Allein
Im Labor alles nach Plan, ein Gefühl der Kontrolle
ein Teil von ihm ein Teil von mir
verschmelzen im Reagenzglas zu Einem
zu Eizellen in A-Qualität.
Verschmelzen wie er und ich verschmelzen
aus Zwei wird Eins
wir sind doch auch Eins.
Das Glucksen, wie ein zarter Schluckauf in meinem Unterleib,
als ich unser Kind aufnahm
zwischen meinen gespreizten Beinen ein Mann,
der da nicht hingehört
der mich anmault, weil ich zucke
als die Pipette in meinen Uterus sticht
der lacht, weil ich sage, ich habe das Glucksen gespürt,
was nicht sein kann, es ist doch noch zu klein, unser Kind.
In meinem Körper dann die wahre Katastrophe, die Zerstörung
dort bleibt nichts, dort wächst nichts.
Ich bin zerstörerisch, ich bin schuld.
Mein Bauch bleibt leer, meine Arme bleiben leer.
Ich bin allein.
Wollte unserem Kind die Welt schenken
der Welt unser Kind schenken
unserem Leben unser Kind schenken.
Wie soll ich bloß diese Lücke füllen?
Nichts kann diese Lücke füllen
ich werde verrückt bei dem Gedanken, kann ihn nicht zulassen
der Schmerz ist so groß, so tief.
Möchte mir die Sehnsucht herausschneiden
ich möchte operieren, ohne Betäubung
der Schmerz wäre lächerlich gegen das hier.
Ich muss die Lücke füllen.
Wie kann es sein, dass ich keine Mutter bin
es war doch in mir, unser Kind,
wie kann es sein, dass ich keine Mutter bin?
Ich bin doch jetzt Mutter, es fühlt sich so an
doch bin ich es nicht
bin mutterlos gleichzeitig, bin schutzlos und allein.
Wie kann ich denn jetzt mir selbst noch die Mutter sein?
Was ist das überhaupt, Mutter?
Sind wir nicht alle Frauen?
Aber Mütter sind besondere Frauen
das bin ich nicht, eine besondere Frau.
Ich zerstöre, ich bin schuld
das alles kann ich doch niemandem sagen
nicht mal ihm.
Ich muss doch stark sein für ihn und unsere Liebe,
dass ich ihn nicht verliere
uns nicht verliere
mich nicht verliere.
Ich brauche Kontrolle.
Letzte Nacht noch
haben wir uns die Lust zurückgeholt, ganz pur
ohne diesen Hintergedanken
haben uns gegenseitig getrunken.
Ich war voll von ihm in meinem Mund
bis ich ihn schmeckte
sein Speichel auf meinen Brüsten
die ich ihm gierig entgegenstreckte
seine Lippen auf meinem Bauch, seine Zunge
zwischen meinen Beinen das leise schmatzende Geräusch
bis ich vibrierte.
Am Morgen dann das nüchterne Erwachen
ein vergeudeter Eisprung ein verpasster Fick,
das ist mir herausgerutscht.
Meine Panik, dann seine Wut, unser Streit
laut und hemmungslos wie unsere Lust in der Nacht
aber die Dunkelheit ist eine andere.
Jetzt ist er weg
ist nicht mehr hier
auch uns zerstöre ich, bin schuld.
Ich bin allein.
freiVERS ist unser Wort zum Sonntag.
Du hast auch einen freiVERS für uns?
schreib@mosaikzeitschrift.at