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Rücklings

Nackt am Rand eines Meeres, durch das Schwertfische schwimmen, und trockne langsam. Die Flut hat die Abfälle entlang geordnet. Hinter den Dünen einst Baiae, daran ist nicht zu denken, wie an die Pinie von 79, und an nichts anderes ist zu denken. Das Land ist ins Meer hinein erkaltet, das Meer ist über Kapitelle gestiegen. Eine Luftspiegelung lässt mich Gesichter sehen, rücklings, der Anblick der blauen Fläche ist unveränderlich. Starr von Salz, seine Ausblühungen sprießen hinter den Dünen an Plattenbauten mit Meerblick. Niemand entlang des Sandes in der Sonne des frühen Oktobers; zum Sonnenaufgang werden hier viele Pferde sein. Rauschen zwischen Welle und Landstraße, rücklings, unterschiedslos. Und es kann dazugesagt werden, wie auch in Cuma die Häuser über die Theater wachsen, wie Wald aus Waldboden, und in der Stadt die Häuser Städte in ihren Kellern finden. Spolien der Zeit und Muren sind neue Fundamente, wenn das alles nichts als ein pompeianisches Fresko ist (und so ist es), wurden meine Augen geologisch und die Menschheit ein Stillstand, den das Vergessen beflügelt. Aus dem Brunnenschacht heraus, niemals über den Meeresspiegel. Aber die blaue Fläche setzt mich zurück in die Bewegung. So höre ich euch von Bädern sprechen und zurück zu Catull kehren und in den Augen der Bäume ein Portrait, weiß und warm wie der Marmor der meerischen Venus und die Schönheit ihrer Hüften. Ich sehe die Lichtbüschel den Schaum entzünden, was aus der Zeit geschnitten wurde, sanfte Farben, heftige Bewegungen, Zerfließen in weißen Schlieren, Wolkenformationen ins Unbekannte. Bald Abend. Duft des Ginsters, der Erde, kein Ende. Endet der Sekundenschlaf, der Horizont hebt sich mit dem Lid und ordnet mich den Strand entlang.

Tobias Roth

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