Was geht ab in: Wien

Was geht ab in: Wien

In dieser Kolumne aus der Zeitschrift mosaik laden wir jede Ausgabe jemanden ein, uns eine Stadt und deren Kulturleben näherzubringen. jiaspa fenzl zeigt uns Wien - und bietet zahlreiche Veranstaltungsvorschläge. Hier ein exklusiver Vorabdruck.

Seit kurzem habe ich die Frage „Was mache ich heute Abend?” für mich entdeckt. Nach durchgestandener Covid-Erkrankung war für mich die Schnelllebigkeit Wiens heruntergebremst, sodass mein Kalender weitgehend leer ist. Bisher habe ich großen Spaß daran, ihn so zu belassen und mit dieser Planlosigkeit an die manchmal ausufernde Überfülle kulturellen Programms heranzugehen.

So landete ich etwa am 5. Juli vor dem Roten Stern Mexikoplatz (ein politischer und kultureller Freiraum im Stuwerviertel des 2. Wiener Gemeindebezirks) und stieß mit einem Apfelsaft gespritzt auf die neueste Ausgabe des WeiberDiwan an. Der WeiberDiwan ist eine feministische Rezensionszeitschrift, die zweimal jährlich erscheint (Rezension der aktuellen Ausgabe in der mosaik35). Diesmal gab es eine Releasefeier, nette Gesellschaft und natürlich Gespräche über die neu erschienenen und besprochenen Bücher der Ausgabe. Ich war wie jedes Mal baff, wie viele Bücher von Frauen*, Feminist*innen auf einem Fleck versammelt sind. (Der WeiberDiwan wird mit den an.schlägen verschickt und ist vielerorts in Buchhandlungen und Infoläden zu finden – nicht nur in Wien.)

Nachdem Kultur und Literatur diesen Sommer nun doch mehr oder weniger stattfanden, war ich ganz froh, keinen Überblick behalten zu wollen. Manches nehme ich mir aber vor. Es ist so wichtig, dass es dick im Kalender eingetragen wird. Von 21. August bis weit in den September findet das Literaturfestival Bridging the Tongues statt. Konzipiert und geleitet von Radostina Patulova, Ovid Pop und kollektiv sprachwechsel: Literatur in der Zweitsprache, gibt es wochenlang Programm, um die Mehrsprachigkeit der Stadt zu präsentieren und Communities zu vernetzen. Im August starten Werkstätten zu Sprache als Handlung und Erzähllust. Anfang September werden Tandemlesungen und Diskussionen in der Brunnenpassage am Yppenplatz aufgezeichnet, da wegen der Pandemie nur begrenzt Publikum vor Ort sein darf. Ab 23.9. hat das Festival digitale Premiere, die Veranstaltungen werden auf der Homepage von kollektiv sprachwechsel gestreamt. Mehrsprachige, in Wien lebende und internationale Autor*innen lesen und diskutieren ihre Texte, reflektieren über Mehrspachigkeit, neue Sprachen, Vermischungen und Möglichkeiten. Außerdem gibt es Ende September Literaturspaziergänge auf den Spuren von Textproduktion Schwarzer Aktivist*innen in Wien, Wienerliteratur auf Romanes und Jiddisch und (am europäischen Tag der Sprachen) Queering the Language of the City.

Und wenn dann vielleicht doch wieder alles zumacht, geht das Festival im Oktober und November auf Radio Orange weiter, das freie Radio in Wien (das dank Internet überall zu empfangen ist). Es lohnt sich, das Sendeprogramm durchzuklicken. Da wir schon dabei sind – hier noch etwas, das dauerhaft stattfindet und unabhängig von Corona-Maßnahmen abendfüllend sein kann:

Jeden vierten Sonntag im Monat von 15:00 bis 15:30 gibt es auf Radio Orange eine Literatursendung, die zeitgenössiche Literatur präsentiert. Autor*innen werden gebeten, ihre Texte selbst einzulesen, Zielgruppe sind alle Literaturinteressierten und jene, die es werden wollen. Die Sendung gestalten PS: Politisch Schreiben und Das fröhliche Wohnzimmer – zwei Literaturinitiatven mit (einer) Homebase in Wien. PS ist ein Projekt, das ich mitgegründet habe, Das fröhliche Wohnzimmer sind famose Verbündete, wenn es darum geht, sich zu fragen, wie das mit politischem Schreiben überhaupt ginge, wie der Literaturbetrieb mehr genossen werden könnte und auf was ich mich einlasse, mit dem ich nicht gerechnet habe.

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jiaspa fenzl

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Die mosaik35 erscheint Ende Oktober - erhältlich auf liberladen.org.