Herz so sehr gebrochen ist, dass es keine Gefühle mehr fassen kann, nicht einmal die Schlechtesten. Liebe und Hass, Freude und Trauer, Hoffnung und Schmerz. Sie alle rinnen durch die Risse, schneller noch als Wasser durch ein Sieb. Zurück bleibt ein pochender Muskel, dessen einzige Aufgabe bloß noch darin besteht, einen freudlosen Körper am Leben zu erhalten. Ob er will oder nicht, woher soll er es denn wissen? Er fühlt es ohnehin nicht.
An diesem Punkt läuft eine Träne über dein Gesicht und du fragst dich, ob sie ein Zeichen deiner zurückkehrenden Gefühle sein könnte. Doch dann bemerkst du, dass du bloß vergessen hast, zu blinzeln, als du in Gedanken versunken an die Wand starrtest. Du erinnertest dich an frühere Zeiten, daran, was für ein glücklicher Mensch du damals warst, wie herzhaft du gelacht, genossen, gelebt und geliebt hast. Du wischt die Träne weg, fokussierst deinen Blick und fragst dich kurz, wann du dich selbst verloren hast. An welchem Punkt.
Jacqueline Krenka
freiTEXT ist eine Reihe literarischer Texte. Freitags gibts freiTEXT.
Du hast auch einen freiTEXT für uns? Sende ihn uns doch an mosaik@studlit.at
freiTEXT | Renate Katzer
Großvater
Seine Worte verhallten
auf dem Amboss
unter
den Hammerschlägen
er legte
die Hand ins Feuer
für mich
sein Herz war weich und
glühend
wie das Eisen
das er trieb
sein Geist sprühend
wie die Funken
die
um meine Kindheit
tanzten
Renate Katzer
freiTEXT ist eine Reihe literarischer Texte. Freitags gibts freiTEXT.
Du hast auch einen freiTEXT für uns? Sende ihn uns doch an mosaik@studlit.at
freiTEXT | Simone Scharbert
brasch lesen
atmen lernen oder erzählen
eintauchen in lungen
ins kapillare netz
brustschwimmen
durch blutbahnen
durch deine und meine
in luftblasen denken
die gegenwart tauschen
mit jemandem
der sagt
erzähl’ mir vom atmen
das wünschen wir uns
Simone Scharbert
freiTEXT ist eine Reihe literarischer Texte. Freitags gibts freiTEXT.
Du hast auch einen freiTEXT für uns? Sende ihn uns doch an mosaik@studlit.at
freiTEXT | Fabian Bönte
52.5590437, 11.9350376
ich spüre flügelschläge
ich bin blind
ich schreie
und verliere mich im dunkel
wir treiben im nichts
wir schlagen auf trommeln
wir durchkämmen den himmel
auf der suche nach licht
Fabian Bönte
freiTEXT ist eine Reihe literarischer Texte. Freitags gibts freiTEXT.
Du hast auch einen freiTEXT für uns? Sende ihn uns doch an mosaik@studlit.at
freiTEXT | Ingeborg Kraschl
Treibjagd
Fensterbaum
er bricht dir
das goldene Licht
zum Schatten
seine Äste
dich umfangen
schließen aus
das Urteil
bis der Frost
sich nicht mehr
geduldet
die Tür
nicht mehr
im Schloss bleibt
deine unruhigen Augen
nicht mehr
vom Warten
sprechen
Ingeborg Kraschl
freiTEXT ist eine Reihe literarischer Texte. Freitags gibts freiTEXT.
Du hast auch einen freiTEXT für uns? Sende ihn uns doch an mosaik@studlit.at










