3 | Sofie Morin

Falten aufspüren .:. Tag und Nacht

Wir kennen Flügelschläge, oder Reissäcke in anderen Erdteilen, die ich mir so gern verbitten will umzufallen an Weltenden. Wir kennen die Geschichten von feinsten Luftbewegungen, die gar Tornados auslösen, über absurde Entfernungen, die auf keine Landkarte mehr passen.

Diese oder jene Effekte, die wirken, schmetterlingsgleich über jegliche Vernunft hinweg, die wir uns so bitter erarbeitet haben. In der Meteorologie, und überhaupt, wünsche ich mir verstehbare Zeugnisse intelligenten Lebens und lieber keine Unvorhersehbarkeit. Besser Konvektionsströme sauber berechnen, als Divergenzen aushalten müssen.

In meinem Garten vor allem wünsche ich nur sauber angepflanzte Lieblichkeit und nicht mehr zwischen uns als die Flügelspannweite eines freundlichen Falters.

Aber so einfach ist das nicht, denn je genauer ich hinsehe, umso mehr erkenne ich von der Zerbrechlichkeit dieser und jener Schuppen, die sich unter der leisesten Berührung der Fallsucht ergeben. Es hilft nichts, das alles nicht wissen zu wollen, nichts von Tagesrändern und Lebensspannen, die so gering bemessen, dass nur ihr farbensprühendes Aufglühen schon alles vom nahen Ende her beweist. Nichts hilft es, das aufzuspüren, was sich faltet, wie Flügeldecken, wie Zellen, wie die Entfaltung des Lebens nur unter anderem aus mir. Wie all das, was wir vernünftig glauben.

Lieber will ich angemessen ungeduldig sein, mit mir und dem Sprießen, mit dem Überdauern und Tilgen von all der Schuld, die wir auf uns geladen haben mit dieser einen irrigen Idee, die Erde untertan.

Doch sind es zunächst nicht die Wesen des Tages, die meine Zuneigung an sich binden. Der unstete Schmetterlingsflug ist mir kein gutes Beispiel und auch andere vernunftbegabte Menschen sind mir bekannt, die ihn daher verabscheuen, wie das notwendige Aufspüren der Falten selbst.

Die Vermutung liegt nah, wie immer, der Fokus aufs Menschliche, das nicht ohne weiteres human ist, wäre die Wiege dieser falschverstandenen Reflektion. Auch wenn der Ursprung dieser Abneigung zuweilen mit der mutmaßlichen tierischen Effekthascherei begründet wird. Aufreibende Buntsucht und flatterhafte Bühnengeilheit, sagen sie, würden den Abgeneigten die Tagfalter zutiefst unsympathisch machen.

Da loben wir uns doch die Unscheinbaren, welche die Nächte nicht heller machen, als sie es sind. Solche Falter, die auf innere Werte statt auf Farbfeuerwerke setzen. Tarnfarbig halten sie der Ordnung die Treue und falten ihre Flügel stets höflich auf nach Gebrauch. Sie mögen fälschlich als Spinner, Glucken oder verunglimpfend als Nonnen oder Widderchen bezeichnet werden, doch für mich sind sie die wahren Heldinnen und Schmetterlinge, allesamt Schwärmer!

Neueste Forschungen zu Nachtfaltern besagen wohl, sie seien bloß fürs menschliche Auge eintönig gefärbt. In Wahrheit jedoch würden sie so schuppentreu schillern, wie unsere Hinwendung zur Erde, die doch insgeheim innig ist. Kein Faltenwurf in der Wirklichkeit käme dagegen an, wenn einmal die Einfühlung entfesselt wäre, die uns das drohende Fehlen rundum sichtbar mache. Darauf will ich nicht warten!

So stelle ich mich vor diese Mitgeschöpfe und halte kein Maß an sie, das kein Tageslicht kennt. Ich schürfe nach Gründen und belasse sie bei sich wie die Flugfähigkeit unserer Träume. Nichts soll dazu dienen sich die Welt anzueignen, deren Teil wir sind. Ich stelle die Freiheit im Lichtmikroskop scharf und nehme den Zeichenstift in die Hand und nichts sonst.

Und alles genaue Hinsehen ist, du weißt schon, ist Liebe und Frieden daher. Und ich denke, ginge es uns so miteinander!

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Sofie Morin

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