freiTEXT | Jakob Hagen

Verlaufen lernen

Schritt 1: Genesis
du bist resultat und anfang stehen voreinanderweggenommen werden ursache und wirkung miteinander ausgetauscht wird jeder einmal mehr das leben zeichnen und du strahlensonnen häuserdächer schützen was die zukunft in sich trägt ist weit weniger als jetzt die beine voreinander schlägt und deine stimme will nicht sprechen ist der erste schritt so schmerzhaft ist der niedergang wird dir nicht schaden zu vermeiden und als elter steht man meist nur nebendran vergeht die zeit noch schöner ist das licht das dich begrüsst die morgenluft verhältnismässig warm wird es um dich ein reigen und geliebte hände die sich vor dich stellen und dir den weg geleiten

Schritt 2: Exodus
bei allem was wir lernen niemals aus ist die bedenkenlosigkeit greift um sich nichts mehr vorzumachen schliesst du dich berührt nur noch der schmerz ist allumgebend tiefer atem haltend bis du auferschrickst in deinen nächten wanderst du umher verschlagen dich gedanken wiederkehrender beglaubigung als ausweg ausgebrannt und ungeformt sich durch die rippen frisst sich die erkenntnis dass du selbst dir überlassen bist

Schritt 3: Requiem
im schmerz der dunklen nächte bist du kälte über heizungsstäben flimmern nachtmusiken ziehen durch die träume wachen schlafend über dir im glockenspiel die knochenzwischenräume flüstern leise fluchst und fühlst du dich nicht ernst genommen werden unsere fragen schallen niemals muss die antwort lauten trommeln folgen wir und weisse schwäne malen hoch erhoben wolken traumverhangen bis zur atemlosigkeit so treibt sich schweiss zu perlen tränend alles dagewesene mit sich reissend nein du warst nie mehr für mich nie mehr als staub in sonnenflecken leuchtet starr verdreht sich etwas sagen wir vergehen unter uns erhebt sich weissgewandig was dich ausgemacht hat war weit mehr als deine worte schreiben jetzt nur noch der tau zwischen den fensterscheiben kreischen wild gewordene fetzen die die welt bekleiden scherben in dir schreit und faucht der teufel pauken schlagend gegen die gesichter sprechen alles fällt mit dir wird klar dass es in deinen zeiten niemals anders war es angst gewesen die dich zähmte niemand las je deine zeilen ungelesen sich zu wasserzeichen quellen die sich schlafen legen sorgenfalten um sich werfend
es erschlägt dich
du bist nicht mehr unverwundbar
du bist kind gewesen

 

Jakob Hagen

 

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