ich freu mich so für dich

die worte wachsen aus deinem mund wie
blumen in pink und senfgelb
sie krabbeln kriechen kitzeln über deine lippen
entfalten sich mit allem   was sie
zur fortpflanzung brauchen
narbe griffel fruchtknoten
und hängen dir aus den mundwinkeln
und alle sagen   schau wie hübsch

du streichst dir die haare zurück und die
efeuranken rascheln unter deinen fingern
du rupfst und zupfst und reißt sie aus und
machst ein extrakt daraus und
schmierst es über alle deine worte
wenn du es richtig gemacht hast   dann
heilt es und
wenn nicht   dann
ist es gift
aber nur für dich

knorrend kratzt du dir die adern auf und das
harz tropft wie hässlicher honig über deine haut
fängt die fremden triumphe ein und
sperrt sie in bernstein   bevor sie
in deinen blutkreislauf dringen
dort trägst du sie wie schmuckstücke aus
prähistorischen zeiten und hoffst   dass sie
brechen und bröckeln und
von deinem körper verschwinden   bevor
jemand sieht   dass sie
nicht dir gehören

die anderen wässern deine blüten   bestäuben und
befruchten sie und
streuen die nächsten samen
ihr lachen liefert sonnenlicht
ihre worte atmen kohlendioxid und
die keimlinge winden sich um deine zunge
ich freu mich so für dich   sagst du
und die nächsten blumen quetschen sich an deinen
zähnen vorbei
alpenveilchen und amaryllis
du duftest wie der garten eden
nach dem sündenfall

ranken schlängeln sich durch deine adern und ihre
dornen brechen aus dir heraus wie felsnadeln
schneiden dir waffen an die haut   an denen du
dich selbst schneidest

alle bewundern deine blüten und du
bist das unkrautjäten müde   das
düngen stutzen mulchen rechen
damit du nicht untergehst in deiner
blütenpracht und die
blätter dir nicht die lunge verstopfen

inzwischen erkennst du die fleischfressenden pflanzen   hast
venusfliegenfalle und sonnenkraut identifziert und
reißt dir die wurzeln aus   auch wenn sich
dann alles entzündet

deine adern schimmern grünlich durch die
verbrannte haut   du kriegst
zu viel sonnenlicht ab   aber deine
pflanzen wollen gedeihen
du verdeckst die bienenstiche mit
einem vorhang aus laub und
tupfst blut und eiter und pflanzensaft ab
aloe vera wächst dir noch nicht

die ränder der blüten rollen sich ein wie der
rote teppich nach der premiere
braun kräuselt sich das grün   es
färbt sich braun und erbricht sich
vor deinen füßen
du gehst über blumenleichen und
hinterlässt welke fetzen
deine borken vertrocknen verblassen vereisen
es ist winter und du wirst
grau und kahl und
schließlich
stirbst du ab
deine knollen speichern nichts

 

Christina König

 

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