08 | Seitenstechen - Zwei Collagen

Je ein Satz aus jedem Beitrag der Literaturzeitschrift Seitenstechen #1 & Seitenstechen #2 – zufällig ausgewählt, sinnig aneinandergereiht, einen neuen Text ergebend:

 

#1: Seefahren macht besser

Madam kocht schlechtes Essen, Sami spielt Klavier, mit den Kavalieren tanzen wir, da an der Nordsee nicht viel passiert, haben wir drei Mal Sex am Tag. Blow, boys, blow … Knut schwingt den Fang an Bord. Auch er trägt einen Bart. Er schwenkte einen Bananensack in der Hand. Er rief seine Gefährten und zeigte nach dem Baum. Die Matrosen, klein wie Miniaturfiguren, laufen über die Hängebrücke an Land. Einige nackte Männer und Sonnenschein, ein Hundebellen, ein landendes Flugzeug. Der Mond geht auf und unter und an Deck pennt die Wache. Die Wehrmacht zog sich von der Küste zurück.

Danach segelten wir wieder auf das Kap der Guten Hoffnung zu, denn wir waren davongesegelt wohl tausend und vierhundert Meilen.

Wir sind doch unterwegs, es heißt »Wir«, schon richtig! Mein Kompass schlug aus. Die Nordsee vor mir wird lebendig. Im Licht der Ägäis versinkt die Britannic. Die Schreie des Sturms sind zu hören, sonst ist es still an Bord. Das Schweigen dauerte. Wenn der Kopf in den Korb fällt, ins blutgetränkte Stroh. Manchmal holt er das Boot aus dem Versteck: Wir steigen aus.

Und wie der stürmende Wind in die trockene Spreu auf der Tenne ungestüm fährt und im Wirbel sie hiehin und dorthin zerstreuet, also zerstreute die Flut ihm die Balken.

Da schlug uns der Wind wieder in die See, da rauft sich der Schiffsmann und schrie. Und mit einem krampfhaften Schauder und geschlossenen Augen hielt ich ihm endlich die verbleibenden Splitter hin. Aber er hat ja den Wind und der weht ihm lindernd ins wettergegerbte Gesicht. Diese Erkenntnis ließ sie wieder ein wenig die Fassung erlangen. Auch sie muss ich verlassen, denn es treibt mich, treibt mich weiter. Ein weiteres Fässchen im Fernrohr, und ich wäre gerettet!
Mit mächtigen Gliedern ein dämmriges Grün. Starr von Salz.

Mit: Akkordeon // Artmann // Burgholzer // Dürer // Fock // Glatz // Hartge // Heckmann // Heym // Hielscher // Homer // Jeschke // Jona // Kern // Klabund // Kramer // Krautwurst // Krömer // Patten // Poe // Rathenow // Ringelnatz // Roth // Rubey // Said // Schloyer // Schwandt // Springer // Tennyson // Wawerzinek // Wigfall

 

#2 Dunkle Energie

Was sollte ich denn erzählen? Der denkende Mensch dichtet sich die Zeilen zusammen.

Genießt das Hiersein in der einzig feuerfesten Zone. Verbrennt man ein Korn Weihrauch, so wird sich ein wenig Rauch bilden. Quanteneuphorie zerbirst zu Feuerwerken. Purpurnen Rauch, wir inhalierten ihn. Mir kam es vor, als hüllte uns eine Wolke ein, leuchtend, dicht, fest und glatt, fast wie Diamant, auf den die Sonne fällt. Sonne, von der alles herrührt.

Er begegnet Menschen, er spricht mit ihnen, er liebt sie. Zulassen wird es auch, dass etwas anderes in ihm ist oder geschieht. Alles von dir hergeben, nie fragen, das Monster sein, vor dem du jeden warntest. Das Ziehen des Hungers dehnt die Därme. Ein wechselvolles Schicksal hat er hinter sich, und man kann durchaus nicht sagen, dass er nun tot sei. Die Zombies, denen wir begegneten, grüßten freundlich, wie wir trugen sie weiße Helme.

Let us honour the atom, so lively, so wise and so small. Wenn nun aber schlechthin alles die Möglichkeit hat, nicht zu sein, so war auch einmal nichts. Daher nannten sie, in der Überzeugung, dass der erste Körper etwas anderes sei als Erde, Feuer, Luft und Wasser, den höchsten Ort »Äther«. Unsere Welt würde so als eine Welt verstanden werden, in der etwas wirklich passiert.

Geschehen und angesiebt nicht, dicht, dimmend, stark. Tiefer immer tiefer sprengt mich das Dunkel. Aus dem Rumpf eines Traumes jedoch strömt in langen Wellen das Licht erloschener Sonnen, ein Reflektieren bricht aus dem nachtschwarzen Käfig. Dennoch weiß ich nicht, wie sein in diesen Räumen erfüllt von Gegenlicht. Ziellos trieb die Erde durch die Galaxis.

In der ursprünglichen Einheit des ersten Dinges liegt die Ursache aller Dinge, mit der Anlage zu ihrer unvermeidlichen Vernichtung. Die Treppe bricht ab, alle fallen. Sie gingen ein wie Primeln. Kurz, verschont war niemand, when the fire alarm three blocks further ticked off that evening yet again. Haben wir also mit Recht von einem Himmel gesprochen oder war es richtiger, von vielen und unendlichen zu reden?

Existenz ist schon ein bedeutsamer Hut! Sie hat gründliche Arbeit geleistet, seht euch nur dieses zerknüllte Märchen an, das war unsere Geschichte. Wiederum hat Gott sich erübrigt.

Mit: Aquin // Aristoteles // Arnold // Brandt // Byron // Chobot // Dante // Draesner // Ecker // Einstein // Falberg // Frings // Galilei // Görlach // Grünbein // Hartge // Holbein // Jørgensen // Kappel // Kienitz // Kraft // Lemaître // Lukrez // Maxwell // Piekar // Platon // Poe // Schrott // Solaris // Stachler // Steigenberger // Trunschke // Woelk

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Seitenstechen

Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen:

advent.mosaikzeitschrift.at

mosaik23 – du bist fad.

mosaik23 – du bist fad.

Intro

Wer ist fad?

Wenn das mosaik auf der Titelseite eine so provokante Behauptung aufstellt, dann fragst du dich wohl, wer denn nun fad sein soll. Nun, entweder ist dies eine selbstbezogene Behauptung vom mosaik, vielleicht eine neue, etwas fragwürdige, PR-Masche. Ein kurzer Blick ins Archiv, genauer gesagt, in mosaik13, hilft weiter:

„Keine Literaturzeitschrift kann jemals so langweilig sein wie die letzten Bücher von Peter Handke.“ – Marko Dinic

Puh, aus dem Schneider. Aber das würde ja bedeuten, das Du bezieht sich auf dich, werte Leserin bzw. werter Leser, sofern Sie nicht schon von der Titelseitenduzerei abgeschreckt oder gar beleidigt worden sind. Sehr kühn von uns, sind wir doch eigentlich ganz lieb und freundlich. Und was sagt eigentlich Frau Pernkopf auf Seite 8 dazu?

Aber wo waren wir. Genau. Die Literaturzeitschriften. Dass die nicht fad sind, haben wir (und du sicher auch) nicht erst mit mosaik13 rausgefunden. Was die aber wirklich können, das dürfen sie selbst unter Beweis stellen. Zum einen beim ersten Treffen unabhängiger, zeitgenössischer Literaturzeitschriften, das im Mai 2017 in Salzburg stattfindet – klein und laut präsentieren sich bereits jetzt einige dieser Zeitschriften ab Seite 53.

Dennoch: Wenn man zum dreiundzwanzigsten Mal etwas macht, dann muss man sich dem Fadessevorwurf stellen. Intern möchten wir dafür sorgen, dass wir eben dies nicht werden, arbeiten an neuen Formaten, Inhalten, Themen. Doch dafür brauchen wir dich, der du grade im Zug/auf der Wiese/am Klo sitzt und zufällig oder ganz bewusst diese Zeiten liest. Wer liest eigentlich noch Vorwörter? Ach, ist eh ein Intro. Und als solches darf es ruhig auch konfus und wirr sein.

Weiterhin: Wir brauchen dich. Wenn du dich fragst, was wir so machen, dann lies einfach mal weiter und schau dich online um. Wenn du das, was wir (außerhalb dieses Intros) so machen, gar nicht mal so schlecht findest, dann werde doch ein Teil von uns! Noch nie war es so einfach, ein Mitglied der mosaik-Familie zu werden. Schau einfach mal auf wir.mosaikzeitschrift.at vorbei.

Der Vorteil daran: Wir sind nicht fad.

Unser Mosaik.

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mit Texten von:
  • Ulrike Anna Bleier
  • Daniela Chana
  • Sagal Comafai
  • Fabian Lenthe
  • Christian Lorenz Müller
  • Susanne Pernkopf
  • Andreas Reichelsdorfer
  • Kathrin Schadt
  • Sigune Schnabel
  • Katja Schraml
  • Jan Seibert
  • Leon Skottnik
  • Elisa Weinkötz
  • Phillip Zechner
klein&laut – Literaturzeitschriften-Spezial mit Vorstellung von:
  • Politisch Schreiben
  • &radieschen
  • Richtungsding
  • Sachen mit Woertern
  • Seitenstechen
  • Zeitblatt Prisma
  • STILL
Übersetzungen von Texten von:
  • Katja Plut (aus dem Slowenischen)
  • Natasa Velikonja (aus dem Slowenischen)
  • Karlo Hmeljak (aus dem Slowenischen)
  • Florin Iaru (aus dem Rumänischen)
  • Aleksandr Baslacev (aus dem Russischen)
  • Nicoletta Grillo (aus dem Italienischen)
Mit Auszügen aus:
  • KulturKeule XXIII – Texte von
    • Fiona Sironic
    • Nora Zapf
    • Daniel Bayerstorfer
Buchbesprechung:
  • Marko Dinic – Lyrikkiez: Wald aus Krätze (hochroth)  und BAIAE (Verlagshaus Berlin) von Tobias Roth
Interview:
  • Sibylle Ciarloni mit Joanna Lisaik
Kolumne
  • Peter.W. – Hanuschplatz
eine Grafik von:
  • Flamingo
Kreativraum mit Veronika Aschenbrenner