Schnee im Kopf
Wir sind die bauchige Schneekugel, die kaputt geht, Glassplitter wie Eiskristalle, aber schneien tut es ja nur da, wo die Wärme fehlt, wo Minusgrade an der Tagesordnung sind und bei uns schneit es in unsere Köpfe hinein, egal ob Winter oder Sommer, im Winter fällt es nur auf, weil da die Welt hinter dem Glas genauso aussieht wie hier drin
Manchmal erschreckt man sich, wenn man jemanden sieht, der einem zu sehr ähnelt und wer in der Glaskugel sitzt, sollte auch besser nicht mit Schneekugeln werfen Eiskristalle zeigen nämlich in alle Richtungen und können sich auch in angefrorene Herzen bohren, sie nutzen dafür die gleichen Widerhaken, die dafür sorgen, dass geliebte Menschen in unseren Gedanken so lange überwintern dürfen, wie es ihnen gefällt
So viel Winterschlaf kann doch kein Mensch halten, aber du bist schon so lange zwischen meine Schädelplatten gepresst wie die gelbroten Rosenblätter, die ich zum Abschluss bekam, die irgendwann anfingen das Buch mit Schimmel zu befallen, aber du bist so trocken, als hätte ich dich falsch herum an meine Wand im Kinderzimmer aufgehängt, darauf gewartet, dass du sorgsam vor meinen Augen stirbst
Aber hier lebt es sich wie unter einer Schneekugel und wem sag ich das, du selbst hast hartnäckig an ihrer Zerstörung gearbeitet, aber wie wir zueinanderstehen, blieb stets ein Kippbild, als würde jemand durch ein Kaleidoskop blicken: wir sind beide doppelt gebrochen und können einander deswegen nur spiegeln
Und die Eiskristalle tun ihr Übriges: Wenn es sich ausgeschneit hat, ist noch niemand bereit für den Frühling, jedes Jahr dieselbe Prozedur, dieselbe Tortur dieses Einsehen, dass der Kopf nicht mit den Blumen von draußen auftaut, dass es dort kalt und windig bleibt, wo Eiskristalle und braunmatschiger Schnee den Ton angeben; auch eine Schneekugel, deren Glaskuppel zerbrochen ist, bleibt eine Schneekugel.
.
Sarafina-Abena Yamoah
.
Das Advent-mosaik, dein literarischer Begleiter durch die Vorweihnachtszeit.
Täglich darfst du ein neues Türchen aufmachen: