Wir sind drei oder vier. Am Meer fällt kein Schnee, wir pusten ihn aus den Feldern, wechseln unsere Verortung. Wir sind ein Wald, in unserem Blick wohnt ein Kreis. Dort fällt eine Flocke, landet. Auf der Zunge ist sie nichts. Auf der Haut, im Fell bleibt sie als Zuneigung. Als Menschen stehen wir ungerade, haben einen Hang zur Erde.  Als Tiere sind wir gleichauf, wie überliefert, weithergebracht. Sind eine Erzählung, ihre Worte lecken wir uns ins Fell. Da überwintern sie.

Wenn eine ausfällt trauern wir. Dann ist wir eine weniger. Dann suchen wir uns etwas aus. Es gibt ein Spiel, das heißt, uns einen Schatten holen. Der Schatten wächst. Wenn er größer wird als wir, dann müssen wir ihn abhängen. Das heißt, wir rennen davon. Teilen ihn auf. Wir teilen uns nie, aber der Schatten wird kleiner, wenn er zerrissen ist. Bleibt hängen im Gestrüpp. Von dort zieht er in Fetzen in die Erde.

Einmal im Jahr kommt der Schnee. Wenn er nicht kommt, werden wir nicht älter. Älter werden heißt, Schatten im Boden vergraben. Dann legt sich der Schnee darauf und man vergisst. Wir vergessen nicht. Wir haben gelernt, dem Schnee zu danken. Danken heißt, etwas zurückzugeben. Einmal im Jahr bleibt eine liegen. Einmal im Jahr kommt der Schnee. Wenn er nicht kommt, liegt eine umsonst.

Umsonst ist immer zu wenig. Zu wenig heißt, dass man sich etwas nehmen muss. Wir nehmen uns etwas vom Mann. Es geht immer sehr schnell. Etwas Lebendes bleibt in den Händen, wenn man es hat. Dann schieben wir es uns in den Bauch, setzen uns fest. Wunden lecken heißt auch, die große Narbe trösten, wenn sie weint. Dann kommen wir aus uns selbst.

Wie es ist, sich selbst im Arm zu haben. An den Brüsten. Wir jaulen, wenn wir Hunger haben. Wer Hunger hat der isst. Was essen, wenn es nichts gibt als uns selbst. Am Waldrand stehen Augen. Ein andres Spiel heißt, wer sie schneller schließen kann. Liderlecken, unter den Lefzen Träume. Der Schlaf kommt immer aus dem Bauch.

Sich nur den halben Schlaf holen. Ein Auge immer halbauf. Das hat der Mond uns ins Gesicht gemalt. Wir lecken ihm ein Loch in die Stirn. An irgendwas muss er sich aufhängen können. Wie wir, wir hängen in den Bäumen. Die am längsten hängt, verliert. Es kracht wenn man sich an die Beine hängt, wie Äste. Ein Baum hat mehr als ein Genick.

Wie schwer der Schnee im Rücken liegt, das weiß der Frühling. Wie wenn man aus der Erde kommt, nur blau. Mit blauen Lippen kann man besser singen, sagen wir. Wir schütteln unsere Wörter ab wie Schnee. Mit vollen Händen trinken wir sie wieder auf. Stecken uns Zapfen rein. Was kalt auf der Zunge liegt, stillt einen Durst. Ob er gelöscht wird liegt an unseren Worten.

Was sprechen, wenn der Durst nicht sterben will beim Trinken. Wie nennt man eine Angst die nicht vergeht, wie ein Verlangen. Wir sagen nichts, wir gehen durch die Zeit. Kann süß sein, das kann Nacken brechen. Die Zeit findet in uns dann einen Ort, sie findet statt. Wir wissen zu vergehen. Vor Hunger, Kälte, vor Wald. Wir wissen auch, wie man sich weitergeben kann, verwandeln. Einmal im Jahr kommt der Schnee. Wenn er nicht kommt, werden wir kälter.

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Manon Hopf

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